laut.de-Kritik
Für Partyboys vom Partyboy.
Review von Anastasia HartleibDer Name Estikay fällt ziemlich oft im Zusammenhang mit Super-Papa Sido. Der Hamburger Rapper ist nämlich der neueste Vorzeigeschützling von dessen Label Goldzweig. Die beiden miteinander zu vergleichen fällt trotzdem schwer, wenn Estikays Debütalbum erst durch die Speaker schallt.
"Auf Entspannt" klingt, wie es heißt: Hier trifft entspannter Boom-Bap auf Pop. Haus- und Hofproduzent Sinch, der unter anderem für Kool Savas, Samy Deluxe, Megaloh oder Xavier Naidoo gearbeitet hat, leistet großartige Arbeit. Er liefert Bummtschak vom Allerfeinsten, gepaart mit verschwurbelten Funk- und Soul-Samples.
Estikay hat auf jeden Fall Flow. Seine raue Stimme klingt immer ein bisschen nach der zu langen Party von gestern Nacht und scheint wie gemacht für das, was Sinch da zusammengezimmert hat. Der Rapper beherrscht den Beat nicht, sondern fließt mit ihm mit und lässt sich treiben.
Thematisch bewegt sich Estikay um alles, das auch ihn bewegt: Feiern, Kumpels, Frauen, sein Lifestyle im Allgemeinen. Gleich zu Beginn fordert er auf, die "Gläser Hoch" zu nehmen, darauf, dass er es nun endlich geschafft hat da hinzukommen, wo er seiner Meinung nach hingehört. Er stößt an, auf sein Leben, auf das Leben als solches und auf seine verstorbene Mutter. Die begegnet uns später in "Eines Tages" noch einmal, wenn Estikay versucht, ihren Tod zu verarbeiten: der emotionalste Moment des Albums.
Gleich zu Beginn wird klar, wer hier die Strippen zieht: Sido kündigt Estikay an, was dazu führt, dass man während des gesamten Hörens das Gefühl hat, Sido stehe da immer irgendwo im Hintergrund herum.
Estikay verklickert auf jeden Fall, er hebe unabhängig von seinem Berühmtheitsgrad nicht ab ("Wie Gehabt"), bleibe immer "Ein verdammtes Unikat", "will, dass jeder das auch mitbekommt" ("Drecksau"), und sei "Samstag Nacht" beim Partymachen an der Tanke anzutreffen. Seine Feiereigeschichten erzählt er glaubwürdig, auch wenn das auf Albumlänge doch ein bisschen zu viel des Guten bedeutet.
Seine Buddys spielen in Estikays Leben eine große Rolle. Das zeigt allem voran "Die Jungs Dabei". Sido kommt hier ein bisschen holprig daher. Adesse steuert eine etwas merkwürdige R'n'B-Hook bei: "Es tut mir leid, Herr Polizei / Ich bin wieder viel zu high / Denn ich bin nicht allein, ich hab' die Jungs dabei. "
Zwei volle Tracks widmet der Rapper den Girls. Auf "Gebrochenes Deutsch" erzählt er davon, wie er eine französische Austauschstudentin klar macht. "Süße Achtzehn" dreht sich um ein junges Mädchen, das reiche Typen abschleppt. Den Song krönt eine desaströs klingende Hook: "Obwohl ihre Eltern tierisch Acht geben / verkehrt sie viel im Nachtleben / Sie ist grad süße achtzehn / Will ein' reichen Mann, doch lässt sich von vielen flachlegen." Ob Estikay das jetzt geil oder fragwürdig findet, lässt sich nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen. Wahrscheinlich ein bisschen von beidem.
"Auf Entspannt" gibt einen ziemlich guten Eindruck davon, wer Estikay ist: ein Partyboy, der für andere Partyboys Musik macht. Lines wie "Ich lass' die Haare durch den Wind wehen / Sechster Gang, ich geb' Gas" oder "Doch alles cool, solang' die Weiber drauf stehen" ("Drecksau") zeugen davon. Oder auch die hier:
"Alles wunderbar, es gibt Quesadillas mit Steak / Wir schmeißen Pool-Partys und rauchen lilanes Haze / Fahr' vorbei im neuen Benz und die Scheiben sind gesenkt / Mittelfinger für die Haters, ich chill' einfach mit der Gang / Weibers wollen bängen und wer bin ich, dass ich da nein sag' / Bruder, gib den Voddi her und scheiß' mal auf die Weinkarte." ("Alles Wunderbar")
"Ich komm mit Langschläferflow, Jogginghose und Latschen / Von Miami bis Paris / Estikay, ich trink' Hennessy, rauch' Weed / Hänge mit den Gs und den Hoes im Club / und durch die Mucke finanzier' ich meine Drogensucht." ("Miami Bis Paris")
Aber auch die etwas nachdenklicheren Tracks zeichnen ein Bild: "Es ist leider mittlerweile Dienstag in der Früh / und mein ganzer Körper fühlt sich eben, wie man sich dann fühlt / ich bin seit drei Tagen bis jetzt nicht am Schlafen gewesen / saß in der Bar hinterm Tresen und hab' mich grad übergeben." "Nicht mal Geld für ein Taxi und zu besoffen zum Gehen": "Mein Gewissen" erzählt von einem Kerl, der eigentlich weiß, dass er maßlos übertreibt, es aber trotzdem nicht ändern will oder kann.
"Schalt Ab" thematisiert das kurze Ausklinken aus der Welt, wenn der Stress überhand nimmt. Verrückt, dass das Partyleben so stressig sein kann. Beim Titeltrack "Auf Entspannt" scheint Sido den Flow wieder nicht so richtig zu kriegen. Sein "Dickaaaa" nervt leicht und er wirkt irgendwie deplatziert. Vermutlich wäre das Album besser ohne ihn, der sonst einen auf erwachsenen Vater macht, jetzt aber zu zeigen versucht, dass er trotzdem noch mit der Jugend mithalten kann: "Ich kann was vertragen, ich bin einer von den ganz Harten." Das Album schließt mit "Lebe Wohl". Estikay erzählt uns zum Abschied, was er noch so alles vorhat, bevor er stirbt.
Von "Auf Entspannt" bleibt vor allem der Eindruck, dass da jemand zum neuen Cro avancieren will, mit poppigem easy living-Gedöns eines Rumtreibers der auf dicke Hose macht, aber doch eigentlich ein ganz braver Kerl ist. Zum Teil ziemlich eingängige Hooks verstärken den Pop-Faktor. Auch wenn die Beats fast schon überragend daher kommen, werden sich Fans von astreinem Boom-Bap-Rap vermutlich trotzdem nicht wirklich mit Estikay anfreunden. Den Partyboys und -girls dieses Landes liefert sein Debütalbum neues Material, zu dem sich feiern lässt.
5 Kommentare mit 3 Antworten
Partyboys? Wohl eher in der Spätpubertät hängengebliebene Siffkörper.
Musik für Leute, die sich cool fühlen, wenn sie Mal Eine abkriegen.
Musik für Achtklässler, denen Cro nicht mehr cool genug ist, weil das mittlerweile auch ihre kleinen Geschwister hören.
Okay, der "Coolerer Cro"-Stempel lässt sich nicht ganz von der Hand weisen, was Thematik und Flow angeht, wobei ich da auch ne Prise Motrip und Silla raushöre. Die Singsang-Hooks hat er auch drauf.
Und die Beats sind ja echt mal durch die Bank überragend!
Taugte mir auf jeden Fall gut zum nebenbei hören mit nur wenigen Skips (Spotify, sollte klar sein, ich kaufe sowas doch nicht!1). Imo wesentlich genießbarer als meinetwegen Genetikk und Konsorten.
Genießbarer als Genetikk ist aber auch kein Kompliment, sondern Scheiße im Geschenkpapier imo.
Touché!
Keine Sorge, Bruder, wir hatten nichts anderes erwartet.
habe mir das album notgedrungen mal angehört. ist jetzt keine komplettkatastrophe, wie vieles anderes aus diesem genre, aber irgendwie trotzdem überflüssig wie ein interview mit hauke petry. vom vortrag her erinnert mich der typ an eine mischung aus chefket und motrip. harmlos und ohne irgendwas eigenes mitzubringen. musi die mal nebenbei dudeln kann. geld ausgeben dafür, nööööö
Hier gehts mir wie bei Shindy: Kack mal auf Rap, ich will die Instrumentals ! Produktion vom Feinsten.