laut.de-Kritik

Ein persönlicher Abschiedsbrief.

Review von

Was soll man schreiben, wenn ein alteingesessener, wenngleich etwas in Vergessenheit geratener Künstler sein letztes Album ankündigt? Dazu noch eines, in dem er nach eigenen Angaben sein Innerstes präsentiert und verarbeitet? Normale, "objektive" Maßstäbe anzusetzen, wäre unangemessen.

Glen Campbell leidet an Alzheimer und wird nach einer kurzen Tour zum vorliegenden Album seine musikalischen Aktivitäten einstellen. Die begannen vor etwa 60 Jahren und führten eines von 12 Kindern eines Bauern in Arkansas in den Pop- und Country-Olymp. Allein 1967 gewann Campbell vier Grammys.

Nachdem er 2008 seine bekanntesten Lieder noch einmal mit Green Day, Dave Grohl, Tom Petty und Fran Healey aufgenommen hat, setzt er diesmal auf neues Material, sowohl aus eigener Feder als auch in Auftrag gegebenes, darunter "Nothing But The Whole Wide World" von Jakob Dylan und den Titeltrack von Paul Westerberg von den Replacements.

Heraus gekommen sind intime Geständnisse. "I've tried and I have failed Lord / I've won and I have lost / I've lived and I have loved Lord / Sometimes at such a cost / One thing I know / The world's been good for me / A better place awaits / You'll see", erklärt Campbell gleich zu Beginn des Openers.

Das Album sei "eine Reihe von Schnappschüssen, die mein Leben und meine Karriere erzählen. Mein Leben war besser, als ich es mir jemals hätte vorstellen können", schreibt er im Booklet. So erklärt sich auch der Titel: Hinter dem heutigen Campbell verbergen sich viele historische, die wie Gespenster im Hintergrund bleiben. Ein Mann mit vielen Facetten eben.

Der Vergleich mit Johnny Cash drängt sich geradezu auf. Besonders im Opener, der mit Gitarre und Stimme auskommt. Wobei Campbell nicht unbedingt den Kürzeren zieht: Während Cash zum Schluss kaum noch eigene Lieder schrieb und nur noch das einsang, was ihm Rick Rubin vorlegte, hat sich Campbell die Mühe gemacht, selbst zum Stift zu greifen und seine Gedanken in eigene Worte zu fassen.

Doch während Rubin es verstand, Cash und seine Stimme in den Mittelpunkt zu stellen und etwas Zeitloses zu schaffen, sind Campbells Abschiedsbotschaften in ein schwülstiges Country-Korsett eingezwängt. Da nutzt es nichts, versierte Gitarristen wie Brian Setzer und Dick Dale mit an Bord zu haben.

"In My Arms", auf dem beide zusammen mit Chris Isaak spielen, ist das beste Stück des Albums. Leider ist es eines der wenigen erträglichen, denn ansonsten geht es viel zu country-poppig für durchschnittliche europäische Ohren zu. Stellenweise gibt es gute Ansätze, wie etwa das wehmütige, instrumentale "Valley Of The Son" mit Klavier und Oboe. Angenehm fällt auch die ruhige Stimmung von "Nothing But The Whole Wide World" auf - dem ein einfacheres Arrangement aber deutlich besser gestanden hätte als das hier erarbeitete.

Warum sonst Chart-Schund mit Synthie-Streichern und unnutzen elektronischen Frickeleien die Tracklist füllt, bleibt ein Rätsel von Produzent Julian Raymond. Weitere Gastmusiker von den Dandy Warhols (in "Strong") oder Smashing Pumpkins (Billy Corgan ist einer der Gitarristen im abschließenden "There's No Me … Without You") hätte er auch deutlich besser einbinden können.

Dass sich ein begabter Songschreiber und Gitarrist wie Campbell mit einem solchen Album verabschiedet, ist traurig. Zum Glück müssen wir uns nicht wegen "Ghost On The Canvas" an ihn erinnern.

Trackliste

  1. 1. A Better Place
  2. 2. Ghost On The Canvas
  3. 3. The Billstown Crossroads
  4. 4. A Thousand Lifetimes
  5. 5. It's Your Amazing Grace
  6. 6. Second Street North
  7. 7. In My Arms
  8. 8. May 21st, 1969
  9. 9. Nothing But The Whole Wide World
  10. 10. Wild And Waste
  11. 11. Hold On Hope
  12. 12. Valley Of The Son
  13. 13. Any Trouble
  14. 14. Strong
  15. 15. The Rest Is Silence
  16. 16. There Is No Me ... Without You

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