Neben triefend fettigen Pommes im Baguette und Bier mit einem nicht zu leugnenden Beigeschmack von Kirsche überraschte unser Nachbarland Belgien die Musikfans Mitte der 80er Jahre mit einer weiteren kulturgeschichtlichen Neuerung. Während es sich bei oben genannten Spezialitäten um Freuden des Gaumens im weitesten Sinne handelt, war EBM oder Electronic Body Music dazu angetan den akustischen Sinn zu erfreuen. Inspirieren ließen sich die belgischen Köche von Front 242 unter anderem von stark elektronischem Industrial im Stile von Cabaret Voltaire oder auch Throbbing Gristle sowie von minimalistisch synthetisch gehaltenen NDW Songs, allen voran natürlich DAFs "Mussolini", der als so etwas wie der Prototyp des neuen Stils gelten darf.

Dementsprechend setzen auch Front 242 ausschließlich auf Synthesizer, die den Beat der Stunde angaben. Straight four-to-the-floor hieß das Motto, angereichert mit fetten Sequenzerbässen und treibenden Melodien, verfeinert mit ein bisschen, oft bis zur Unverständlichkeit verzerrtem Gesang. Ähnlich martialisch wie die Musik war auch das Outfit: Springerstiefel, dunkles Leder oder Camouflage, schwarze Sonnenbrillen trugen Front 242 schnell den Ruf ein, im faschistischen Lager zuhause zu sein, und sorgten für billige Promotion unter anderem in der Bravo.

Doch das Sensationsgehabe verflog schnell, was bleibt sind Hits wie "Headhunter" oder "No Shuffle", die auch heute noch den Dancefloor zum Brodeln bringen. Wurden in unseren Breiten die meisten EBM Bands wie Dive, Nitzer Ebb oder Klinik zu Beginn der 90er im weiter gefassteren Genre Dark Wave verbucht und EBM somit der Historie überantwortet, so hielt man in den USA von Anbeginn an nicht viel von Electronic Body Music als Genre. Mit amerikanischem Pragmatismus wurde Industrial als Metalabel für alles was sich nach Krach anhört etabliert. Das deckte dann das gesamte Spektrum von den hitparadentauglichen Ministry oder Nine Inch Nails über die kanadischen Elektro-Lärmmacher von Skinny Puppy bis Front 242 oder den Noise-Pionieren Whitehouse ab. In den 90ern tauchten dann einzelne EBM-Bands im Technokontext wieder auf, was bei der hohen Affinität von EBM zum synthetischen Dancefloorklängen auch nicht weiter verwunderlich ist. Front 242 ließen sich von Underworld remixen oder spielten mit großem Erfolg auf Raves und bewiesen den Techno-Kids, dass man schon in den 80ern zu Tanzen wusste.