laut.de-Kritik

"Meine Fans wollen kein Autotune, sie wollen Blut sehen."

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"Ihr wolltet den alten Farid Bang? Ihr kriegt ihn!", verspricht der Rapper im Videosnippet immer wieder die Rückkehr zu seinen brachialen Anfängen, ganz so, als sei "Asozialer Marokkaner" ein Ausflug in die feinsinnige Welt der Hochkultur gewesen. Doch die Anhänger nehmen das Narrativ dankend an. Endlich kehre der Farid Bang zurück, auf den er "seit Jahren gewartet" habe, kommentiert ein Fan, als ginge es um die Wiedergeburt des Rap-Heilands. Ein besonders enthusiastischer Hörer ist gar "fast in Tränen ausgebrochen". Das Gaslighting hat also gefruchtet.

Doch wie verhält es sich nun wirklich mit "X"? Natürlich findet mit dem zehnten Album kein Bruch im Œuvre des Bangers statt. Aber Farid Bang zieht seine immer etwas grobmotorisch wirkende Inszenierung noch konsequenter durch als zuletzt. Bereits im "Intro" marschiert er begleitet von einem Frauenchor entschlossen zur Soloschlacht auf. "Nicht empathisch spitten, ich bleib' asozial", lautet das Motto, das sich auch in den rohen Boxkampf-Produktionen niederschlägt: "Nach dem Album werden Gangsterraper sterben. Das ist die Prognose von Menschenrechtsexperten."

Sebastian Fitzek mag der ehrliche Blutdurst fehlen, Farid Bang gibt sich ihm schon aufgrund der Anforderungen des Marktes hin: "Meine Fans wollen kein Autotune, sie wollen Blut sehen." Das bedeutet in der Praxis, die Diss-Dichte in ungeahnte Höhen schnellen zu lassen: "Ich ficke jeden Rapper von A bis Z." Ohne Anspruch auf Vollständigkeit ergibt sich eine beachtliche Liste an Schmähungen in Richtung Ahzumjot, Alligatoah, Antilopen Gang, Badmómzjay, B-Lash, Campino, Cro, Data Luv, Gentleman, Kalim, Kasimir1441, Laas Unltd., MC Bogy, MOK, Monet192, Montez und RIN.

Ungerührt zurücklehnen angesichts steigender Insult-Inzidenzen darf sich Eko Fresh. Für seinen früheren Förderer findet Farid Bang ausschließlich anerkennende Worte. "Bitte Spitte X" führt zu einem hochdramatischen Instrumental von B-Case und Code X die Tradition der Homophon-Ketten weiter, die Kool Savas und Eko Fresh 2003 mit "Bitte Spitte" begründet haben. "Krone" wiederum nimmt nur minimale Text-Änderungen am Refrain von "Die Abrechnung" vor: "Geht in Sicherheit und verriegelt die Türen. Ihr könnt sicher sein, Farid rappt jetzt wieder wie früher."

"Farid Bang, hart und streng, toxische Männlichkeit", skizziert er sich selbst. Dass es sich dabei lediglich um das "stabilste Image der Welt" handelt, zeigt schon der dominierende Humor à la: "'Farid, läuft es mit dem Menschenhandel gut?' Ja, am Ende mach' ich Plus wie bei LGBTQ." Zudem zeigt er sich neuerdings gegenüber problematischen Männern eher abgeneigt. So distanziert er sich von Jérôme Boateng und räumt seinen liebsten Punchingball zusammen mit Luke Mockridge ab: "Bevor du Erfolg hast mit dein' Wannabe-Drake-Hits, ist MOK rich wie der Comedy-Rapist."

In Wahrheit scheint Farid Bang seine Rolle inzwischen ganz anders zu definieren. Er gibt den Außenstehenden, der von der Seitenlinie die Szene beobachtet und bewertet. "Du bist Rap-Fan und verehrst diese Leute?", fragt er entgeistert in "Berghainclub" die zahlungsfreudige Kundschaft: "Rapper machen Hits, wollen Kinder abziehen." Verächtlich zieht der Düsseldorfer über die Arbeit der A&Rs, TikTok-Trends, Fernsehvermarktung bei Joko & Klaas und die zunehmende Diversifikation in Richtung Lebensmittelindustrie her: "Ihr verkauft Aldi-Eistee unter anderem Namen."

So plump Farid Bangs Habitus ausfallen mag, so schlüssig und auch unterhaltsam fällt sein Meta-Rap aus. Den Höhepunkt erreicht "X", wenn der unangekündigte Eko Fresh den Großteil des "Outro" zur freien Gestaltung erhält und neben Lob auch Tadel für seinen Zögling bereithält. "Farid, Bruder, diss' nicht Frauen oder Minderheiten", rappt sein Mentor im wohl kraftvollsten Part seit Jahren, "Das hast du gar nicht nötig, glaub' mir, du musst nichts beweisen. Denn du bist ein Vorbild für Migranten, die sonst nichts erreichen." Dank Distanz zur Szene und sich selbst gelingt ihm damit sein bestes Album.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Krone
  3. 3. Bitte Spitte X
  4. 4. Berghainclub
  5. 5. Testosteron
  6. 6. Get Rich Die Tryin'
  7. 7. Medical Detectives
  8. 8. Hinrunde
  9. 9. Google Maps
  10. 10. X
  11. 11. Movement
  12. 12. Mocro
  13. 13. American Dream
  14. 14. Outro

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