laut.de-Kritik
Der Fünfer lässt die Prog-Wurzeln nicht außer acht.
Review von Yan VogelWidmet man sich der Band Flying Colors, so springt einem direkt die Besetzung ins Auge. Diese liest sich wie ein Who is Who der Prog- bzw. Fusion-Szene. An der Schießbude sitzt Mike
Portnoy (Ex-Dream Theater, Transatlantic), Neal Morse (Ex-Spock's Beard, Transatlantic) bringt seine Vielseitigkeit mit ins Spiel, an der Gitarre brilliert Steve Morse (Deep Purple, Dixie Dregs, Kansas) und Dave LaRue (Dixie Dregs, Planet X) pumpt Basslinien wie manch einer die Stemmeisen und Anabolika-Pullen.
Der weitgehend unbekannte Casey McPherson singt mit einem angenehmen Timbre, besitzt den für die mitreißenden Melodien notwendigen großen
Stimmumfang und freut sich wohl bis an sein Lebensende ein drittes Ei in die Hose, dass er mit den vier Koryphäen musizieren kann.
Stilistisch kann man die meisten Songs zwischen Prog und Fusion ansiedeln. Einzig das mit Folk und Country-Einflüssen jonglierende "One Love Forever" fällt aus diesem Rahmen. Ansonsten
orientiert man sich an wenig neuen Einflüssen wie Muse ("Mask Machine") und an vielen älteren Heroen wie Queen ("The Fury Of My Love").
Der für die Ohren und Hirnwindungen wohltuende Mainstream-Touch des ersten Albums bleibt bestehen. Hier werden trotz dieser Besetzung keine Takte, Riffs und Breaks im Sekundentakt aneinandergetackert. Natürlich lässt der Fünfer die Prog-Wurzeln von Portnoy, Morse, Morse und La Rue nicht außer acht. Es gibt genügend Momente, die den Laien mit der Zunge schnalzen und den Kenner aufhorchen lassen.
Mit den Erfahrungen einer Tour im Rücken, nahm man sich wesentlich mehr Zeit als für das Debüt, das
in neun Tagen entstand. Die Lockerheit lässiger Jam-Sessions geht der zweiten Platte ab, aber schließlich möchte man diesen Sound auch einem größeren Publikum zukommen lassen.
Dem Primat der Melodie zu folgen, scheint zunächst kein schlechter Ansatz. Jedoch trägt diese einen Song nicht allein. Und so kommt bei manch schönen Gesangslinien das Arrangement und der Gestus des jeweiligen Songs zu kurz. Der Sound von Peter Collings sowie die Qualitäten der einzelnen Musiker tönen ohrenberauschend, aber leider fehlen die letzten Schritte zu einem Gesamtkunstwerk.
Der Titel "Second Nature" verweist auf die Ersatznatur, die der Mensch mit Technik, Kultur, Politik, wirtschaft oder Wissenschaft errichtet hat. Für die Texte griffen die teils ergrauten Herren tief in die Erfahrungsschatzkisten erfüllter Künstlerpersönlichkeiten und bereisten viele Allgemeinplätze. Das klingt meist
altklug und wenig ergreifend.
Musikalisch hingegen gibts wenig Anlass zur Kritik. Die zwei das Album rahmenden Longtrack bestechen mit mehrteiligen Strukturen und klingen mehr nach Spock's Beard als diese selbst, "Bombs Away", "The Fury Of My Love" und "Lost Without You" garnieren Melodien, für die jeder beschissene Mainstream-Songwriter je nach Facon seine dickbusige Trulla oder die dicke Karre opfern würde.
1 Kommentar
Hmmmm, ich kann mich dunkel an das Debüt erinnern. Nett aber nichts Großartiges. Das hier bleibt da schon besser im Gedächtnis auch wenn ich schwören könnte, dass man die eine oder andere Melodie von Mike Oldfield geklaut hat. Klingt alles recht souverän und entspannt, geht’s in Ohr. Doch, macht Spaß.