laut.de-Kritik
Da erschließen sich ganz neue Welten.
Review von Dani Fromm"Ich will, dass man auf dieser Platte die Hitze der Wüste spürt", zitiert die Spex Gonjasufis Absichten. Mission erfüllt: "A Sufi And A Killer" macht weit mehr als nur mörderische Studiotemperaturen akustisch erfahrbar. Dieses Album klingt nach Sand im Getriebe - buchstäblich wie im übertragenen Sinne.
Was zu vielen seiner Kollegen fehlt, Gonjasufi führt es im Überfluss ins Feld: Mut zum Experiment. Seine musikalischen Wanderungen vollziehen sich durchgehend abseits ausgetretener Pfade, führen in Gefilde, die nie zuvor eines Menschen Fuß betreten hat.
Uralt anmutende, mystische Klänge verbinden sich mit orientalischen Melodien, angerissenen Hip Hop-Beats und Spuren aus Easy Listening, Beat, Rock, Soul und Funk. Geräusche und Stimmfetzen finden Eingang in wirre Loops.
Wie ein Schleier liegen atmosphärisches Knistern und elektrostatische Entladungen über den roh zusammengewürfelten Brocken. Ähnlich den Steinchen im Inneren eines Kaleidoskops scheinen all diese Versatzstücke aus jeder Perspektive ein neues Gesamtbild zu ergeben.
Nur wenige Tracks knacken die Drei-Minuten-Marke. Eine oder zwei Minuten genügen meist, um eine Idee zu skizzieren und ihren Reiz auszuschöpfen. Auch ohne Ausnudelei entwickelt so gut wie jede Nummer hypnotisches Potenzial.
Zwingende Macht steckt in der Stimme Gonjasufis, für die Mitstreiter Flying Lotus höchst treffende Worte fand: "timeless, incredible filth". Meist von weit her blechern scheppernd, als habe man sie über ein Dosentelefon aus Kindertagen eingesungen, ergießen sich die Vocals ins diffuse Soundbett.
Gonjasufi wirkt getrieben, dabei zugleich ungeheuer fesselnd. Wie eine Beschwörungsformel mutet die wieder- und wiederkehrende Bitte in "Ancestors" - "Ancestors, take my hand! - an. Autistisches Mitwippen stellt sich ein, totale Selbstaufgabe angesichts des brüchigen, keiner Konvention gehorchenden Gesangs.
Beackern "SuzieQ" oder "Stardustin'" erdiges Rock-Terrain, verströmt "Change" den Charme einer Soul-Nummer aus den 60er Jahren. "Candylane" reitet einen funky Disco-Groove, "Klowds" bedient sich fröhlich schunkelnder Hippie-Gitarren.
Was auch immer als Grundlage für Gonjasufis verrückte, zuweilen saumäßig anstrengende, deswegen jedoch kein Stückchen weniger faszinierende Klang-Collagen heranzieht: Nichts findet Verwendung, ohne dass es zuvor zerkratzt, ordentlich eingestaubt und verzerrt worden wäre. In Zusammenarbeit mit Produzent The Gaslamp Killer schichtet Gonjasufi Soundgebirge auf, die an Vielseitigkeit ihresgleichen suchen.
Nie zuvor habe ich mich beim Genuss einer einzigen Platte zugleich an indianische Stammesgesänge, Jamiroquai, Herrn Rossi auf seiner Glück-Suche, französische Chansons, "In-A-Gadda-Da-Vida", David Bowie, Nahtodeserfahrungen, The Doors, die Space-Bar im Café Mokka zu Thun, Jimi Hendrix, Isaac Hayes, Schlangenbeschwörer, die halbe Flower-Power-Bewegung, mexikanische Folklore und - bewahre! - Schlager erinnert gefühlt.
Mit jedem Durchlauf stellen sich andere Assoziationen ein. Jedesmal erschließen sich neue Welten. Ich bezweifle, dass all das ohne den Einfluss bewusstseinserweiternder Drogen entstanden sein kann. Gonjasufis künstlerische Eigenständigkeit erreicht beängstigende Ausmaße.
"Take your own advice as if it was mine. You could save some lives. You could save some time." Zeitverschwendung hört sich definitiv anders an.
7 Kommentare
bereits gekauft. wirklich ein wunderschönes album und das fly lo zitat passt perfekt!
Nie gehöhrt von dem Typ...klingt aber sehr, sehr interessant.
Ja, sogar hochinteressant. Eine Scheibe, die es auch nach 6x hören noch ist. Ich zähl weiter...
erst im negativen bereich entfaltet sie all ihre facetten!
Bisher meine Platte des Jahres
die review klingt eher nach 5/5 und das hätte das album auch verdient