laut.de-Kritik
Musik für trübe Tage, für Kakao mit Amaretto, für ein Bier und eine Zigarette.
Review von Andrea VetterWir drücken auf Play und sind gespannt, was uns Element of Crime diesmal bieten. Es wird sich nach Element of Crime anhören, so viel ist klar. Und dann sind wir auch schon gefangen vom ersten Track. Definitiv einer der besten Songs, die Element of Crime jemals gemacht haben. Wen interessieren da noch die neun anderen, schon dieses Lied sagt uns mehr als manches zweistündige Konzeptalbum großer Bands. "Groß ist nur, was man nicht erkennen kann, und größer noch, was man nicht begreift" singt Sven Regener da. Element of Crime sind groß – man kann die Lieder nicht begreifen, nur fühlen. Regener hat erst kürzlich bei einem Interview im Schweizer Radio gesagt, er texte nach der Melodie - hier bilden beide einen solchen Melancholie-Rahmen, dass man sich auf sein Bett setzen möchte, heulend und lächelnd zugleich. Diesen Schmerz, der am Herzen zerrt, zu erzeugen, hätte die Musik alleine schon geschafft. Und über Zeilen wie "Liebling sag mir morgen früh noch mal dass wir glücklich sind, wer zu lange in die Sonne sieht wird blind" braucht man nicht viele Wort zu verlieren.
"Narzissen und Kakteen" ist wieder ein Liebeslied. "Wir stehen staunend vor den Trümmern einer guten alten Zeit" heißt es da, weder fröhlich noch traurig, sondern wie ein Kind, das vorsichtig und mit aufgerissenen Augen in die Welt blickt, über dessen Blick sich aber nun schon resignierter Staub zu legen droht. Es folgt mit "Seit der Himmel" ein liebevolles liebeskrankes Lied mit bitterem Lächeln und weinenden Geigen, aber auch tiefer Herzensfreude und jubilierenden Trompeten. "Dass ein Haar von Dir (...) schwerer wiegt als 20 Bier", solche Metaphern sind es, die den Reiz ausmachen. Sie erheben sich neu und glitzernd aus der Sprache und zementieren Gefühle so klar ein wie die Fliege, die in einem Bernstein zu sehen ist.
"Warte auf mich" ist eine Hymne an das gemeinsame durch das Leben Gehen, ein Ruf, aber kein verzweifelter, nein sondern ein logischer Ruf, denn "draußen ist es zu dunkel für einen allein". "Romantik" ist ein guter Titel für diese Scheibe, denn man muss sie aneinander gekuschelt anhören. Verloren, wer alleine ist, er wird die Melancholie nicht ertragen, oder vielleicht doch, er wird vielleicht denken, die Musik streichelt sein Gesicht.
"Alle vier Minuten" ist kein Liebeslied, ausnahmsweise, sondern wunderbar selbstironisch. Eine Liebeserklärung an Sprachpanscher und Sinnlos-Schwätzer, von denen eine Leichtigkeit ausgeht, so dass man sich am liebsten mit den Musikern in eine Kneipe setzen möchte, mit "um die Häuser ziehen, schonungslos und ohne Hintersinn". "Fallende Blätter" fährt mit dem Filmorchester Babelsberg hohes Geschütz auf. Der Song erzählt von einem einsamem Grübler, der sich eine Herbstnacht um die Ohren schlägt. Das besondere daran ist, dass nur durch den einen Halbsatz "ich dachte wirklich, dass es diesmal für immer wär", klar wird, das ist ein Liebesschmerzlied. Ein Gutes. "Der alte Schrott muss raus und neuer Schrott muss rein" heißt es im siebten Track, eine Veränderung bringt nichts – außer Spaß, wie uns die beschwingte Melodie weis macht. Song Nummer acht ist ein Lied aus weiblicher Sicht. "Ach wie kümmerlich ist die Wirklichkeit", singt Regener da, im Gegensatz zu der Vorstellung, die man sich von einem Menschen gemacht hat. Aber die Melodie zeigt keine Enttäuschung darüber, sie tröpfelt süß und stellt nur fest, lakonisch, dass sich das Warten nicht gelohnt hat. "Es regnet" erinnert mit seinem Geigentrio an alte Filmmusik und handelt vom Herbst, dem Regen und dem Leben.
Element of Crime ist Musik für trübe Tage, für Kakao mit Amaretto, für ein Bier und eine Zigarette, für Deutschland eben, wo es immer regnet, und die Leute immer grübeln – aber das Schöne ist, die Musik befreit durch ihre augenzwinkernde Leichtigkeit in aller Melancholie von der Ernsthaftigkeit. Das neue Album besinnt sich nach "Psycho" wieder auf alte, langsamere Qualitäten, auf den Weltschmerz, kleine ironische Spitzen, Betrachtungen ohne Hoffnung aber trotzdem mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Es enttäuscht uns nicht. Es ist dicht und tief und trägt.
"Too old to die young" steht auf den Band-T-Shirts der Berliner, und deshalb sind sie wohl auch so weise, irgendwie. Der letzte Song ist dennoch traurig. Ein Abschiedslied. Und dann drücken wir auf Repeat.
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