laut.de-Kritik
Ein Tanz auf der Rasierklinge.
Review von Alexander CordasMit jedem Album häuten sich Goldfrapp und präsentieren der Öffentlichkeit eine neue Facette ihres Schaffens. Von verträumt verspielten Sounds bis hin zu bratzigem Elektro-Wumms reicht ihre Palette.
2010 setzen Alison Goldfrapp und Will Gregory ihren Hörern einen Bastard aus 80er Synthiepop, Schlager und Hi NRG-Elementen vor. Das passt in den bisherigen stilistischen Zickzack-Kurs, den das Duo seit "Felt Mountain" aufs Parkett legt. Dabei gelingt den Briten das Kunststück, aus den oben genannten musikalischen Banalitäten ein schönes Stückchen Popmusik zu basteln.
Nach wie vor spielen die beiden in der Melodiesport-Liga ganz weit vorne mit. Die Vorab-Single "Rocket" gibt schon zu Beginn die Richtung vor, in die "Head First" die folgenden knapp 40 Minuten geht. Die ein oder andere Reminiszenz an den eigenen Back-Katalog geht dabei völlig in Ordnung. Etwas unspektakulär, aber in gewohnt fluffiger Atmosphäre vorgetragen, gelingt auch Album Nummer fünf.
Die Faszination der Goldfrapp'schen Kompositionen glänzt nicht mehr ganz so hell und strahlend. Vielleicht stand im Vorfeld das Adenauer-Motto 'Keine Experimente' im Vordergrund? Obwohl ... "Voicething" ist ebendies. Am Ende der Trackliste geparkt, legt Alison ihre Stimme als Rhythmus- und Melodie-Instrument in vielfacher Variation über simple Sound-Spielereien aus dem Synthie. Mehr von dieser Gangart hätte dem Album gut getan. Nicht, dass die Songs an sich schlecht wären, den einen oder anderen Überraschungseffekt vermisst man letztendlich doch.
So gleiten die Songs in schönem Wohlklang am Ohr vorbei, gespickt mit allerlei cheesigen Effekten, wie Tom-Drums der Marke Modern Talking, Space-Effekten direkt aus den 70ern und Schubidu-Chören, die kein Schlagersänger besser intonieren könnte. Das Beste: Es funktioniert trotzdem. "I Wanna Life" könnte direkt aus neonlichtbestrahlten Discos der Achtziger stammen. Schulterpolster und toupierte Friese inklusive.
"Alive" hingegen weckt mit flirrenden Effekten und pumpenden Bassläufen Erinnerungen an den genialen Captain Future-Soundtrack von Christian Bruhn. Zwischen Coolness und Bad Taste, zwischen Olivia Newton-John und Amanda Lear auf der einen und Alison Goldfrapp auf der anderen Seite bewältigt "Head First" den Tanz auf der Rasierklinge. Erneute Häutung gelungen.
8 Kommentare
Oh, wir haben es mit "Head First" wohl mit dem ersten Vier-Punkte-Album von Goldfrapp zu tun. Schade. Aber, naja, die erste Single "Rocket" ist auch ein eher wenig spannender Song. Wobei mich bis auf "Utopia" keine erste Single ("Train", "Ooh La La", "A E") bisher gekickt hat.
Zuerst: Ich fand die 80er musikalisch im Großen und Ganzen eher grottig. Trotz Abba, die ich aber eher den 70ern zuordne. Insofern hielt sich meine Begeisterung über Goldfrapps neuen Sound doch sehr in Grenzen. Die erste Single Rocket hat mich dann auch nicht gerade aus den Socken gehauen. Nun nach einem ersten Durchhören fällt mein Fazit etwas milder aus. Kein großer Wurf, manches Stück wirkt fast sogar ein wenig belanglos. So wie die 80er eben. Insgesamt ist die neue Scheibe aber ok. Der eine oder andere Song hat durchaus Ohrwurmpotenzial. Drei Sterne. Album 6 darf gerne wieder triphopiger werden. Back to the roots Meine Favoriten sind: Believer und Hunt. Voicething ist mir persönlich zu experimentell.
da ich alle andern alben von denen habe kaufe ich mir das auch
trippidihoppiger, alles klar, FLANDERS!!
@nicht ihn nicht er (« trippidihoppiger, alles klar, FLANDERS!! »):
das zeigt uns also, dass jeder ein wenig trip-hop im blut hat. nur sollte man dem guten ned nicht unbeding alle klassiker des genres vorspielen (ich denke da an maxinquaye )
Wie so immer bei Goldfrapp, war anfangs gar kein Fan von 'Head First'. Zumal "Rocket" schon ein wenig mit seiner schaumig weichen Melodie die Hörnerven strapaziert. Insgesamt fällt das Schaffen von Allison und Will deutlich simpler und eingängiger aus, als auf 'Supernature', das auch diesem 80s-Dancefloor-Sound mit seinem Electro-Clash-Galopp huldigte. Doch abgesehen von der Tatsache, dass es schon ein wenig verwunderlich ist, wie konsequent Goldfrapp ihren Sound-Stil beibehalten und doch pro Album immer etwas anders klingen.
Mir gefällt dieses Album, abgekoppelt vom Rest des Duos, irgendwie sehr gut. Bis auf eben ein paar solide Ausrutscher ("Rocket", "Voicething") fesseln mich vor allem die Tracks, wie das mit (absichtlich?) billigen Effekten zugekleisterte "Alive", das hoppelnde "Believer", das ätherische "Dreaming", der Titeltrack, welcher problemlos zu jeder x-beliebigen High-School-Prom gespielt werden könnte, die düster heimsuchende "Hunt" oder das samtene, völlig unscheinbare "Shiny and Warm". "I Wanna Life" ist mein Lieblingstrack auf dem Album. Warum der nicht als erste Single gewählt wurde, bleibt für mich bis heute schleierhaft ...
'Head First' braucht eine Weile, um sich voll und ganz beim Hörer zu entfalten. Wertung: definitiv 4/5 Sternen.