laut.de-Kritik

Rap-Rentner dreht sich im Kreis.

Review von

Vier Jahre lagen zwischen dem letzten gelungenen Langspieler Eminems, der "Marshall Mathers LP2", und "Revival", einer Bruchlandung in Albumform sondergleichen. Doch ausgerechnet mit seinem schwächsten Outing als Musiker fand der Rapper aus Detroit seinen verloren geglaubten Drive wieder und entschied sich dazu, die Taktung seiner eigentlich eher spärlich gesäten Releases ordentlich anzuziehen. Vier Alben in drei Jahren, das gab es bis dato noch nie in Ems Diskografie. Mit gutem Grund, wie die B-Sides seines im Frühjahr veröffentlichten Albums "Music To Be Murdered By" einmal mehr unter Beweis stellen.

"You know, I've been around for a while now / Not sure if I have much left to prove / Yeah I do." Da wäre ich mir nicht so sicher. Alle Welt weiß schließlich über die Talente des 48-Jährigen Bescheid. Eminem kann rappen, besser als die meisten, das steht auch gar nicht zur Debatte. Was er jedoch nicht kann, und das machte jedes Album seit "Revival" auf mal mehr, mal weniger beleidigende Art und Weise deutlich, ist gute, unterhaltsame Musik zu liefern.

"Music To Be Murdered By: Side B" macht da keine Ausnahme. Einmal mehr steht sich der selbsternannte Rap-Gott selbst im Weg, indem er entweder zu verbittert oder zu uninspiriert klingt. Schon "Black Magic", der erste Song der LP, offenbart das Ausmaß des kreativen Bankrotts. Es ist der gleiche nichtssagende Pop-Song, der seit "Recovery" jeden Langspieler Eminems heimsucht. Selbst die Gastsängerin ist die gleiche. Ich weiß nicht, was Eminem in Skylar Grey sieht, aber was es auch sein mag, er steht damit ziemlich alleine da. Selbst die Radiostationen scheinen der gleichen Meinung zu sein: Schafft es Eminem in die Airplay-Charts, dann nur mit der Assistenz wirklich großer Namen respektive wirklichem Talent. Zuletzt etwa in Gestalt von Ed Sheeran oder Rihanna.

Andererseits kann man es Eminem auch nicht verübeln, dass er mit solcher Regelmäßigkeit auf Gastsänger:innen zurückgreift, schließlich ist er selbst seit über einer Dekade noch weniger imstande, eine gelungene Hook zu komponieren. Auch wenn kein Chorus hier die Tiefen von "Revival" erreicht, so sind "She Loves Me", "Killer", oder "Higher" schon fast empörend egal. Wie das meiste auf "Music To Be Murdered By: Side B" zeigen auch sie einen gealterten MC, der nicht nur dem Zeitgeist hinterher hinkt, sondern auch das explosive Charisma seiner Jugend gegen jede Menge Pathos und Selbstbeweihräucherung ausgetauscht hat. Anstelle im Alter noch einmal kreatives Neuland zu beschreiten, recycelt Eminem halbgare Ideen und betreibt Image-Pflege, so harmlos und trivial, dass man stellenweise noch nicht einmal die Energie aufbringen will, um sich darüber aufzuregen.

Das Aufregendste, das die Tracklist hergibt, sind Ty Dolla $igns Hook, die "Favorite Bitch" im Alleingang trägt, die Produktionen von "Gnat" und "Alfred's Theme" sowie die abschließenden gelungenen Songs "Zeus" und "Discombobulated". Aber selbst die besseren Tracks haben schwache Momente, die entlarven, dass die Ausreden für Eminems vergangene Fehltritte einfach nicht mehr greifen. Es gibt keinen Sündenbock wie Rick Rubin mehr, der auf "Revival" die Instrumentation im Alleingang gegen die Wand fuhr. Überhaupt, sind sowohl "Side B" als auch das zugehörige Mutteralbum durch die Bank weg ordentlich produziert. Was 2020 ein Eminem-Album so nichtssagend macht, ist einzig allein Eminem selbst.

Hört man nicht zu genau hin, mag einen die Lyrik des Detroiters auch auf Album Nummer elf noch beeindrucken. Spitzt man allerdings die Lauscher und ignoriert für eine Sekunde den Kugelhagel aus Worten, der einem an den Kopf geschossen wird, realisiert man schnell, dass man einem fast 50-jährigen Mann dabei zuhört, wie er Dad-Joke-Punliches auf dem pubertären Niveau eines Lil Dicky vorträgt und denkt, er hätte dafür einen Comedy-Award verdient.

... und es ist nicht etwa so, dass Eminem seinen Pipi-Kacka-Humor auf einige wenige Tracks beschränkt. Nein! Er zieht sich wie ein nicht endender Bremsstreifen durch die gesamte Tracklist. Hier nur eine kleine Auswahl der lyrischen Ergüsse, die der angeblich beste Rapper aller Zeiten für clever genug erachtete, um sie auf ein vollwertiges Album zu packen: "Got money up the ass, call it toilet paper"("Killer"). "Bitch, I can make 'orange' rhyme with 'banana': Oranana" ("Tone Deaf"). "Hate to put you on blast, but you got a bomb ass" ("She Loves Me"). "Now I'm on a roll like Tootsie" ("Favorite Bitch"). "Sucker for pain I'm stuck in this radioactive pattern. Her by her motherfucking hair is all I imagine ... dragons!" ("Black Magic").

Sicherlich, man hört ihm durchaus an, dass er beim Aufnehmen dieser corny One-Liner Spaß hatte. Aber dieser Spaß überträgt sich zu keiner Zeit auf den Hörer. Gleiches gilt für jede andere Emotion, die Eminem in der fünfzigminütgen Laufzeit zu vermitteln versucht. Egal, ob er über schief gelaufene Beziehungen rappt, dem Hörer mit seiner eigenen Erfolgsgeschichte unter die Arme greifen will oder einmal mehr "Mumble-Rapper" und seine Kritiker ins Kreuzfeuer nimmt: Die Sorglosigkeit, die sein Frühwerk so unterhaltsam machte, ist abhanden gekommen und Eminem klingt wie ein bitterer alter Mann, der nicht uns, sondern sich selbst verzweifelt beweisen will, dass er seinen Zenit noch nicht überschritten hat.

Vollständigkeitshalber sei dennoch erwähnt, dass hier und da durchblitzt, was die Musik des Amerikaners in der Vergangenheit so großartig machte. Etwas, das man von desaströsen Alben wie "Kamikaze" oder "Revival" nicht behaupten konnte. Zum einen hat er endlich den angestrengten Flow abgelegt, der auf diesen Alben so klang, als habe er seit Tagen mit Verstopfungen zu kämpfen. Weiterhin zeigen Songs wie der "Relapse"-Throwback "Discombobulated" ein wenig Selbstironie, ("Lets take em back: Accents!"), und immer wieder landet Eminem dann doch einen lyrischen Volltreffer ("Black people dyin', they want equal rights / White people wanna get haircuts"), der beweist, wieso er für viele einen so hohen Stellenwert als Lyriker hat.

Das reicht am Ende aber einfach nicht, um "Music To Be Murdered By: Side B" davor zu bewahren, ein weiterer Fehltritt in einer Reihe von Fehltritten zu sein. Vielleicht wird es Zeit, dass sich Eminem wieder für vier Jahre ins Exil verabschiedet, um sich selbst davon abzuhalten, sein Erbe zu zerstören. Oder noch besser: Er sollte einfach gleich das Mic an den Nagel hängen und sich in die längst überfällige Rente verabschieden.

Trackliste

  1. 1. Alfred (Intro)
  2. 2. Black Magic (feat. Skylar Grey)
  3. 3. Alfred's Theme
  4. 4. Tone Deaf
  5. 5. Book Of Rhymes (feat. DJ Premier)
  6. 6. Favorite Bitch (feat. Ty Dolla $ign)
  7. 7. Guns Blazing (feat. Dr. Dre & Sly Pyper)
  8. 8. Gnat
  9. 9. Higher
  10. 10. These Demons (feat. MAJ)
  11. 11. Key (Skit)
  12. 12. She Loves Me
  13. 13. Killer
  14. 14. Zeus (feat. White Gold)
  15. 15. Thus Far (Interlude)
  16. 16. Discombobulated

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34 Kommentare mit 87 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Kann ja mit dem letzten Output von Em auch nichts mehr anfangen, aber "Rap-Rentner"? Der Typ ist 48 Jahre alt.

    Und "selbsternannter Rap-Gott", klar spielt auf den Track Rap-God an, aber wenn es um Rap-Skillz geht, ist es wohl global Konsens, dass Em einer DER Besten ever ist.

    • Vor 3 Jahren

      True dat. Die Redaktion hat halt vom Establishment abgesehen wahrscheinlich zu Aggrozeiten noch an der Zitze gehangen... Hier wird ja claquiert und elogiert, was mit Skillz nicht mal ansatzweise was zu tun hat. Technisch und vom Stimmeinsatz zu jedem Thema her ist EM unerreicht. Wahr ist aber leider auch, dass das allein mich seit 15 Jahren nicht mehr kriegt, weil es zu anbiedernd oder ohrenkrebsig in Beatauswahl und Dorfmatratzenhooks war

    • Vor 3 Jahren

      Hm, also ich habe The Marshall Mathers LP 2 2013 noch sehr gefeiert, lief sicher ein Jahr lang immer beim pumpen. :)

      Was danach kam, aber dann auch nix mehr für mich.

    • Vor 3 Jahren

      Genau das. Dennoch ist EM technisch unumstritten das, was Savas gerne wäre.

    • Vor 3 Jahren

      Marshall Mathers LP 2 war tatsächlich sehr stark aber auch eher ein positiver Ausrutscher. Em hat seit je her kein Händchen für gute Beats. Technisch nach wie vor unerreicht aber das haben ja auch alle immer von Kool Savas behauptet und den kann ich erst recht nicht hören. Der driftet auch oft genug auf platte Ausdrucksweise ab und klingt dabei noch mega angestrengt als würde er gleich die Schüssel sprengen.

    • Vor 3 Jahren

      AMG BEDEUTET AN MICH GLAUBEN!

  • Vor 3 Jahren

    Die Meinungen der Radiostationen als Gradmesser für Qualität heranzuziehen zeugt von bloßer Unwissenheit.
    Dort wird nur gespielt, was Schema F bedient. Die wirklich handwerklich gute Musik läuft da normalerweise nicht ;-)

  • Vor 3 Jahren

    Sehe auch gerade dass hier die großartige "Kamikaze" als "desaströs" bezeichnet wird - Laut.de, wen habt ihr hier bitte an die Tastatur gelassen??

  • Vor 2 Jahren

    that album is dirt, only only only da last song is at least at relapse league.. im serious

  • Vor 2 Jahren

    Das ist die Review von jemandem der offensichtlich keinen Plan vom Rapgame hat und kaum was von Eminem's evolution mitbekommen hat.
    Hier ein kurzer Crashkurs weil du den Künstler offensichtlich nicht verstehst:
    Er hat mit Battlerap angefangen und seine Gegner lyrisch auseinandergenommen. Dann hat Dre ihn gesigned.
    Mit Slim Shady hat er dann einen character erschaffen der seine schlechte Seite verkörpert und sich genau dem dreckigen, dunklen Humor bedient wie der den du in deinem hate Kommentar getarnt als review "kritisierst". Dieser Humor zieht sich auch durch seine D12 Zeit und beinahe sämtliche nicht- Radio Alben deshalb frage ich mich ernsthaft Ob du jemals zuvor Eminem gehört hast lieber Mirco haha
    In den 2000ern hat Em' ganz MTV, Ikonen der Popkultur und die generelle Medienlandschaft mit kontroversen aber absolut genialen Texten hops genommen und von Rapgame wurde er jederzeit respektiert weil er lyrisch einer der gefährlichsten MC's ist (das gilt bis heute).
    Warum soll er jetzt nicht weiterhin gegen Leute shooten die ihn abfucken? Em ist halt immer im battlemode das ist sein fucking come up.
    Und würde er gegen diesen peinlichen text battlen, den du hier freiwillig veröffentlichst, könntest du dich verabschieden. Du befindest dich nämlich auf MGK Niveau "Er ist alt, bringt im battlerap modus keine guten Hooks, klingt als hätte er mit Verstopfung zu kämpfen (ahja so viel zu pipi kaka humor) und mir gefällt der Humor nicht" wow. Substanz.

    Deine "Kritik" wirkt wie von jemandem der nicht viel in diesem Genre unterwegs ist. Und das ist ja absolut nicht schlimm.
    Du musst nicht begreifen, dass es absolut technically advanced ist was Eminem da immer und immer wieder mit der Sprache macht (Book of Rhymes).
    Jeder hat seinen Geschmack aber jemand der anscheinend nichts von der Culture versteht, sollte man vielleicht keine hatecomments getarnt als Reviews schreiben.
    You need to get off the internet. You need to get you a life. why you waste time to comment on shit? specially shit you dont like?

    Du hast nen nicen alltime favourite Song btw
    Kanye's ist love aber von battlerap würde ich mich an deiner Stelle fern halten.

  • Vor 2 Jahren

    Hab mich gerade über dich informiert. Outkast, Lauryn Hill, Three 6 Mafia, Missy Elliott? Nen guten Musikgeschmack hast du ja aber ich verstehe nicht wie mit der SlimShady LP angefangen hast auf der es genau die corny one liner gibt die du kritisierst.
    "I like funny things that make me happy and gleeful
    Like when my teacher sucked my wee-wee in preschool"
    -I'm Shady sslp
    "My brain's dead weight, I'm tryin' to get my head straight
    But I can't figure out which Spice Girl I want to impregnate"
    -My Name is sslp
    "My bum is on your lips, my bum is on your lips
    And if I'm lucky you might just give it a little kiss"
    -The real SlimShady mmlp

    Ich nehme an du hast die Texte einfach damals nicht verstanden xd
    Ich wette ich würde mich richtig gut mit dir verstehen und wir könnten ewig über Musik und fav. HipHop Alben reden aber diese Kritik macht dich so unsympathisch, weil Menschen wie du der Grund sind, weshalb Eminem so verbittert klingt. Jeder Mensch hat eine Meinung und fühlt sich gezwungen diese mitzuteilen und das ist halt einfach anstrengend wenn du die Reichweite von nem Eminem hast. Deswegen sehen ja viele auch Logic als corny an. Er spricht einigen Texten darüber wie anstrengend diese Debatte um die Pigmentierung seiner Haut ist und wie fertig es einen machen kann in der Öffentlichkeit zu stehen... Und schon ist er in den Augen vieler ein corny rapper
    Eminem geht nen anderen Weg. Er macht es wie immer und geht in den battlemode mit einer kranken Punchlinedichte, tripple entendres & multisyllabel rhyme schemes die ihres gleichen suchen.

    mtbmb ist kein Tpabt, gkmc, college dropout. Auch kein beautifull dark twisted fantasy, watch the throne, The miseducation of lauryn hill. Aber das versucht es auch nicht zu sein.