laut.de-Kritik

Alpenrepublikanische Wortwitzgewalt mit Schmäh.

Review von

"Es beherrscht der Obulus seit jeher uns'ren Globulus. Mit and'ren Worten, der Planet, sich primär um das eine dreht."

Klingt irgendwie aktuell, oder? Nun, das ist auch einer der Gründe, warum "Geld Oder Leben" der Ersten Allgemeinen Verunsicherung heute als Klassiker der deutschsprachigen Musik gilt. Den Österreichern gelang mit ihrem fünften Album der kommerzielle Durchbruch. In den Anfangstagen fungierte die EAV eher als rockendes Kabarett, aber erst mit den Single-Hits dieses Albums waren sie auf einmal in aller Munde. Dank "Ba-Ba-Banküberfall" sogar in Spanien, Portugal, Großbritannien und Japan.

Bis dato waren die Herrschaften finanziell nicht unbedingt auf Rosen gebettet. Da war wohl öfter der Kühlschrank leer und das Sparschwein auch. Die trotteligen Loser-Typen, die in den Songs beschrieben werden, besitzen durchaus einen Selbstbezug der Musiker. Liebeskummer ("Einsamkeit"), Armut ("Ba-Ba-Banküberfall", "Geld Oder Leben"), das Hoffen auf den Durchbruch ("Es G'winnt A Jeder") oder das Verzweifeln an Widerständen ("Küss Die Hand, Herr Kerkermeister"), die hier behandelten Themen griff sich Gitarrist, Texter und Wortkünstler Thomas Spitzer ganz sicher nicht aus dem luftleeren Raum.

Apropos Wortkunst: Dass die Erste Allgemeine Verunsicherung immer noch unter dem Label 'Blödeltruppe' abgeheftet wird, ist nicht nur falsch, sondern hochgradig ärgerlich. Was Spitzer aus spitzer Feder zu Papier bringt, sucht weit und breit seinesgleichen. Ihm gelingt dabei der Spagat, nicht nur in sich stimmige Reime zu fabrizieren, das Ergebnis klingt zudem auch intelligent und doppelbödig, wobei der Nonsens natürlich nicht zu kurz kommt.

Statt einzelne Beispiele herauszupicken, sollte man sich die Spitzer-Ergüsse in Gänze gönnen. Er bringt es sogar fertig, den Deutschländern Sachen unterzujubeln, die diese gar nicht kennen dürften. "Auf meinem Kopf einen Strumpf von Palmers, steh ich vor der Bank und sage 'überfall mas'." Hände hoch, wer weiß, dass Palmers ein Textilunternehmen in der Alpenrepublik ist? Etwas über die Landesgrenze hinaus Bekanntheit erlangten die Unterwäscheverkäufer mittels Werbeplakaten, auf denen leichtbekleidete Models zu sehen waren. Das bekannteste - ein Bild mit fünf von hinten zu sehenden Frauen, die bäuchlings auf einem Bett liegen und lediglich Strumpfhosen tragen - zierte ab 1997 gefühlt 100% aller Studenten-WGs in Österreich.

Haken wir doch mal die Hits ab. "Ba-Ba-Banküberfall" soll der Legende nach tatsächlich von einem Raubversuch in München inspiriert sein. Wie der Protagonist aus dem Song soll der dämliche Möchtegern-Gangster nur einen Finger im Mantel als Waffe gehabt haben und ließ am Ende am Tatort seine Geldbörse zurück. Man möchte fast Mitleid haben. Bemerkenswert: Der Wauzi, der den stoischen Duffzack-Rhythmus einleitet. Der Drum-Sound könnte tatsächlich auch von oldschooligen Boom Bap-Produktionen entlehnt sein, instrumental passiert eher wenig, man kann sich ganz auf den grenzgenialen Text konzentrieren. Und außerdem: Das Böse ist immer und überall. Wobei sich hier die Frage stellt: ja, wo denn? Der gescheiterte Banküberfaller kann es kaum sein, schließlich zahlt er am Ende sogar etwas ein. Er trägt sogar etwas zur Vermehrung unserer Währung bei.

Der zweite Smash-Hit "Heisse Nächte In Palermo" folgt einem Muster, das in der deutschsprachigen Popkultur schon zur Zeit der Erstveröffentlichung nicht neu war. Spliffs "Carbonara" und das NDW-One-Hit-Wonder Schrott Nach 8 mit "Zuppa Romana" verwursteten ähnlich sattsam bekannte Klischees über Italien und dessen Bewohner. Aber keiner kommt beim Text auch nur annähernd an den winkelzügigen Humor der EAV heran. Musikalisch lehnt sich das Lied an typischen deutschen Schlager an, der mit der entsprechenden Instrumentierung ausgestattet ist. Speziell in den Siebzigern war es unter Schlagerfuzzis gang und gäbe, sehnsuchtsvoll ferne Orte zu besingen. Italien stand bei den Schmalzbarden ganz oben auf der Begehrlichkeits-Skala. Aber einen tieferen Sinn sollte man in die heißen Nächte nicht hinein interpretieren. Schenkelklopfer auf sprachlich hohem Niveau zwar, aber eben (fast) nur Kalauer.

Der "Märchenprinz" ist nicht ganz so auf den puren Lacher ausgelegt. "In der Provinz bin ich der Märchenprinz" sagt auch etwas darüber aus, wie der snobige Städter hochmütig auf das gemeine Landei herab blickt. Als Belohnung gibts eins auf die Mütze: "Da haut mir doch der Joschi eine auf mein Großstadtgoschi". Im Jahr 2020, 35 Jahre, nachdem der Märchenprinz aus der Stadt in die Provence stürmte, um den Girls von der Heide schöne Augen zu machen, erfuhr der Track eine Aktualisierung, die aufzeigt, wie talentiert Spitzer beim Texten vorgeht und dass seine Ergüsse der Vergangenheit keine heiligen Kühe sind.

In "Fata Morgana" biegt sich Spitzer die Reime hin, wie er sie braucht. Da beißt der Beduine in eine Zechine und auf Zauber reimt sich Dattelklauber. Am Ende beißt der deutsche Forscher ins Gras, beziehungsweise in den Sand:

"Es kroch der Efendi, mehr tot schon als lebendig unter heißer Sonne durch den Wüstensand.
'Beim Barte des Propheten, jetzt muss ich abtreten

Sprach er und erhob noch einmal seine Hand.
Und er sah am Horizont die Fata Morgana, dann starb er im Lande der Araber
.
Die Geier über ihm krächzten: 'Inshallah, endlich wieder ein Kadaver!'"

Dieses Song-Quartett machte das Album zu einem Dauerbrenner in den deutschsprachigen Charts. Anderthalb Jahre am Stück wuselte "Geld Oder Leben" durch die Bestenliste in Austria, in Deutschland immerhin etwas mehr als ein Jahr.

Abseits der allgemein bekannten Gassenhauer muss man noch zwei Songs näher betrachten. Der Titeltrack mit dem operettenhaften Gesang von Klaus Eberhartinger klingt wie ein Erklärbär-Lied von Wirtschaftsliberalen:

"Es ist vom Volksmund eine Linke,
dass das Geld gar übel stinke.
Wahr ist vielmehr: ohne Zaster,
beißt der Mensch ins Straßenpflaster
!"

Das stete Streben, sich wie Dagobert ein Vermögen anzuhäufen, klappt bei den meisten nur bedingt. Letzten Endes heißt es lapidar:

"Ohne Rubel geht die Olga
Mit dem Iwan in die Wolga.
Für Karl-Otto gilt dasselbe,
ohne Deutschmark in die Elbe
!"

Instrumental knüpft man an die eigene Bandvergangenheit an. Nach dem Xylophon-Intro treten sie aufs Gas und rock'n'rollen sich durch die Nummer.

Der andere bemerkenswerte Track - und auch live oft gespielt - ist "Küss Die Hand, Herr Kerkermeister". Der knallharte Beat und die düstere Instrumentierung mit Orgel und Klavier geben schon mal die Marschrichtung vor. Die Karriere eines dauerhaft einsitzenden Kleinkriminellen kommt mit einem Seitenhieb auf Austrias Politik daher:

"Er war Bürgermeister, da Edi kennt si aus, 'Burli', hat er immer g'sagt, Verbrechen zahlt sich aus!!
Zum Beispiel in der Politik, a klane Korruption, des Schlimmste, was da do passiert, ist die Frühpension
!'"

Sowie:

"Sonst wär i längst scho drübn, bei die ander'n schlauen Bazi.
Die in Rio Kart'n spü'n mit a paar oide Nazi (wos?)
"

Das Thematisieren politischer Missstände hat bei der EAV eine lange Tradition. Wer ausgemachten Ungestalten der österreichischen Politik wie Kurt Waldheim und Jörg Heider so ans Bein pisst, dass sie die Band vor Gericht zerren, hat alles richtig gemacht.

Neben diesen Brechern fallen "Es G'winnt A Jeder", "Morgen" und "Echte Helden" etwas ab. Hinzu kommen die eingespielten Flachwitz-Interludes "Johnny". Nach einmaligem Hörgenuss hat es sich auch ausgekichert. Dennoch: "Geld Oder Leben" ist von vorne bis hinten eine runde Sache. Ein Quasi-Konzeptalbum, das sich um den Mammon dreht, mit allen Aspekten, die dazu gehören. Haben, Nichthaben, Kriminalität und so weiter.

An diesen Überraschungserfolg schließt sich eine äußerst erfolgreiche Karriere an. Bis zum letzten Konzert 2019 war die EAV live und auf Tonträger stets ein Garant für gute Laune.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Geld Oder Leben
  2. 2. Johnny 1 – Fahrscheine
  3. 3. Ba-Ba-Banküberfall
  4. 4. Johnny 2 – Zuckerwatte
  5. 5. Heisse Nächte In Palermo
  6. 6. Einsamkeit
  7. 7. Fata Morgana
  8. 8. Märchenprinz
  9. 9. Johnny 3 – Bullen
  10. 10. Echte Helden
  11. 11. Johnny 4 – Feuer
  12. 12. Küss Die Hand, Herr Kerkermeister
  13. 13. Johnny 5 – WC
  14. 14. Es G'winnt A Jeder
  15. 15. Morgen

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11 Kommentare mit 9 Antworten

  • Vor einem Jahr

    Großartige Band, natürlich. Wahrscheinlich die erste Band, von der ich so richtig Fan war. Hab mir damals die "Nie wieder Kunst" gekauft, weil ich den Song "Leckt's mi" auf der Trackliste entdeckt habe und es unerhört fand, dass jemand so einen Song betitelt.

    Mein Lieblingsalbum dürfte aber vielleicht sogar die "A la Carte" sein. Als Konzeptalbum fand ich das damals schon stark, auch wenn es natürlich keine so großen Hits gibt.

  • Vor einem Jahr

    Und a klana. Siziliana. Faungt aun zum wana.

  • Vor einem Jahr

    Mein zweites Album, das ich mir als Hosenscheisser gekauft habe. Feier es jetzt noch.

    • Vor einem Jahr

      Haha….du bist alt!
      Nein im Ernst, bin auch Ba-Ba-Ba Banküberfall sabbelnd durchs Kunderzimmer gerannt und auch beim Erscheinen dieses Albums hab ich noch mitgekichert.
      Den tieferen Sinn hinter manchen Song habe ich damals nicht erfasst.
      Aber natürlich steh ich den ihnen im Nachgang zu.
      Haben einen verdienten Platz in der Kategorie „deutschsprachiger Meilenstein.“

    • Vor einem Jahr

      *Kinderzimmer Editierfunktion wird uns aus Boshaftigkeit vorenthalten

    • Vor einem Jahr

      Jadevin, alde Hulle! Komm ma bei im Chat, mmmh?

    • Vor einem Jahr

      "Nein im Ernst, bin auch Ba-Ba-Ba Banküberfall sabbelnd durchs Kunderzimmer gerannt"

      Hab das Lied als Kind abends mal bei "Wetten das..?" oder so gesehen und meinen Vater gut zwei Jahre bekniet, sich was (DAS!) von denen zuzulegen. Dies tat er dann 1988 mit der "Kann denn Schwachsinn Sünde sein..?", einer Best Of, und als ich die LPs zum ersten Mal selber auflegte und das Lied auf der zweiten endlich an die Reihe kam, jedoch plötzlich "Bäh-Bäh-Bänk Robbery!" aus den Boxen schallte, überkam mich als 7jähriger eine Enttäuschung, die ich später im Leben noch öfters, aber selten in einer ähnlichen Intensität verspüren würde als an diesem schicksalhaften Nachmittag im späten Oktober des Jahres 1988...