laut.de-Kritik

Verdammt, wir leben noch. Das ehrlichste Album der Bandhistorie.

Review von

Was hat Dave Grohl mit Ed Sheeran gemeinsam? Äußerlich? Nicht viel. Musikalisch? Wenig. Erfolgstechnisch? Durchaus einiges. Im Jahr 2023 spannt sich eine weitere, etwas dunklere Parallellinie zwischen Virginia, USA und Suffolk, England: Beide veröffentlichen neue Alben unter den besonderen Vorzeichen Trauer und Abschied.

Wie bei Sheeran mussten die Foo Fighters 2022 heftige Schicksalsschläge hinnehmen. War es bei Sheeran der Tod des besten Freundes, eine Krebsdiagnose bei der schwangeren Frau und ein großer Copyright Lawsuit innerhalb weniger Wochen, schwebt über dem 11. Studioalbum der Foo Fighters der emotionale, trauernde Abschied von zwei Menschen. Diese Tatsache von der Musik von "But Here We Are" entkoppeln zu wollen, führt ins Nirvana.

Denn die Geschichte der Foos begann vor 28 Jahren mit Abschied. Abschied der damals größten popkulturellen Revolution seit Dekaden, die genauso kometenhaft begann, wie sie im Orbit des Erfolgs verglühte. Doch Grohl rappelte sich auf, legte laute Gitarren über krachende Drums und wurde Everybody's darling. Und die Foo Fighters die unproblematischste Feel Good-Rockband der 00er Jahre.

Wenn man die letzten 20 Jahre lang durch die größten Venues der Welt tingelt, und die Superlative sichtlich alle abgehakt waren, kam es wie es kommen musste. Neue Alben werden zum Anlass für eine weitere Runde rund um die alte Weltkugel. Die Foo Fighters als die AC/DC der Millenials. Da geht man aufs Konzert, egal ob man die neue Platte kennt oder nicht. Knallt einfach gut, unproblematisch und unterhaltsam. Auf Platte verringert sich jedoch die Halbwertszeit des neuen musikalischen Outputs immer schneller. Irgendwas musste passieren. Und dann passierte etwas Schlimmes.

Ein Jahr später liegt "But Here We Are" hier. Das fast unachtsam minimalistische glänzend weiße Artwork lässt nicht darüber hinwegtäuschen, dass alles dunkel ist im Land der Foo Fighters. Drummer Taylor Hawkins erlag im März 2022 plötzlich einem Herzinfarkt, mutmaßlich wenige Monate später starb Dave Grohls Mutter. Das eine Ereignis riss Wellen durch die Musikwelt, das andere drang erst zum Release an die Öffentlichkeit. Unsicherheit, Trauer, Angst, Verlust, Schmerz. Dann tränenreiche Spielfreude bei den Taylor Hawkins Tributshows, die fast zu früh kamen. Es folgte Funkstille.
Beide Schicksale verarbeiten Grohl und seine Foos in dieser Zeit auf "But Here We Are" und trauern musikalisch nun in aller Öffentlichkeit – wie schon Sheeran einen Monat vorher. Das Resultat ist ein unglaublich ergreifendes, trauriges und starkes Album.

Dabei sind einzelnen Komponenten bekannte Ware. Sägende Gitarren, große Refrains, treibende Songs. Nur hinter den Fellen sitzt nicht der personifizierte blonde Duracell-Hase Hawkins, sondern Grohl. Und das Gefühl, das wieder mehr Herz bei der Sache ist. Ein zerbrochenes Herz, natürlich, das sich gefühlt nur mit Riffs wieder flicken lässt. Und mit zentnerschwerer, roher Emotion, die aus jeder Pore der Songs strömt.

Das musikalische Äquivalent zu den schwarzen Anzügen für die Trauerfeier schneiderte wieder Produzent Greg Kurstin. Im Vergleich zum knackigen "Medicine At Midnight" geht es wieder urbrünstiger zu, in dicken Soundwänden screamt Grohl den Himmel traurig, zornig, depressiv und dann auch vergebend an.

"I'm just waiting to be rescued / Bring me back to life", fleht Dave im ersten Refrain der Platte auf "Rescued". Zuvor drückten schon "Everlong"-Gedächtnis Beats dieses erste Luftholen nach der aufgezwängten Paralyse ordentlich nach vorn. Die Stimmbänder reiben raspelnd, schon in den ersten zwei Minuten klingt er aufgekratzter wie auf den letzten beiden Alben zusammen.

"Under You" packt die "Generator"-Gitarre von 1999 aus und stellt den tatsächlich harmonischsten Ausreißer nach oben dar. Bis man auf den Text hört. "Someone said I'll never see your face again / Part of me just can't believe it's true / Pictures of us sharing songs and cigarettes / This is how I'll always picture you." Da ist sie wieder, die melancholische Eingängigkeit über laute Rockmusik, die den Foos ihre famose Karriere beschert hat.

Ausufernder kommt "Hearing Voices" mit einem perfekt destillierten Mix der jüngeren Foo Fighters-Geschichte um die Ecke, und wechselt quasi alle fünf Sekunden zwischen sphärisch luftigen Grooves und ratternden Riffs. Für das Fade-out packen die Geisterstimmen sogar noch ein paar Klaviertöne aus: "I am hearing voices, but none of them are you."

Ein Gänsehaut-Highlight wie aus dem Lehrbuch erwartet die Trauergemeinde mit dem proggig vertrackten Titelsong "But Here We Are". Das rifflastige Hochgeschwindigkeits-Arrangement schmeckt förmlich nach dem Geist des riesigen Rush-Fans Taylor Hawkins, der nicht nur an dem 7/8-Outro seine Freude gehabt hätte. In der Reihe der überlebensgroßen Foo Fighters-Hooks reiht sich der Song mit seiner alles entwaffnenden, trotzigen 'Verdammt, wir leben noch'-Energie mühelos in die Top 5 der Grohl'schen Hall of Fame ein.

Kurz durchatmen. Mit "The Glass" groovt fett abgehangen eine Hommage an "Sunday Rain" mit minimalem Country-Geschmäckle etwas beiläufig daher. Dass zu Trauer auch oft Zorn gehört, beweisen die Foos dann lautstark explodierend auf unter dreieinhalb Minuten in "Nothing At All". Selbst wenn die Strophen uns schnipsend zurücklassend, gibts danach ordentlich auf die Zwölf. Zu dieser Gefühlslage passt nur der gellend gutturale Schrei wie am Spieß, einem "Enough Space" oder "My Poor Brain" von 1997 nicht ganz unähnlich.

"Show Me How" begrüßt Dave Grohls Tochter Violet am Mikro für ein Duett mit Papa. Über geschäftige Drums bleiben die Zeilen des Familiengespanns wie "I'll take care of everything now" alles andere als schwer zu interpretieren. Das Ende ist immer auch ein Anfang, die nächste Generation trägt das Gedächtnis weiter.

Als Tearjerker im besten Sinne entpuppt sich die Queen-Powerballade "Beyond". Und wer im Finale bei "It's beyond me, forever young and free" nicht auch diese Schwere im Herzen fühlt, die Dave seinem verlorenen Bruder Taylor ins Jenseits ausrichtet, der sollte baldigst den nächsten Kardiologen aufsuchen.

Noch bevor man pflichtbewusst schniefend etwaigen Zuhören versichert, dass es 'nur Allergien' sind, servieren die Foos mit "The Teacher" den nächsten Brecher. Ziemlich genau fünf Minuten lange wehen düstere Riffgewitter durch ein Prog-Feuer, bis dann das Interlude aus der Feder der Herren Waters und Gilmour stammen könnte und das Gewitter vorerst beruhigt. "You taught me how to grieve, never showed me how to say goodbye", liefert er den treuen Massen einen Einblick in den Umgang mit plötzlichem Verlust. Cobain, Hawkins – ein Abschied zu Lebzeiten war ihm verwehrt. Also lässt Dave erneut die Gitarrentherapie beginnen und fährt schwere Geschütze auf, bis die gebrüllten "Goodbyes" in einer Kakophonie aus Noise verschwinden. Keine leichte Kost, klarerweise, aber das wäre an dem Punkt der Reise auch fast enttäuschend.

Am Schluss kommt die Einsicht. "You can rest now", versichert er uns, sich selbst und den Seinen über eine langsam gestrummte Gitarre. Es geht weiter. Until we meet again. Die vielgezogene Analogie zu "Something In The Way" funktioniert genau bis zur 2:40-Minuten-Marke. Ab dann werden alle Verzerrer-Pedal gedrückt und alle Amps auf mindestens elf aufgedreht, um mit einer wummernden Gitarrenwand einen klaren Strich zu ziehen.

Die Zeile "Waking up, had another dream of us / In the warm Virginia sun, there I will meet you" beendet "But Here We Are" auf einer leisen Note. "But Here We Are" stellt das emotionalste, teilweise auch das härteste Album der Bandgeschichte dar. Vor allem aber das ehrlichste. Eines dieser tragischen Beispiele, dass tiefer Schmerz auch große Kunst zu inspirieren vermag. Ein deutliches Lebenszeichen, die alternden Herren haben noch immer etwas zu sagen. Long live the Foo Fighters.

Trackliste

  1. 1. Rescued
  2. 2. Under You
  3. 3. Hearing Voices
  4. 4. But Here We Are
  5. 5. The Glass
  6. 6. Nothing At All
  7. 7. Show Me How
  8. 8. Beyond Me
  9. 9. The Teacher
  10. 10. Rest

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LAUT.DE-PORTRÄT Foo Fighters

Am 5. April 1994 endet mit dem tragischen Selbstmord von Kurt Cobain das Kapitel Nirvana und somit auch Dave Grohls Karriere als Schlagzeuger der Band.

14 Kommentare mit 9 Antworten

  • Vor 9 Monaten

    Die Rezension überhypt hier vieles. "But Here We Are" hat nix mit Prog zu tun, "Beyond Me" nix mit Queen. Allgemein ist die Platte ganz nett, was schon ein großer Fortschritt für die FF der letzten beiden Jahrzehnte ist. Der rohe, altmodische Vibe steht der Band sehr gut, und tatsächlich ist hier viel Herzblut zu hören.

    Im Ohr bleibt bei mir absolut nix hängen, aber das ging mir schon mit "Everlong" und dem alten Material so. Ist ne schicke, direkte Rockscheibe im Still der frühen 90er geworden. Nicht mehr, aber auf keinen Fall weniger.

  • Vor 9 Monaten

    Laut.de Rezensionen werden doch nur noch von ChatGPT geschrieben, gebt's zu.

  • Vor 9 Monaten

    Also zu Queen kann ich da keinen Bezug herstellen, außer das die Gitarren fast so langweilig klingen und ein Klavier drin vorkommt.
    Leider Soundtechnisch alles recht kraftlos und überproduziert.

  • Vor 9 Monaten

    Dave Grohl ist ein absolut cooler Typ, aber die Musik der Foo Fighters gibt mir absolut gar nichts. „Wasting Light“ mochte ich ganz gern, aber ansonsten probiere ich es bei jedem neuen Release wieder, um festzustellen, dass mich diese Band null berührt.

    • Vor 8 Monaten

      ja cooler typ ist subjektiv, aber ja man muss ihm einen achtungserfolg gönnen. dafür dass die musik nicht wesentlich anders ist als nickelback, schaffen es die jungs gute kritiken einzuheimsen und als künstlerisch wertvoll deklariert zu werden.

      allerdings ACHTUNG; foo fighters haben dencooh bessere songs als nickelback. nickelback sind tatsache nochmal eine nummer plumper

  • Vor 8 Monaten

    Das Album ist der Hammer! Wen das nicht berührt hat nicht hingehört.

    Seit dem Tiefpunkt "Sonic Highways", der einfach nur Selbstzitat war, ging es wieder stetig bergauf.

    Und so wurde aus diesem Album sogar eines der absolut besten der Foos, und das, obwohl man auch da die alten Zeiten raushört. Aber eben auch die Erfahrung und die inzwischen angeeignete Vielseitigkeit von Dave.

    7 richtig gute Tracks auf der Scheibe - wird für 5 Sterne reichen.

    Pflicht für jeden Rockfan!

  • Vor 8 Monaten

    Ich mag die Foo Fighters eigentlich ganz gerne. Jedoch springt der Funke hier irgendwie nicht rüber. Dann doch lieber die aktuelle Witchrider Platte. Die klingen, für mich, wie die alten Foo Fighters, die ich lieber hören würde.