laut.de-Kritik
Zwei Höllenhunde im Kampf mit den Elementen.
Review von Dominik LippeTelamo gehört zu den geheimen Großmächten der hiesigen Musikindustrie. Das Label verantwortete zuletzt "Lucas Cordalis" des gleichnamigen Dschungelcampers, Nicoles selbstherrliches "Ich Bin Zurück" oder "80 Plus" des spätberufenen Chansonniers Dieter Hallervorden. Mit den beiden Amigos und deren Ableger Daniela Alfinito haben die Münchener drei Schlager-Stars mit enormer Zugkraft im Aufgebot. Erst letztes Jahr unterschrieb "Diva" Marianne Rosenberg einen Vertrag, und nun hat das Label seinem Hauptkonkurrenten Ariola auch noch das Power-Duo Fantasy abgeluchst.
Martin Hein und Fredi Malinowski gehe es "um das Wesentliche", lässt das Label in seinem Pressetext wissen, um die "echten, wahren Gefühle, die uns alle verbinden". Nach ihrem Nummer-eins-Album "10.000 Bunte Luftballons" bewegen sich auch ihre neuen Songs demnach "zwischen Liebe und Leidenschaft, zwischen Euphorie und Sehnsucht, zwischen Lachen und Weinen". Sie seien "zeitgemäßer und dadurch sogar noch zeitloser", heißt es einigermaßen widersprüchlich. In Wahrheit klingt "Mitten Im Feuer" so, als sei es das Produkt einer KI, die das Konzept 'Gefühle' nur sehr theoretisch verstanden hat.
Irgendwo zwischen Modern Talking und ESC-Mittelfeld vom Balkan bewegt sich der Titelsong. "Mitten im Feuer will ich stehen. In deinen Augen Flammen sehen", stellen sich die beiden Höllenhunde todesmutig den Elementen. Überhitzte Dramatik breitet sich aus, "Wenn Der Wind Sich Dreht": "Ich werde warten, wo die Liebe Feuer fing." Fantasy kämpfen mit den Flammen, drohen zu erfrieren ("Zweites Leben") oder fahren zum Himmel ("Denkst Du An Ihn"). Und Liebe hebt die Welt aus den Angeln. "Ich fang' an zu träumen und die Erde bebt", säuseln sie "Honey" ins geschundene Ohr.
Ihre wind- und wetterbeständige Liebeslyrik gerät derart schnulzig, dass sie förmlich nach dem ironischen Bruch schreit. Der lässt natürlich vergeblich auf sich warten. Eine allzu wörtliche Auslegung ihrer Texte klingt aber häufig einigermaßen bedrohlich. In "Zieh Dich Aus Und Bleib" locken sie ihre Betthupferl ins heimische Schlafzimmer, versprechen Verschwiegenheit und dämonisieren den Seitensprung dann wispernd: "Dein Haar zerwühlt, dein Mund so wild wie ein Teufel der Nacht." Als irrer Souverän tritt das Duo in "Darling, Ja Immer Noch" auf: "Ich bin immer noch dein König in der Nacht."
Der besitzergreifende Habitus weckt Fluchtreflexe. "Nachts greift meine Hand oft nach dir, weil ich wissen will: Bist du noch hier?", überprüfen sie sicherheitshalber, ob Auserwählte ihre nächtliche Ruhe ausnutzen, um den Ausbruch zu wagen. "Einmal wirst du zu viel riskieren", dräuen sie in der Schlager-Schauergeschichte "Ich Werd Dich An Den Wind Verlier'n", in der auch ein Fluchthelfer eine Rolle zu spielen scheint: "Wenn dein Handy geht in der Nacht, und du wirst nervös, dann lieg' ich wach." Da sorgt die Beteuerung, jede Nacht könne "unsere letzte sein", nur bedingt für einen beruhigten Puls.
Selbst wenn ihre Angebeteten freiwillig bei ihnen nächtigen, stellt sich die bange Frage, "Denkst Du An Ihn"? Eifersüchteleien dominieren auch "Tausend Mal War's So Egal" und kulminieren in den Stalking-Szenarien von "Sag Mir Wie Lange Noch": "Sag' mir, wie lange noch, wie lang' war er gestern bei dir? Sag' mir, wie lange noch, als ich fortging, stand noch sein Wagen vor deiner Tür?" Dennoch fuhren Fantasy mit "Mitten Im Feuer" ihre sechste Nummer-eins-Platzierung ein. Offenbar schützen eben weder grenzwertige Texte noch immergleiche Klimper-Untermalung vor Erfolg.
18 Kommentare mit 14 Antworten
Ist Lippe wenigstens angemessen dafür entschädigt worden diesen in Töne gegossenen Schund berufsbedingt über sich ergehen lassen zu müssen?
Hot take: Fantasy sind die geistigen Nachfolger der Amigos - halt in jünger und noch sexier.
Eher ein cold take, aber ja
Der linke Zerberus sieht aus wie eine animierte Karikatur.
Aber Produktion, Covergestaltung und Videofilter übertünchen den Alkoholismus schon Recht passabel, Respekt.
"recht"
Das ist doch Michael Madsen!
@Koopsta
Yes, großartig
Komisch nur das jung und alt heutzutage Schlager hören und das Image der Musik für alte Leute schon lange nicht mehr zutrifft. Wenn man mit der Musik nix anfangen kann dann ist ja okay, man muss es aber auch nicht gleich abwerten. Auf dieser Seite wird Schlager immer schlecht bewertet habe ich gesehen. Wieso?
https://youtu.be/h8MVXC_hqNY
Für Rückfragen steht dir die Community hier gerne zur Verfügung ODER ist das ein Fall für Galileo Mystery? Hmm...
Stimmt doch außerdem gar nicht, siehe https://www.laut.de/Udo-Juergens/Alben/Udo… oder https://www.laut.de/Alexandra/Alben/Alexan… oder https://www.laut.de/Juliane-Werding/Alben/… oder https://www.laut.de/Hildegard-Knef/Alben/I… oder https://www.laut.de/Hildegard-Knef/Alben/K… oder https://www.kicker.de/bremen-gegen-wolfsbu… oder https://www.laut.de/Die-Fantastischen-Vier…
Weil zeitgenössischer Schlager nunmal minderwertige Scheißmusik ist, billig produziert mit immer dem gleichen Bums-Beat und Texten aus der Hölle.
Wer das ernsthaft hört, hat - unabhängig vom Alter - einfach einen miesen Musikgeschmack, und hält das ZDF-Herzkino wohl auch für große Filmkunst.
Da wird der Fernsehgarten zur Pilcherstätte
Den Fernsehgarten gibt's noch?
@Horst71:
Den brauche die Määnzer noch, um des Fassenachtsniewo irschendwie ibber ganse Jåhr zu schdregge.
Gruß
Skywise
Reg dich nicht auf bini69. laut.de ist ein Feigling, der entweder denkt, nur weil er jemanden kennt, der Schlager mag, kann er hier auf einen Kreuzzug gehen und alles anprangern was vermutlich schlagerfeindlich ist oder er denkt, mit mir kann er es ja machen. Für letzteres spricht auch die Tatsache, dass er nur einen von drei Personen geantwortet hat, welche sich abfällig über die Aktion äussern. So oder so, es ist mir scheiss egal was so ein Möchtegern schreibt. Wers braucht.
@Skywise
Des krigge die Meenzer doch aach so ganz gut hie, Johannisfest, RPR1 Open Air, jedes zweite Wochenende Fußball, unn wenn des alls net lange tut, gätts ebbe uffs Rotwoifest in Ingellum, uff die Heidesheimer Kerb oder ebbe infach zum Frühschobbe uffn Markt.
tl; dr: Anlässe zum asozial-teutonischen Besaufen gibt's hier doch wie Sand am Meer
Am imposantesten finde ich das Bügeleisen, mit dem Photoshop-Philipp die beiden Visagen auf 17 getrimmt hat.
Das vor Endzeit-Metaphern nur so triefende Apokalypse-Album dieser beiden Höllenhunde wird offenbar gründlich missverstanden.
Ein Abgesang auf die Zivilisation in all ihrer schizophrenen Zweideutigkeit und brutalen Effizienz der Reduktion jedweder wissenschaftlichen oder kulturellen Errungenschaft auf emotionale One-Liner des Konsum-lobotomierten Prime-Sklaven: ist es nur "Fantasy" wenn uns der Arsch "Mitten im Feuer" brennt? Wer weiss, wer will es wissen?
Im Grunde absolut genial, allein schon wegen der ultraprovokanten Verkleidung dieser Nihilisten als gebotoxxxte Kirmes-Antänzer. 5/5