laut.de-Kritik

Hinter dem Burnout wohnen Grönemeyer, Klaus Lage und der Soul.

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Alle Wetter! "Hinter Dem Burnout", da wohnt doch tatsächlich purer, schweißtreibender, energischer und von einem Ozean voll Herzblut getragener Soul. Der Eröffnungstrack trägt seinen Titel jedenfalls mit jedem Recht der Welt: Wenn Orgel und schmissige Bläser die Tür aufstoßen und Bass und Gitarre sich nahtlos dazu gesellen, schlägt der Sound tatsächlich eine Brücke von "Soul II Soul".

The Ruffcats und Produzent Kraans De Lutin erledigen einen echten Höllenjob. Die Herrschaften katapultieren das Lebensgefühl der 70er schwungvoll ins Hier und Jetzt. Nach gerade angesagten, entsprechend kurzlebigen Trends kräht zum Glück kein Hahn.

Knackige Drums bilden das Rückgrat. Der Bass groovt, als habe es seitdem tatsächlich kein Morgen gegeben. Die Gitarre wah-waht, darf bei Bedarf aber auch amtlich scheppern wie in "Ich Bin Raus" oder, etwa in "Meteorit", engagiert durch die Szenerie jodeln. Je nach Bedarf komplettieren Streicher, ein paar Tupfer Backgroundgesang oder (im Opener) Scratches von DJ Stylewarz das stimmige Bild.

Ohne jeden Zweifel haben alle Beteiligten ihren Otis Redding, ihren Marvin Gaye und allen voran ihren James Brown nicht nur ausgiebig studiert. Sie haben die Gottväter auch verstanden und verinnerlicht. Funk-Mangel lässt sich hier niemand attestieren. Sämtliche Nummern auf "Mann Über Bord" orientieren sich hörbar an Motown-, Phillysound- und Spax-Glanzzeiten.

Dabei legen sie zugleich einen derart derben Zug nach vorne an den Tag, dass man für die Atempausen gegen Ende des Albums regelrecht Dankbarkeit empfindet. Jede noch so heiße Soul-Party braucht Engtanzrunden. Dafür eignen sich "Weltempfänger", eine Ode an das Bauchgefühl, oder das fünfeinhalb Minuten angenehm vor sich hin simmernde "Silber Ist Gold" ganz exquisit.

Frontmann Flo Mega hat ebenfalls eine beachtliche Entwicklung hingelegt. Er mutierte vom doch eher mittelbegnadeten Rapper zu einem Soul-Sänger, der an seiner Hingabe und zugleich an dem Spaß, den ihm die ganze Sache beschert, keinen Zweifel aufkommen lässt. Er hat sich wieder in den Griff bekommen, sich aus dem Loch empor gewurstelt, und tut jetzt nur noch genau das, das ihm gefällt. Dabei umschifft er gekonnt eine Klippe, an der andere schon längst zerschellten: Flo Mega begeht nicht den Fehler, sich selbst allzu ernst zu nehmen, die Dinge verbissen zu sehen oder gar als Heilsbringer auf einer Mission zu inszenieren.

Nö. Dieser Kerl will einfach nur singen, von seinen Sehnsüchten, seinen Freuden und seinen kleinen Fluchten aus dem öden Alltag erzählen. Ob er dazu ein "Nick Nolte-Gesicht" spazieren trägt oder das ausgeleierte, zerknitterte Hemd den einen oder anderen Schweißflecken abbekommt: ihm doch wurscht. Dass die Texte zudem manche ohnehin schon überstrapazierte Plattitüde noch weiter zuschanden reiten, "auch, wenn das für dich abgedroschen klingt": Wen juckts?

Eigentlich alles super, also. Der Mann mag über Bord gegangen sein, hat aber einen funktionstüchtigen Rettungsring dabei. Er wird schon nicht absaufen - und das, obwohl er einen echten Zementklotz an den Füßen trägt: Sobald Flo Mega zu singen beginnt, fordert in meiner Imagination Klaus Lage Herbert Grönemeyer zum Tanz auf, und die beiden legen in schönster Eintracht einen Mashed Potato aufs Parkett. Ich kann ja nix für meine Assoziationen.

Flo Mega wiederum kann nix für den Klang seiner Stimme. Er tönt einfach so weiß, wie es nun einmal ist, und dabei abwechselnd nach Grönemeyer, Klaus Lage und nach einer Mischung aus beiden. Das alte Nordlicht gießt höchstens ein klein wenig Öl ins Feuer meines Kopfkinos: Die inflationär eingestreuten maritimen Metaphern, mit denen hat es der Kollege aus Bochum auch zuweilen, und mehr als eine Zeile könnte in ihrer kumpelhaften Banalität gut und gerne auch aus dem tausendmal berührtem Repertoire Lages stammen.

Trotzdem: Eine Platte wie "Mann Über Bord" hätte man Deutschland, noch immer Soul-Entwicklungsland, so ohne Weiteres gar nicht zugetraut. Wenn Flo Mega zum Abschied im Titeltrack neben Phrasen und Redewendungen noch einen Seemanns-Heuler nach dem anderen aus der Schiffermütze zieht, liegt die angemessene Antwort auf der Hand: Junge, komm' bald wieder.

Trackliste

  1. 1. Soul II Soul feat. DJ Stylewarz
  2. 2. Meteorit
  3. 3. Du Bist Eine Blume
  4. 4. Fremdes Glück
  5. 5. Hinter Dem Burnout
  6. 6. Ich Bin Raus
  7. 7. Du Fehlst
  8. 8. Zeit feat. Samy Deluxe
  9. 9. Das Scheißspiel, Das Sie Liebe Nennen
  10. 10. Hello & Goodbye
  11. 11. Die Welt Dreht Durch
  12. 12. Weltempfänger
  13. 13. Silber Ist Gold
  14. 14. Mann Über Bord

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