6. August 2002

"Funk ist die DNA des Hip Hop!"

Interview geführt von

An diesem heißen Sommerabend waren zunächst die Götter des Funk noch nicht mit der Landung des Mutterschiffes einverstanden. Ein Gewitter mit starken Windböen zog auf, so dass die P-Funk Allstars das Konzert nach dem zweiten Stück unterbrechen mussten. Die Zuschauer waren aus Sicherheitsgründen gezwungen, das Zelt zu verlassen. Glücklicherweise konnte die Veranstaltung nach einer halben Stunde fortgesetzt werden. Die Hälfte der Leute hatte wohl nicht mehr mit dieser Entwicklung gerechnet, denn es war eine deutlich geringere Anzahl anwesend.

Doch dann ging es endlich richtig ab! Der P-Funk-Mob war gelandet und ließ das Tollwood-Zelt abheben. Zwei Stunden Groove brachten das Publikum in Ekstase. Leider mussten Clinton und seine 23-köpfige Band wegen Lärmschutzbestimmungen viel zu früh aufhören. Das mochte auch die aufgewühlte Menge nicht einsehen. Sie forderte noch eine halbe Stunde später Zugabe und schmiss Plastikbecher auf die Bühne. Bevor Dr. Funkenstein die Masse mit seinen Rhythmen beglückte, stand er uns noch etwas träge, aber durchaus auskunftsfreudig für ein Interview zur Verfügung.

George, was können wir von dem Konzert heute Abend erwarten?

Ha ..., das Unerwartete! Ich würde gerne etwas planen, aber ich kann dir nicht sagen, was passieren wird, nachdem wir abgehoben sind.

Was erwartest du vom Publikum?

Oh, es wird sehr lustig werden. Immer wenn wir in München spielten, war es super. Wir haben viele Freunde hier, die richtig wild werden und abgehen.

Was ist der Unterschied zwischen P-Funk und anderen Funk-Richtungen wie von Earth, Wind and Fire?

Ich könnte fast sagen, das ist überhaupt keine Funk-Band. Aber na ja, sie machen auf jeden Fall nicht diesen verrückten, dreckigen Funk wie wir. Unser Funk ist wie der Blues. Wir haben ihn schon lange gespielt, bevor er in war. Dann fingen die anderen an, auch solche Musik zu machen und wollten auch mit dazu gehören. Viele Leute spielen Funk, aber wir leben ihn. Es ist ein Lebensstil. Alles was wir machen ist funky. Man muss nicht so leben, aber wenn wir versuchten, irgendetwas normal zu tun, war es nicht gut. Und dann sagten wir eben: "Funk it!" Für uns ist es das Beste und wir geben das Beste. Wir spielen drei Stunden für die Leute und möchten oft auch dann nicht aufhören. So spielen wir vielleicht noch zwei, drei Stunden für uns weiter, wenn es die Möglichkeit gibt, weil es uns selber einen Riesenspaß macht. Das macht uns das Leben leichter und einfacher, immer weiter zu machen. Es ist kein Job für uns. Wenn es dir Freude macht, was du tust, geht es leichter.

Ist der Spaß das Geheimnis des Funk?

Ja, in einer gewissen Weise stimmt das. Es ist auch wichtig, die Freude zu erhalten. Manchmal gehen Musiker weg von der Band. Ich bin dann nicht sauer, sie können immer wieder kommen. Mein Motto ist, da zu sein, wenn es darum geht, Funk zu spielen. Es gab Zeiten, da akzeptierten die Leute auch andere Musikrichtungen nicht, wie Blues oder Rock'n'Roll. Doch es gab immer Musiker, die diese Musik spielten. Bei Jimi Hendrix war es zum Beispiel so. Wenn heute neue Funk-Bands heraus kommen, bin ich bei ihnen dabei. Oder wie beim Hip Hop zum Beispiel. Funk ist die DNA des Hip Hop. Man braucht Samples, um ein Hip Hop-Stück zu kreieren. Und was nehmen die Leute? Unsere Musik. Es gibt viele die sagen, Hip Hop ist keine Musik, doch das ist die Musik von heute. Da sollte man sich nicht gegen sperren und ich tue das auch nicht.

Du spielst mit der Band lange Konzerte mit diesen tief gehenden Rhythmen. Hast du dann das Gefühl, Macht über das Publikum zu haben?

Also heute Abend können wir nicht so lange spielen, da es nach irgendwelchen Bestimmungen nur bis zehn Uhr erlaubt ist. Die Leute machen das selber. Wenn sie aufhören zu analysieren, was wir tun, fangen sie an Spaß zu haben. Das Publikum hat auch durch ihre Reaktionen über uns Macht. Es ermöglicht uns zu grooven und ein gutes Gefühl zu haben.

Ist in so einem Konzert dann "One Nation Under A Groove"?

Die ganze Show ist "One Nation Under A Groove"! Wir fühlen uns am Besten, wenn eine große Einheit mit dem Publikum entsteht.

Sind die Improvisationen dann der Ausdruck des individuellen Bewusstseins?

Ja, und meine Aufgabe dabei ist die eines Verkehrspolizisten. Ich regle, wer wann dran ist. Der macht seine Sache heute gut, der macht seine Sache heute gut und du bist jetzt dran. So ist es also bei jedem Konzert anders.

Du organisierst somit den Ablauf der Musik?

Ja, so kann ich die Richtung, also das Feeling der Musik bestimmen.

Gibt es Einflüsse von afrikanischer Musik in deinen Stücken?

Auf jeden Fall, alles basiert auf Groove. Das macht es in den ersten Minuten etwas langweilig. Wenn man aber dabei bleibt, den langweiligen Punkt überwindet, hat man sich befreit. Dann spielst du einfach nur noch und machst wirklich Musik.

Hast du dich mit der afrikanischen Kultur beschäftigt?

Nein, ich groove nur.

In deinen Texten hast du dich oft mit der Diskriminierung der Afro-Amerikaner in den USA beschäftigt ...

Oh, nein, nicht speziell! Der Geist meiner Musik ist zwar schwarz, aber es geht um ein allgemeineres Problem der Menschen. Es kommt immer zu Auseinandersetzungen. Es gibt zwei Parteien, die einen besitzen etwas und die anderen nicht. Und diejenigen, die etwas besitzen, kontrollieren den Rest der Welt. Oder die Armen bekämpfen sich gegenseitig. Die Jungen gegen die Alten. Mann gegen Frau, die Staatsgewalt gegen die Bürger, usw. Die Leute mit Geld haben nur nicht so ein Problem damit. Die Schwierigkeiten zwischen den Rassen sind nur der Ausdruck eines strukturellen Problems, das uns ständig beschäftigt. Die Rassendiskriminierung einzeln zu betrachten, halte ich für verfehlt. Ich habe keine Feinde, mit denen ich mich absolut bekämpfen würde. Wenn man miteinander nicht klar kommt, kann man sich auch aus dem Weg gehen. Außerdem muss man auch nicht für immer aufeinander sauer sein. Man darf sich auch nicht gegenseitig für die eigenen Probleme verantwortlich machen und dann sagen, die anderen Armen, die Weißen oder die Schwarzen haben schuld. Wir ärgern uns ständig gegenseitig und wenn es nur für ein paar Minuten ist. Das hält uns ständig auf Trab, das ist nicht gut.

Es ist also nicht ein Problem, ob man schwarz oder weiß ist?

Nein, es ist eher der Fall, dass die Menschen von sehr gerissenen und mächtigen Leuten manipuliert werden. Sie arbeiten im Hintergrund und haben viel Geld, man sieht sie nicht. Die Politiker sind auch nur deren Puppen, die arm dran sind. Du bist aufgebracht und willst was gegen die Situation tun, doch dann triffst du nur die Falschen.

Gibt es aber trotz dem etwas, was die Regierung tun könnte?

Bildung ist sehr wichtig. Die Kinder müssen mehr lernen, denn sonst sind sie später auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Außerdem brauchen wir mehr Sozialarbeiter, die den Jugendlichen beibringen, wie man vernünftig miteinander umgeht. Sie bekämpfen sich sonst gegenseitig oder werden kriminell. Das kostet uns Milliarden von Dollar, gegen Kriminalität und Drogenkonsum vorzugehen. Wegen fehlender sozialer Fähigkeiten entstehen auch Kriege. Das hält uns alles so in Atem. Es ist schwierig, die wahren Probleme zu erkennen. Die einfache Lösung ist es, zu sagen, die Schwarzen sind schuld oder irgendeine andere Bevölkerungsgruppe. Wir beschäftigen uns in unseren Stücken mit diesen Problemen, aber wir greifen niemanden spezielles an. Sir Nose (eine Figur aus dem P-Funk-Universum) steht für die Schuldigen, für die Seite des Geldes. Alles was wir machen, ist, mit der "Bop Gun" auf ihn zu schießen und ihn so zum Tanzen zu bringen. Wir wollen ihn nicht töten, sondern nur dingfest machen. Ihn umzubringen, würde das Problem nicht lösen. Man muss nämlich aufpassen, dass man nicht genauso wird wie er.

Was sind deine musikalischen Pläne für die nächste Zeit?

Ich werde einige Alben machen.

Wirst du andere Musiker produzieren?

Ich werde mit J. T. Money zusammen arbeiten. Ich bringe eine neue Single raus. Mit Busta Rhymes, Redman und Snoop mache ich auch etwas.

Vor ein paar Wochen habe ich Busta Ryhmes live gesehen. Da hatte ich die Idee, es wäre klasse, euch beide mal zusammen auf der Bühne zu erleben.

Ja, das würde Spaß machen, definitiv! Ich bin ein Fan von ihm. Eminem ist auch super. Den habe ich schon gesehen, als er fünfzehn Jahre alt war. Er hat dermaßen gegroovt, da dachte ich schon, dass er mal gute Sachen machen wird.

Maceo Parker ist gerade in Europa auf Tournee und Bootsy Collins kommt demnächst nach Deutschland. Trefft ihr euch jetzt hier irgendwo?

Mit Bootsy habe ich vor vier Wochen die Musik für einen Werbespot gemacht. Mit Maceo habe ich mich letztes Jahr mal in Paris getroffen. Dieses Jahr ist nichts geplant, aber nächstes Jahr werden wir eine Tour zusammen machen.

George, vielen Dank für das Interview.

Ich hoffe, wir werden uns noch später bei dem Konzert sehen und ihr werdet richtig abgehen.

Wir werden mit Sicherheit unseren Spaß haben.

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