laut.de-Kritik
Apollinische Leichtigkeit trifft dionysischen Rausch.
Review von Dominik KautzMit "Reflections Of A Floating World" bewiesen Elder 2017 eindrucksvoll, dass sie zu den spannendsten, innovativsten und kreativsten Bands des brodelnden Rock-Undergrounds gehören. Das omnipräsente Erfolgsgeheimnis: Transformation und Metamorphose als Kompositionsprinzip. Statt weiter dem beinharten Stoner-Doom ihrer Anfangstage zu frönen, öffnet sich die Band immer mehr dem progressiven, psychedelisch eingefärbten Heavy Rock. Die EP "The Gold & Silver Sessions" fügte dem Portfolio der Wahlberliner letztes Jahr zusätzlich eine motorisch-meditative Krautrock-Note hinzu. Auf ihrem fünften Album "Omens" bündeln Elder die Stärken dieser Vorgänger grandios und erschaffen damit ihr neues Opus Magnum.
Inhaltlich handelt es sich bei "Omens" um ein Konzeptalbum rund um die Errichtung einer fiktiven Zivilisation, die schlussendlich an der zerstörerischen Kraft ihres Ressourcen raubenden Fortschrittsgedanken scheitert. Eine Thematik, die man auch als Kommentar der lebens- und umweltvernichtenden Profitgier unserer eigenen Gesellschaft lesen kann. Diesem symbolischen Narrativ entspricht das wieder von Adrian Dexter entworfene Albumcover, das die Reste einer Statue aus dem untergangenen Römischen Reich abbildet. Um eine gewisse visuelle Kontinuität zu den stark von Landschaften geprägten Covern der Vorgänger zu wahren, versah Dexter ausladende Teile der Statue mit großflächigem Moosbewuchs.
Dass Elder sich musikalisch, wie Frontmann Nick DiSalvo im Interview sagte, "seit Jahren nicht mehr als eine Stoner-Band verstehen", zeigen die fünf neuen, sich kaleidoskopartig entfaltenden Tracks dabei deutlich. Dazu tragen nicht nur der mittlerweile sehr melodiöse Gesang DiSalvos, sondern vor allem die neuerdings prominenten, sehr spacigen Synthesizer von Gastmusiker Fabio Cuomo bei.
Trotz frisch erlangter Luftigkeit bewahren sich Elder dank spannend ausgefeilter Dynamiken zwischen ätherischen Klangteppichen und wuchtigen Passagen ihre archetypische Schwere. Gitarrist Michael Risberg, erstmals an der 2019er-EP aktiv am Songwriting beteiligt, sowie der neu hinzugekommene, technisch versiert groovende Drummer Georg Edert (Gaffa Ghandi) sorgen zusätzlich dafür, dass Elder ihre Heavyness auf "Omens" mit einer neu gewonnen rhythmischen und melodischen Intensität transportieren.
Wie um Gastmusiker Fabio Cuomos zentrale Rolle vorwegzunehmen, eröffnet dieser das Album im Titeltrack "Omens" mit bedächtig kreisenden Synthesizern. Auch während Elder über den Verlauf des Tracks geschickt ihre enorme Bandbreite an Dynamik, kompositorischer Tiefe und Helligkeit ausspielen, behält Cuomo seine Führungsrolle bei. Zurecht: Diese neue Klangschicht verleiht der Band, während sie hochmelodisch durch fette, erdig warme Riffs und leise, träumerisch bunte Passagen gleitet, ein zusätzliches Flugticket.
DiSalvos spärlicher, eher als zusätzliches Instrument eingesetzter Gesang steht ebenfalls angenehm wohlklingend und ausdifferenziert im Raum. Die perfekte Einladung also, um sich in Elders einzigartigem Sounduniversum zu verlieren.
"In Procession", der mit knapp über neun Minuten kürzeste Track auf "Omens", führt nach mächtig groovendem Intro zunächst über lichtdurchflutete, Yes-artige Progressive Rock-Spielwiesen, auf denen fantasievolle Gitarren und flirrende Keyboards über dem virtuosen Bassfundament von Jack Donovan in Dialog treten. Diese Lockerheit täuscht jedoch. Nach einer Gesangspassage steigert sich die Band, inklusive aufwärts strebendem Solo und kurzen Doppelleads, in einen wahren Rausch, dessen Wirkmacht stellenweise wie ein Querschnitt aus "Reflections" und "Lore"-Highlights einschlägt.
Zum Ende hin leiten Elder den Song wieder in eine abhebende, instrumentale Prog-Jam, in der die Keyboards das Geschehen dominieren. Damit beweisen sie einmal mehr, wie stark ihr evokatives Songwriting von der Implementierung der Tasten profitiert.
Das eskapistisch-cineastische "Halcyon" dagegen gleicht einer transformativen Klangreise, die Ihresgleichen sucht. Die erste Hälfte dieser hervorragend arrangierten Odyssee besteht zu weiten Teilen aus einem äußerst friedfertig-meditativen Intro, das wie die Essenz der krautigen Einflüsse aus "The Gold & Silver Sessions" klingt. Obwohl sich hier alles wie von Zauberhand motorisch fließend bewegt, scheint die Welt in diesem pastoralen Idyll still zu stehen.
Fast wirkt es, als komme die fiktive Gesellschaft hier ihrem unvermeidlichen Ende nahe, wenn Elder die harmonische Szenerie mit aufsteigenden Gitarrenriffs und einem Synthie-Solo konterkarieren. Kurz vor Ende erhebt sich eine einsame Orgel in den Himmel, bevor die Band mit einem überwältigend fetten Riff alles niederreißt. Was Elder an erhabenen Momenten und dramatischen Wendungen in diesen intensiven Monolithen stecken, grenzt an Poesie.
Mit der spritzigen, in Gebieten des Alternative Rock wildernden Albumsingle "Embers" landet die Truppe dann, sofern das bei Elder überhaupt möglich ist, so etwas wie einen unerwarteten Hit. Das liegt nicht nur am packenden, direkt greifbaren Zusammenspiel aller Instrumentalisten, sondern zu gleichen Teilen auch an DiSalvos Gesang, der hier so catchy und memorabel wie in keinem anderen Song der Platte klingt. Im absolut würdigen Finale "One Light Retreating" verzaubern Elder noch ein letztes Mal die Pforten der Wahrnehmung mit einem höchst kunstfertigen Griff in die reich gefüllte Trickkiste.
Diese experimentelle, psychedelisch angehauchte Spielart atmosphärisch dichten Heavy Rocks erfordert Aufmerksamkeit und Zeit zum Wachsen. Immerhin stecken hier in jedem einzelnen Song mehr Ideen, als andere Bands auf einer ganzen Platte verarbeiten. Mit dem stilistisch breit aufgestellten, technisch und künstlerisch höchst ambitionierten "Omens" befreien sich Elder mehr als je zuvor von einschränkenden Genregrenzen und weisen damit den Weg in ihre musikalische Zukunft.
Wer sich auf den Schulterschluss zwischen schwebender, apollinischer Leichtigkeit und rauschhafter, dionysischer Orgie einlässt, der wird in den fünf filmhaften Klanglandschaften zwischen Riffgebirgen und unvorhersehbar psychedelisch wabernden Klangmeeren mit jedem neuen Hördurchlauf neue Details entdecken. Mit "Omens" liefern Elder ohne Frage ihr neues Referenzwerk ab.
5 Kommentare mit 5 Antworten
Klingt auf Anhieb überragend.
zuerst war ich ja arg skeptisch. Wenn man jedes neue Album als "Opus Magnum" bezeichnet.
Vor allem da die EP (The Gold & Silver Sessions) nicht so meins war. Aber Di Salvo erklärte sich ja in einem Interview und stellte ebenjenes neues Album in Aussicht, dass dann auch wieder ordentliche Songs drauf hat, statt planloses gejamme. (Nicht, dass zweiteres schlecht ist, nur eben nicht so meins).
so nach dem ersten Hören kann ich jetzt noch nicht sagen dass es das neue "Opus Magnum" ist, aber es knüpft definitiv bei "Reflections..." an. Gefällt mir also wieder super dieses Werk und dürfte wohl gleich im Einkaufswagen landen.
Ich hatte aber auch das Gefühl, dass die mit jedem Release noch besser weden, daher wahrscheinlich die kontinuierlich wiederkehrende Opus Magnum Nummer. Auf "Reflections Of A Floating World" hat für mich dann alles begeistert und "Omens" scheint dem in Nichts nachzustehen.
es stimmt schon, dass sie sich entwickeln und das auch zum Guten. Nicht, dass man das alte Stoner / Doom Zeugs nun schlecht reden wollen würde.
für mich rangiert Lore bis Reflections bis Omens alles auf einem Level. (naja, Omens jedenfalls soweit. Bin noch am reinhören...)
Die EP war da für mich ein Ausrutscher, jedoch nur persönlich. Dass sie mal sowas machen wollten find ich völlig okay.
Es stimmt schon was du sagst, wenn man sich eben immer übertrifft dann ist es halt ein neues Opus. Aber bei zu viel Jubelei tendiere ich dazu etwas kritischer zu sein.
Doch bei Elder scheint es mehr als verdientes Lob.
Ja finde auch, dass das alles auf einem hohen Level spielt. Mir persönlich sagt das zu, dass der Stoneranteil weniger geworden ist.
Die Ep finde ich solide aber die sehe ich auch nicht auf dem Level der Alben aber als Ep doch ganz nett.
Und es gibt ja auch wirklich Künstler, wo der Promotext zu jedem neuen Werk immer wieder vom besten Album der Galaxie redet, von daher ist es nicht verkehrt, da etwas kritisch zu sein.
genau das.
So wie der Wunsch der Vater des Gedanken, so die Kritik die Mutter der Erkenntnis.
Vielleicht bin ich wieder nur der olle Grummel hier, aber mir schlafen hier die Füße ein. Das hier ist das reinste (Ge-)Nudelhaus.
Ich kannte die Band vorher nicht und finde das hier durchgängig sehr gelungen. Auch hat mich der Gesang nirgends genervt (Powermetal: "Als Schwachpunkt entpuppt sich nämlich der Vortrag von Sänger Nicholas DiSalvo").
Kann im Home-Office bedenkenlos eingesetzt werden ...
Stoner meets Alternative - bewährt grossartig. 8 von 10