laut.de-Kritik
Ein beeindruckendes Debüt mit vielen einprägsamen Momenten.
Review von Giuliano BenassiKummer hätte Elvis Perkins genügend zu verkaufen. Sein Vater Anthony spielte Norman Bates in Alfred Hitchcocks "Psycho" und ging an dieser Rolle zugrunde. Seine Mutter Berry Berenson saß im ersten Flugzeug, das am 11. September 2001 ins World Trade Center krachte. Zwei dramatische Schicksale, an denen der Sohn hätte zerbrechen können.
Doch wer eine schmerzerfüllte Selbstheilungskur mit Musik erwartet, den belehrt der Opener eines Besseren: Einzeln gezupfte Noten auf einer Akustikgitarre gehen in ruhig angeschlagene Akkorde über, Perkins' leicht nasale Stimme klingt melancholisch und ausdrucksstark, aber nicht nörgelig, ein schepperndes Schlagzeug und Trompeten verleihen dem Stück eine wohltuende Do It Yourself-Atmosphäre, ohne amateurhaft zu wirken.
Ein positiver erster Eindruck, den "All The Night Without Love" bestätigt. Anstelle von Bläsern kommt diesmal eine Geige zum Zuge. "May Day!" erinnert mit improvisiertem Chor und einfacher, fast kindlicher Melodie an "All You Need Is Love" von den Beatles, "Moon Woman II" ist eine einfühlsame, jedoch nicht überzogene Ballade.
Einen einprägsamen Moment bietet "Emile's Vietnam In The Sky". "Do you ever wonder where you go when you die?" fragt Perkins ohne Pathos, und klingt dabei wie Conor Oberst. Eine Antwort bleibt er schuldig, doch genau darum geht es auf diesem Album, denn die ersten sechs Stücke entstanden vor dem Tod seiner Mutter, die letzten fünf danach. So markiert der Titeltrack den Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Ein lang gezogenes "A" im Refrain drückt Schmerz aus, ohne Mitleid vom Zuhörer zu fordern.
Das einzige Lied, in dem Perkins abzurutschen droht, ist "The Night & The Liquor". Dafür bietet das anschließende "It's A Sad World After All" einen der besten Momente des Albums: Perkins zupft auf seiner Akustikgitarre, begleitet von einer Frauenstimme, während weit im Hintergrund eine Säge jault und dem Stück eine eindrucksvolle Tiefe verleiht. "Sleep Sandwich" könnte mit Triangel, Streichern und leisen Trompeten von Mojave 3 stammen, das abschließende "Good Friday" wirkt dem Titel gerecht fast kirchlich.
Mit seiner Besinnung aufs Wesentliche und der Spontaneität des ersten Einfalls handelt es sich hier um ein klassisches Americana-Album. Das Beeindruckende dabei: Perkins und seine Freunde verzetteln sich kein einziges Mal. Jede Note sitzt an ihrem Platz und trägt zur Stimmung bei, ohne überflüssig zu wirken – auch dank des Einfallsreichtums der Beteiligten, die sich nicht davor scheuen, zu weniger verbreiteten Instrumenten zu greifen.
"Ash Wednesday" ist das bewegende Debüt eines Menschen, den Schicksalsschläge nicht zugrunde gerichtet, sondern zu einem Künstler gemacht haben.
12 Kommentare
Hallo Giuliano,
das kannst Du aber besser, oder?!
"Mit seiner Besinnung aufs Wesentliche und der Spontaneität des ersten Einfalls handelt es sich hier um ein klassisches Americana-Album. Das Beeindruckende dabei: Perkins und seine Freunde verzetteln sich kein einziges Mal. Jede Note sitzt an ihrem Platz und trägt zur Stimmung bei, ohne überflüssig zu wirken – auch dank des Einfallsreichtums der Beteiligten, die sich nicht davor scheuen, zu weniger verbreiteten Instrumenten zu greifen."
Die Besinnung auf's Wesentliche (musikalisch?, textlich?, Albumcover?) und die Spontaneität des ersten Einfalls (sicher, dass es der erste und nicht erst der dritte war?) sind also Americana-Alleinstellungsmerkmale? - Aber wenn das so sein sollte, warum das Extra-Sternchen für's Nicht-Verzetteln? - Vor diesem Hintergrund wirkt die Bemerkung mit den richtig sitzenden Noten dann erst recht überflüssig. Der "Exotische-Instrumente-Nachtrag" bleibt einfach kryptisch.
Am meisten verwundert aber hat mich Dein Schluss-Satz.
""Ash Wednesday" ist das bewegende Debüt eines Menschen, den Schicksalsschläge nicht zugrunde gerichtet, sondern zu einen Künstler gemacht haben."
Bei Kenntnis dieses Satzes hätten sich Beethoven und Tschaikowski verbeten, ihre jeweiligen Werke "Pathétique" zu nennen. Von die Grammatik mal ganz zu schweigen.
Dudley Presley
Das Review klingt definitiv sehr interessant. Da muss ich mal reinhören. Morgen gehts ins Audioscheibenfachgeschäft.
hab vor nem monat mal den song all night without love entdeckt und der war schon mal ganz nett.
Also mittlerweile hat der Silberling einige Abspielkilometer in meiner Anlage hinter sich und ich kann nur sagen: 5 Punkte und auf keinen Fall weniger.
die ersten zwei Tracks des Albums gehören zum besten, was dieses Jahr zu hören war ... keine Frage.
schön, dass es anderen auch auffällt.
Ich hatte das Vergnügen ihn Ende Oktober in Berlin live zu sehen. Es war wirklich toll.
Und die ganze Platte ist so gut wie der myspace Auftritt es vermittelt. Ganz klar eines der besten Sachen die ich dieses Jahr gehört habe!