laut.de-Kritik
Der zweite Anschlag der Irren auf die Hörnerven.
Review von Alexander CordasEs ist endlich soweit: Die Irren von Fantômas melden sich mit ihrem zweiten Anschlag auf die Hörnerven zurück! War ihr selbstbetiteltes Erstlingswerk, das einen Comic musikalisch darstellte, mit seinen 29 wüsten Krachattacken in gerade mal 43 Minuten nur etwas für wirklich hartgesottene und vor allem sehr aufgeschlossene Menschen, machen sie es mit "The Director's Cut" (genialer Titel übrigens) genau umgekehrt. Diesmal bedienen sie sich bei mehr oder weniger berühmten Filmmelodien und verwursten sie in typischer Fantômas-Manier.
Das Ergebnis kann sich hören lassen. Und das liegt nicht zuletzt an den hervorragenden Instrumentalisten, die sich hier gefunden haben: Schnellere Drumrhythmen als die, die Dave Lombardo (Ex-Slayer) hier zelebriert, habe ich noch nie vernommen, Buzz Osbourne an der Gitarre verdient sich nicht umsonst schon seit Jahren als Kopf der Melvins seine Brötchen und Mike Patton am Mikro ist sowieso über jeden Zweifel erhaben. Ob als heißer Anwärter für die Gummizelle wie im Highspeed Kracher "The Godfather", als psychopathischer Märchenerzähler im Albumhighlight "Rosemarie's Baby" oder lieblicher Schwiegersohn des Monats in "Experiment in Terror": Mike Patton beherrscht alle diese Charaktere mit einer solchen stimmgewaltigen Perfektion, dass es einem Angst machen kann...
Allerdings ist "The Director's Cut" sicherlich nicht jedermanns Geschmack. Zu absurd und durchgeknallt sind einige Arrangements, als dass der 08/15-Hörer sich mit ihnen anfreunden könnte. Zwar gibt es Songs wie besagtes "Experiment in Terror", welches noch am ehesten an Faith No More erinnert oder "Spider Baby", das sogar noch ein "Strophe-Refrain-Strophe-Refrain" Schema aufweisen kann. Auch das insgesamt ruhige, eher spacige "Twin Peaks" könnte auch älteren Semestern gefallen.
Doch meistens hat der verrückte Vierer besseres zu tun, als sich dem Hörgeschmack der breiten Masse anzubiedern. Statt dessen setzt man bei "Omen" anfangs auf eine düstere Kirchenorgel, um sich schlussendlich doch in einer Knüppelorgie der heftigsten Sorte zu verfangen. Schon der Opener "The Godfather" lässt ernste Zweifel am Geisteszustand der Musiker aufkommen. Beginnt er noch mit einer Mundharmonika, die einsam die Titelmelodie zu "Der Pate" säuselt, brettert schon nach einer halben Minute Speed Metal der Marke "entgleisender ICE" aus den Boxen, während Sir Patton sich die Seele aus dem Leib schreit. Doch auch das währt nicht lange, denn nach einer Minute entspannen Fantômas sich in mediterraner Stimmung und italienischem Flair, während Mike sich mit einem Chor aus "njadu-njanjadu's" in das Ohr des Hörers einschmeichelt. Zwischendrin gibt's für 16 Sekunden einen lauten, ein wenig sakral anmutenden Einschieber, um danach in den südeuropäischen Klängen von vorher das Lied ausklingen zu lassen.
Auch wenn man die Originale der Filmmusiken nicht kennt, ist das Album sehr empfehlenswert. Hat man sich erst an die anfangs wirr anmutenden Tracks gewöhnt, hört man ein Album, das noch einige Zeit eine Menge Spaß macht und das man immer wieder hervor holen kann – egal in welcher Stimmung man sich befindet. Allerdings sollte man schon sehr "open-minded" sein, ansonsten wird man "The Director's Cut" wohl schon nach dem ersten Hören nur noch als Frisbee oder Bierdeckel verwenden...
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