laut.de-Kritik
Gesichtsloses Album für Balladenfetischisten.
Review von Kai KoppAuch auf seinem 43. Album tut Elton John, was er am besten kann. Mal von seinem Flügel, mal von seiner pop-rockig orientierten Band begleitet, singt er sich auf zwölf Songs durch eine süßliche Marshmellow-Welt aus eingängigen Melodien und bezaubernden Piano-Hooklines. Die Texte dazu steuert sein seit Jahrzehnten bewährter Zeilenschreiber Bernie Taupin bei, der seit den späten 60ern für die Wortwahl in Eltons Liedgut verantwortlich zeichnet.
Ihr gemeinsames Verlangen, der Welt immer wieder zeitlose Lieder zuzumuten, sorgt auf "Peachtree Road" für Stücke, die zwar handwerklich alle Kriterien eines soliden Songwritings erfüllen, auf der kreativen Ebene aber deutliche Schwächen aufweisen. Vom erfolgsverwöhnten Songschreiber-Duo zu erwarten, dass sie ihrer bewährten Stilistik innovationsfreudige Aspekte abtrotzen, wäre dennoch unfair. Versuche solcher Art enden - außer bei Björk - zumeist in der breitflächigen Ablehnung eben dieser. Geben wir uns also mit dem Erwartbaren zufrieden und lauschen den neuen alten Melodien.
Nach dem einleitend schmachtenden "Weight Of The World" folgt die Schmusenummer "Porch Swing In Tupelo" mit verhaltenen Steel Guitar-Sprengseln und Rocksound-Drums. Ballade Nummer drei fährt im Refrain zwar etwas rockiger, aber auch hier erscheinen Sir Eltons tradierte Dreiklangs-Harmoniefolgen und Melodien vorhersehbar und ausgenudelt.
Auf "Turn The Lights Out When You Leave" trägt er die schunkelige Soße allerdings deutlich zu dick auf. Eine Country-Ballade, die so abgehangenen vor sich hin 6/8elt gehört von der Mainstreampolizei verboten. "My Elusive Drug" ist ebenfalls eine aussageschmale Erzählung. Bei aller Liebe, fünf Songs = fünf Balladen, hier hört der Spaß eigentlich schon auf!
Zum Glück kommt vor dem nächsten Schmusesong mit "They Call Her The Cat" eine kleine Abwechslung aus Blues-Country-Rock, die den lahmen Gesamteindruck des Albums dennoch nicht lindert. "All That I'm Allowed" mag als erste Singleauskopplung vielleicht die schönste aller anwesenden Balladen sein, mein Bedarf an solchen ist - im Gegensatz zu meinem Bedarf an Synonymen - jedoch für die nächste Zeit gedeckt. Elton lässt jedoch nicht locker und streut bis zum bitteren Ende balladeskes Salz in meine blutenden Bedarf-Gedeckt-Wunden. Mit "I Can't Keep This From You" und seinem schonungslosen Alleinunterhalter-Orgelsound ist endlich Schluss.
"Peachtree Road" ist das pure Gegenteil einer musikalischen Offenbarung. Faszinierend frei von kreativen Ideen präsentiert es sich als gesichtsloses Album für masochistisch veranlagte Balladenfetischisten. Auch Mainstream-Pop kann - nein muss - spannungsreicher sein.
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