laut.de-Kritik

Farbengeile Freakshow zwischen Glück und Verzweiflung.

Review von

Funny van Dannen gehört zu den echten und kompromisslosen Künstlern. Einerseits vom Medienzirkus eher peinlich berührt denn begeistert. Daneben ein Bühnentier, das sogar unter zehrenden Heuschnupfenattacken für sein Publikum buchstäblich bis zum Umfallen performt.

Jedoch: Zwölf Alben gibt es bereits. Was soll da noch kommen? Ist nicht längst alles gesagt? Im Gegenteil: Die verfluchte dreizehnte Platte fällt für Kenner wie Einsteiger gleichermaßen spannend aus. 22 Livesongs zur Klampfe, aber allesamt komplett neu. Der perfekte Publikumstest für Funnys farbengeile Freakshow.

Wie es sich für einen Liedermacher seines Kalibers ziemt, schwankt der Hörer des Konzerts von einem Extrem ins andere. Von schwer verzückt bis stark genervt – zumindest bei mir. Doch: Vorsicht! Wer hier Singer/Songwriter-Glanztaten am Fließband erwartete, würde enttäuscht.

Ungewöhnlich viele Lieder auf Van Dannens LPs klingen eine Spur zu regelmäßig nach spannenlanger Hansel mit Limburger Müsli. Da bildet auch dieses Konzert erwartungsgemäß keine Ausnahme. Das Alibigezupfe und der Ungesang sind ihm reines Transportmittel für die Zeilen. Kaum ästhetisches Instrument. Kaum der Rede wert.

So etwas kann addiert bei Liedern wie "Mikado", "Unterhosentattoo" oder "Ein Eimer Weiße Farbe" für den Hörer schon zu einer mitunter langweilenden Infantilitätsüberdosis führen. Der warmherzige Lehrer der bunten Einfachheit schabt da bedrohlich nahe an bunter Einfalt vorbei. Ein wenig zu viel Trallala-Durststrecke für den Gig.

Wenn der gute Funny dann noch das sozialpädagogische Betroffenheitsfass mit Kirchentags-Geleier wie "Ins Heim" zum Überlaufen bringt, kann sogar die ironische Brechung nichts mehr retten. Wann kommt endlich der nächste Song?

Doch wie bereits auf seiner letzten Studiogroßtat "Saharasand" lässt der gelernte Werbegrafiker auch live gern den echten Musiker in sich vom Stapel. "Einkaufszentren Entstehen" ist einer dieser hypnotischen Klopper zwischen Lagerfeuerfolk und scharfem Skalpell.

Auch "Unruhe" ist so ein starker Querulanten-Song, der in unserer etwas trantütigen Republik fast schon Revoluzzerpotenzial inne hat. "Wenn draußen alles in Ordnung ist und wir Deutschen ganz klar führen / Wer käme denn da auf die Idee, Unruhe zu schüren?"

Zudem gibt es diese paar Tracks – wie auf jeder seiner Platten – in denen er das Weltgefüge im Allgemeinen und die Befindlichkeiten des Landes im Besonderen ganz nebenher lässig auf den Punkt bringt. So fiele es nicht schwer, über Zeilen wie "Fang den Pudding und wirf ihn zurück zu mir, rief das Glück. Und behalt den Rest" eine philosophische Doktorarbeit zu schreiben.

Oder geht es doch eher darum, sich am Ende des Tages sagen zu können, man sei wenigstens nicht das größte Arschloch von allen gewesen? Tatsächlich? Wenn es so einfach zu singen ist, ist es nicht tragisch, dass andere für solch eine simple Erkenntnis ganze Bibeln oder Ähnliches brauchen?

Was Funny van Dannen daneben gerade live so liebenswert macht: Er steht zu der deutschen Sprache in all seiner musikalisch stumpfen Hässlichkeit. Ganz ohne das lästige Wagnerpathos von Rammstein, die nerdige Selbstbezogenheit der Hamburger Schule oder die stiernackige Blockiertheit der Berliner Gangsterrapper: allesamt künstliche Schubladen, die dieser Mann künstlerisch nie hinter sich lassen musste, weil er keine Sekunde in ihnen gelegen hat.

Bittersüßer Höhepunkt: "Was Krieg Ist" als lakonisch pointierte Tragikomödie für alle, die sich weder bei Lichterketten-gesättigten Plüschdemos noch Marlenes triefendem "Sag Mir, Wo Die Blumen Sind" so richtig aufgehoben fühlen. "Alle wissen, wie wichtig Öl und wie wertvoll die Musik ist. Aber niemand hat den deutschen Soldaten gesagt, was Krieg ist."

So trampelt Funnys freundliche Fischsuppe einmal mehr den Pfad zwischen beschränkt und vollkommen, zwischen Glück und Verzweiflung. Wer so auf den sprichwörtlichen Wecker fällt, während man ihn gleichzeitig umarmen möchte, hat als Künstler erneut alles richtig gemacht. Oder, um es mit den Worten van Dannens zu sagen: "Jede Wahrheit tanzt zu ihrer eigenen Musik."

Trackliste

  1. 1. Ergo-Versicherungsgruppe
  2. 2. Fischsuppe
  3. 3. Mikado
  4. 4. Fang Den Pudding
  5. 5. Wildschweinschädel
  6. 6. Einkaufszentren Entstehen
  7. 7. Olga, Lass Das Pokern Sein
  8. 8. Erleuchtet
  9. 9. Ins Heim
  10. 10. Oh, Acker
  11. 11. Der Fahrradfahrer
  12. 12. Unterhosentattoo
  13. 13. Wenn Die Tiere Berufe Hätten
  14. 14. Was Ist Mit Der Liebe
  15. 15. Was Krieg Ist
  16. 16. Unruhe
  17. 17. Etwas Neues Fühlen
  18. 18. In Den Zeiten Der Zeitarbeit
  19. 19. Butterbrot
  20. 20. Ein Eimer Weiße Farbe
  21. 21. Eckig
  22. 22. Freude

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LAUT.DE-PORTRÄT Funny Van Dannen

Funny van Dannen ist Musiker, Maler, Geschichtenerzähler und Familienvater. Seine Arbeiten sind liebevoll durchgeknallt, engagiert, naiv und immer an …

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