laut.de-Kritik

Richtet über die Gefühle des Zuhörers wie ein König.

Review von

Ich höre gerade ein Album, das schon ganze zwei Jahre fertig ist. Aber trotzdem durfte es bis jetzt keiner haben: Die Platte war dem Label nicht Mainstream genug. Wie ein Geist irrte Fiona Apples drittes Werk "Extraordinary Machine" durch die Untiefen des Internets, zerstückelt, verstreut und nie wirklich fassbar.

Und trotzdem - den Fans reichte eine halbe Ewigkeit des Wartens, sie luden die Tracks, von denen niemand wusste, wie sie ihrem staubigen Regal in die virtuelle Welt entflohen waren. Die Begeisterung für das Phantomalbum wuchs und schwappte endlich auch bis in die verantwortlichen Gehirne. Und die bannten den Geist in einem "neuen" Silberling.

Nun ist er da, mit zwölf beeindruckenden Titeln steht "Extraordinary Machine" ab dem 7. Oktober in den weniger staubigen Regalen. Dort wird die Platte wohl kaum lange Zeit absitzen müssen, denn sie ist wunderbar. Fiona nimmt einen mit in eine Welt, in der (fast) nur das Klavier und ihre Stimme das Sagen haben, die über die Gefühle des Zuhörers richten wie ein König. Aber wir haben es hier nicht mit einem Kopf-Ab-Regime wie zu Alices Zeiten zu tun, denn dafür ist das ehemalige Phantom zu vielschichtig. Es kommt vielmehr darauf an, wonach einem so zumute ist: des Königs Ländereien bieten sowohl Platz für das Traurigsein, Bitterböse-Dreingucken oder Vergnügt-Mit-Den-Zehen-Wippen.

Kurz bevor ich meine Füße komplett in ihr Reich versenke, weist die "Extraordinary Machine" mich auch noch persönlich auf ihre wirklich außergewöhnliche Eigenart hin: "Be kind to me or treat me mean / I'll make the most of it / I'm an extraordinary machine". Jeder ihrer Verse klingelt mit der vorwitzigen Portiersglocke, die immer dann hervorspringt, wenn gerade alle anderen leise sind, noch lange durch meine Gehörgänge. "Get Him Back" begrüßt mich mit einer Klavierrhythmik, an der die Elefantenkarawane aus dem Dschungelbuch ihre Freude hätte. Zwangsläufig wackelt mein Kopf mit. Ab und an löst Fiona das militante Gewippe mit viel Hall und schafft Lichtblickatmosphäre.

Eindeutig weniger Grund zum Hoffen gibt "O' Sailor". Zwar kommen Bridge und Refrain mit einer sehr hübschen Melodie daher, aber das beseitigt den melancholischen Beigeschmack noch lange nicht. Dieser Song eignet sich gut dazu, liebe Menschen zu vermissen oder die Sonne nach sieben Tagen Regenwetter. "Better Version Of Me" und "Thymps (The Sick In The Head Song)" reißen einen wieder aus dem Tal der Traurigkeit.

"Parting Gift" ist wohl mit dem emotional stärksten Refrain des ganzen Albums bewaffnet. Für diese Art von Liedern gibt es meist nur zwei Themen: Liebeserklärungen oder, wie in diesem Fall, Beziehungsstress. "Oh, you silly, stupid past time of mine / You were always good for a rhyme / And from the first to all the last times/ All the signs say stop/ But we went on ..." beschreibt die Kiste recht deutlich.

Klar, dass Fiona bei solchen Fehden mal ordentlich wütend werden will. "Window" fängt mit den afrikanisch anmutenden Trommeln zwar recht friedlich an, endet aber mit der Zerstörung empfindlichen Fensterglases. Trotzdem: "Better break the window then him or her, or me". Alle Cholerik verfliegt und geht mit "Oh Well" nahtlos in Verzweifelung über. Fräulein Apple läuft zur Höchstform auf, gibt mir die volle Stimmbandbreite und hinterlässt mich beeindruckt.

"Please, Please, Please" und "Red, Red, Red" sind bis auf ihre auffallend ähnliche syntaktische Gestaltung recht unspektakulär. Erst "Not About Love" setzt wieder Highlights. Hier überrascht Fiona nicht nur mit einer crunchigen Klampfe, sondern legt dabei auch ordentlich Tempo an den Tag. Mit "Waltz (Better Than Fine)" verlasse ich die königlichen Ländereien und wippe noch ein paar Minuten vor einem kleinen, französischen Café am Montmartre herum. Im 3/4-Takt und höchst vergnügt, versteht sich.

Trackliste

  1. 1. Extraordinary Machine
  2. 2. Get Him Back
  3. 3. O' Sailor
  4. 4. Better Version Of Me
  5. 5. Tymps (The Sick In The Head Song)
  6. 6. Parting Gift
  7. 7. Window
  8. 8. Oh Well
  9. 9. Please Please Please
  10. 10. Red Red Red
  11. 11. Not About Love
  12. 12. Waltz (Better Than Fine)

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