laut.de-Kritik

Scheiß aufs Sommer-Camp - der Schneekönig kommt!

Review von

Manche kommen einfach nicht zu Potte. Anderen fahren die äußeren Umstände in die Parade. Greckoe fällt wohl eher in die zweite Kategorie: Er hatte das Nachfolgealbum zu "Typisch Griechisch" bereits beinahe vorzeigefertig, als ihm das Ende seines Labels Sektenmuzik einen dicken Strich durch die Planung machte.

Wenn man sich - besonders als erklärter Business-Verächter - plötzlich gezwungen sieht, sich selbst in Strukturen und Vertriebswege einzufuchsen, kann das durchaus bremsen. Rückblickend machts nix: Greckoe ist "Wieder Da". Seiner "Scheinwelt" ist die Jahre währende Reifezeit blendend bekommen.

"Nein, ich bin noch längst kein Superstar", fällt seine Selbstverortung realistisch aus. "Aber meine Flows können mithalten von hier bis in die USA." Klappern gehört seit jeher zum Hip Hop-Handwerk, und Greckoes temporeich in die Runde gespuckte Rückmeldung untermauert den Anspruch.

Zur ordentlichen Technik gesellen sich clevere Reime und Grammatikspielchen: "Manchmal merk' ich, dass ich nur die Satzstellung ändere. Denn nie hätt' ich gedacht, dass ich mal Groupies haben würde. Und heute glaub' ich, niemals haben Groupies Würde." Hatte der Kerl solches eigentlich auch zu Sekte-Zeiten schon drauf? Greckoe präsentiert sich hier und heute jedenfalls überaus sympathisch, gewitzt und vielseitig.

Letzteres spiegelt sich in der Themenwahl. Statt wie auf dem Vorgängeralbum seine griechischen Wurzeln zum alles beherrschenden Knackpunkt zu erheben, spielt seine Herkunft diesmal höchstens am äußersten Rand eine Rolle. Greckoe widmet sich stattdessen ganz kleinen Themen - oder ganz harten Brocken.

Mit erfrischender, geradezu kindlicher Begeisterung feiert er - "Ich scheiß' doch auf dein Sommer-Camp!" - seine Vorliebe für den Winter ("Schneekönig") oder beschreibt einen dieser Tage, an denen einem einfach nichts gelingen mag und man sich mit einem entnervten "Mann, ich will ins Bett!" vor aller Welt verkriechen will ("Nicht Mein Tag").

Greckoe unternimmt Ausflüge ins Phantastische ("Hokuspokus"), ins Paranoide ("Ich Seh Was ...") oder stürzt sich "Mit Haut Und Haaren" in die wütende Verteidigung der eigenen Arbeit. Ganz Beißreflex rennt er sehenden Auges in eine Niederlage, die er mit offenen Armen empfängt. So sterben die Großen.

Zwischenmenschliches steht auf dem Spiel, wenn Greckoe mit der "Eisprinzessin" hadert oder in "Wer Bist Du?" oder "Scheinwelt" wahlweise mit falschen Freunden oder oberflächlichen, geldgeilen Frauenzimmern abrechnet. Viele Liebeserklärungen hat das besungene zickige Gegenüber bereits vernommen, "Rette Mich" zählt zu den bewegendsten Interpretationen eines eigentlich überstrapazierten Themas.

Greckoe packt aber auch heiße Eisen an. Gemeinsam mit Uralt-Kumpel Butch versetzt er sich in "Wofür" wechselweise in die Lage eines Berufssoldaten und eines Familienvaters in einem Kriegsgebiet. Die Kämpfe mögen irgendwann enden, Narben und Traumata bleiben ewig. "Immer Wenn Es Regnet" skizziert die Entstehungsgeschichte eines Amoklaufs. Man merkt dem Track an, dass sich Greckoe des Spaziergangs auf Messers Schneide bewusst ist und er sich Gedanken gemacht hat. Er will verstehen, nicht relativieren oder sich gar auf Kosten von Opfern und Angehörigen in Szene setzen.

Sein Faible für eingängige Hooklines kann und will Greckoe bei alldem nicht verbergen. Da er dabei nirgends in schmalzige R'n'B-Sümpfe abgleitet, schadet die zelebrierte Sangeslust überhaupt nicht. Sie ergänzt vielmehr die in der Mehrzahl synthetischen Instrumentals, die mal klassisch-nobel ("Wieder Da"), mal bedrückend ("Ich Seh Was ..."), mal derbe ("Sag Niemals Nie") ausfallen.

Zahlreiche Gäste runden die Geschichte ab. Marsimoto schaut vorbei, Serk, Bass Sultan Hengzt und Silla. She-Raw wird dankenswerterweise mal nicht nur zum Hookline-Mäuschen degradiert, sondern beweist im Titeltrack auch ihr Rap-Talent. Basstard gibt, brillant besetzt, den Türsteher, der in Greckoes "Scheinwelt" willkommen heißt - und einen am Ende unter dreckigem Gelächter wieder nach draußen komplimentiert. "Ich hoffe, sie hatten einen angenehmen Aufenthalt ... Begrüßen sie uns bald wieder. ... Sie wissen, wo Sie uns finden." Gerne!

Trackliste

  1. 1. Eingang
  2. 2. Wieder Da
  3. 3. Sag Niemals Nie feat. Marsimoto
  4. 4. Eisprinzessin
  5. 5. Ich Seh Was ... feat. Silla & Basstard
  6. 6. Immer Wenn Es Regnet
  7. 7. Hokuspokus
  8. 8. Wofür feat. Butch
  9. 9. Skit
  10. 10. Mit Haut Und Haaren
  11. 11. Nicht Mein Tag
  12. 12. Wer Bist Du? feat. Bass Sultan Hengzt & Serk
  13. 13. Skit
  14. 14. Scheinwelt feat. She-Raw
  15. 15. Schneekönig
  16. 16. Rette Mich
  17. 17. Ausgang

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Greckoe – Scheinwelt €9,35 €3,00 €12,35

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Greckoe

"Du willst Beef?" In seinem Track "Typisch Griechisch" winkt Greckoe ab. "Verzieh' dich. Ich bin zu entspannt." Eigentlich passt er so gar nicht in die …

Noch keine Kommentare