"Jazz ist heute, einfach mal frei assoziiert, eine recht elitäre Sportart, der sich kluge Köpfe in verrauchten Kneipen hingeben. Der Bebop ist ein wichtiger Schritt zu diesem Bild" (elixic.de).

Klischees, wie sie im einleitenden Zitat Verwendung finden, bringen die Dinge ja oft auf den Punkt. Der Ruf des Jazz, Musik für Rotwein trinkende Intellektuelle zu sein, wurzelt tatsächlich im Bebop. Das prägnanteste Merkmal des Bebop ist wohl seine spektakulär schnelle Art und Weise auf den Instrumenten abzugehen. Liegt das Augenmerk im vorangehenden Swing auf der Big Band und den Arrangements, steht im Bebop der Solist im Zentrum des Geschehens.

Der Siegeszug des Bebop kommt einer musikalischen Revolution gleich, denn mit ihm gelingt dem Jazz der Schritt von bloßer Unterhaltungsmusik zur Kunst! Zeitpunkt dieses Bebens: ca. 1943 - Mitte der 50er.

Als Geburtsort des Bebop wird immer wieder das Minton's Playhouse erwähnt - eine Bar in New York, in der sich Montags abends ein paar Jazzmusiker treffen um sich in Jam-Sessions den Frust von der Seele zu spielen. Auch die Musiker, die später als die Pioniere des Bebop gelten, laufen sich dort über den Weg: Dizzy Gillespie, Charlie Parker, Thelonious Monk und Max Roach.

Wo der Begriff Bebop herkommt, ist nicht ganz klar. Die Theorie, es handle sich um eine lautmalerische Vertonung eines typischen Jazzschlusses, ist wohl die Häufigste. Auch der Anfeuerungsruf "Arriba" wird von Wissenschaftlern als seine Quelle vermutet. Spekulationen hin oder her, mit "anfeuern" hat das Fantasiewort auf alle Fälle zu tun, und die Beliebtheit des Wortes steigt mit der Beliebtheit des neuen Sounds.

Die voran gegangene Epoche des Swing, in der große Big Bands in schicken Ballsälen für etliche Tanzwütige spielen, hat ihre Blütezeit bereits überschritten. Swing ist zu Beginn der Vierziger sehr kommerziell geworden, und unrentabel. Big Bands lösen sich auf und etliche Musiker werden für Kriegszwecke eingezogen. Die Übriggebliebenen haben entweder keine Jobs oder langweilen sich in Bands, deren Musik sie wegen mangelnder Herausforderung langsam leid sind. Aufnahmen werden 1942-44 wegen eines Streits der Musikergewerkschaft mit den Plattenfirmen auch nicht gemacht.

Die Entwicklung zum Bebop geschieht zwar nicht über Nacht - Anklänge des neuen Stils sind zum Teil schon während der Swing-Ära zu erkennen. Trotzdem trifft mit dem Erscheinen der ersten Platten 1944 dieser ungewöhnlich eigene Stil völlig unvermittelt auf ein breites Publikum. Auch etliche Musiker, darunter Louis Armstrong und Tommy Dorsey, sind schockiert, gewinnen dem (Be)Bop nichts ab und kritisieren an ihm die Abkehr von der Tanzmusik.

Andere dagegen finden in den Bebop-Musikern und deren neuen Ideen ihre Idole und beginnen schnell, ihnen nachzueifern. Dizzy Gillespie, mit Franzosenkäppi, fetter Brille und Ziegenbärtchen, wird für die Presse die ideale repräsentative Bop-Figur zum Vermarkten. Charlie Parkers Erfolg dagegen beschränkt sich vorwiegend auf New York. Dort allerdings wird in der Szene sein Anfangslick von "Parker's Mood" als Erkennungszeichen gepfiffen.

Musikalisch gesehen unterscheidet sich Bebop vor allem durch seine absolute Konzentration auf solistische Virtuosität von früheren Jazzstilen. In Combos mit 4-7 Leuten werden sogenannte "Head-Arrangements" gespielt. Es wird nur kurz der Ablauf besprochen, die Reihenfolge der Soli - dann rasen alle am Anfang und am Ende des Stückes einmal unisono durch das Thema, dazwischen bekommt jeder seinen Platz zu zeigen, was er kann. Häufig wird über bereits bekannte Standards improvisiert, die mit ein paar zusätzlichen, erweiterten Harmonien ausgestattet werden.

Eine der beliebtesten Formen der Bebopper, die "Rhythm-Changes", heißen nicht etwa so, weil sie Rhythmuswechsel beinhalten. Sie beruhen vielmehr auf den Harmonien von George Gershwins Song "I've Got Rhythm". Die Bebopper geben ihm einfach ein neues Kleid, indem sie über die gleiche Akkordstruktur eine neue Melodie, ein neues Thema erfinden - auch eine gute Möglichkeit beim Song-Klau Zensuren zu umgehen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist Charlie Parker's "Anthropology".

Bebop-Themen und Improvisationen sind komplexe Gebilde, die in rasendem Tempo gespielt werden. Deswegen ist Bebop eine (fast) ausschließlich instrumentale Musik und seine Musiker spielen Töne, die im Jazz bis dato nicht benutzt wurden. Viel Chromatik wird verbraten, und eine dritte Blue Note, die "Flatted Fifth", taucht auf. Ihr Gebrauch wird zu einem Erkennungsklischee des Bebop. Der Drive, das halsbrecherische am Bebop rührt daher, dass sich auch in der Rhythmus-Section erstaunliche Wandlungen vollziehen - ganz abgesehen von neuen Tempovorstellungen. Der Bass walkt fast ausschließlich in schnellen Vierteln - der Schlagzeuger erlangt mehr Freiheit und feuert auf Becken und Bassdrum leicht außerplanmäßig wirkende Hammersynkopen los, sogenannte "Dropping Bombs".

Die Hochphase des Bebop endet gegen Mitte der fünfziger Jahre, als Miles Davis, auch ein Kind des Bebop, einen "Alternativ-Stil" populär macht - den Cool Jazz. Trotzdem ist Bebop im Jazz auch heute noch allgegenwärtig. Man wird auf jeder Jazz-Session ohne Probleme ganz typische Bebop-Merkmale finden, denn selbst 50 Jahre später scheinen Jazzmusikanten keinen Bock zu haben, die innovativen Ideen des Bebop aus ihrem Repertoire zu verbannen.