laut.de-Kritik
Die Fans fraßen dem charismatischen Blues-Rap-Rocker aus der Hand.
Review von Stefan JohannesbergKnapp 50 Tage nach Eminem besuchte auch Intimfeind Everlast die Hansestadt Hamburg. Konnte man bei Mr. Mathers & Co. noch von chaosartigen Zuständen sprechen, so fiel der Auftritt vom Whitey Ford eher ruhig und bescheiden aus. Doch das spricht überhaupt nicht gegen seine musikalischen Live-Qualitäten, ganz im Gegenteil. Brauchte Eminem noch die amerikanisch-kitschigen Special Effects (Kreissäge, überdimensionales Bett, Haus usw.), so ging Everlast eher nach der Formel "Weniger ist mehr" vor. Seine Band bestand nur aus den üblichen Zutaten: Gitarrist, Bassist, Schlagzeuger, Keyboarder und DJ, und zusammen schufen sie eine gigantische Soundwand, die nicht selten an die musikalische Macht eines Neil Young erinnerte. Überhaupt Neil Young, oft hatte man den Eindruck, Everlast sei der coole Hip Hop-Bruder des Rockgottes.
Bevor er jedoch unter dem Jubel von tausend Fans in die Saiten haut, versuchen die Newcomer OPM ihr Glück. Deren Ausgangslage ist denkbar ungünstig, denn viele Besucher sind etwas gestresst ob der kurzfristigen Konzertverlegung vom CCH in die Docks. Überraschenderweise machen OPM ihre Sache ganz gut. Ich muss zwar zugeben, dass ich mit dem Möchtegern-Mix aus Hip Hop, Punk und Rock nicht viel anfangen kann, doch live geht dieser Sound durchaus in die Beine. Es wird geschwoft und mit den Hüften gewackelt. Mal etwas smoother zu Raggamuffin-Styles, mal etwas heftiger zum schnellen Punksong. Irgendein kluger Mann sagte einst, dass der Applaus nur den Wiedererkennungswert und nicht die Qualität eines Liedes widerspiegelt. Hier gut zu beobachten beim Hit und Schlusstrack "Heaven is a halfpipe", denn auf einmal jubelt die gesamte Zuschauerschar.
Um späte 22 Uhr ist es dann aber soweit. Der Meister des Hip Hop-Blues und seine Mitstreiter entern die Bühne. Die ersten drei Songs spielt Mister Schrody ohne nennenswerte Unterbrechung am Stück. Erst dann lässt sich der Ex-House of Pain-Rapper zu einigen wenigen Worten hinreißen, die er aber eigentlich gar nicht nötig hat. Zu eindrucksvoll ist seine Präsenz, sein Charisma. Da langen ein paar selbstironische Gesten, ein cooles "Aight" und schon frisst ihm das Publikum aus der Hand. Es fällt schnell auf, dass der Schwerpunkt seines Sets deutlich auf den rockigen Tönen liegt.
Nur selten holt den Whitey Ford seine reine Hip Hop-Vergangenheit ein. Das obligatorische "Jump around" oder das Gang Starr-Cover "Just a Rep" müssen hier genügen. Ob mit Wanderklampfe oder E-Gitarre, Everlast zockt lieber die Songs von seinem letzten Album "Eat at Whiteys". "Black Jesus", die neue Single "I can’t move", "Black Coffee", das groovende "Love for Real" oder die früheren Hits "What it's like" und "Ends". Ja, man könnte glatt meinen, dass Everlast mit der Gitarre geboren wurde, so geschlossen und stimmig wirkt seine Performance. Von seinen früheren Herzproblemen ist auch nichts spüren, knapp zweieinhalb Stunden verlangt er der begeisterten Menge ab. Einzig und allein die Rufe nach Santana verhallen ungehört in den weiten Räumen der Docks. Ein gelungenes Konzert, aight!