laut.de-Kritik

Das finale Album der Indie-Heroen.

Review von

Da geht man mal kurz in Urlaub, schaut für ein paar Wochen nicht so genau hin, und - rabautz - veröffentlichen Guided By Voices ein neues Album. OK, erstmal nichts Ungewöhnliches, angesichts der legendären, manischen Produktivität des - fünf Mark ins Phrasenschwein - GBV-Masterminds Robert Pollard. Ein, zwei, drei Alben pro Jahr sind für ihn normaler Output. Nebenprojekte mal gar nicht mitgezählt.

Doch diesmal ist es anders. "Half Smiles Of The Decomposed" wird als 'finales Album' annonciert. Pollard löst die Band auf, will fortan nur noch solo sein und trägt daher, obwohl ohnehin einziges ständiges 'Band'-Mitglied, auch das Markenzeichen 'Guided By Voices' zu Grabe. Letzte Gelegenheit also für Musikkritiker, von den Beatles und den Who zu fabulieren und die bodenlose Ungerechtigkeit einer Welt zu beklagen, die die Indie-Rock-Genialitäten GBVs mit Nichtachtung straft und lieber R.E.M. hört.

Man möchte sich mit Wonne anschließen, baden im Besserwissen, das hohe Lied des Alternative-Gottes Pollard singen, der zum Abschluss noch einmal sich selbst übertrifft, den Absprung schafft, wenn es am schönsten ist. Indes: so ist es nicht. "Half Smiles ..." ist ein eher durchschnittliches GBV-Album, die ganz großen Hits, die einen sonst so reinsaugen in die Werke Pollards, sind diesmal auf eigenartige Weise abwesend.

Ist es nur das Wissen um den Abschied oder blinzelt da zwischen den zweifellos wieder hübschen Melodien und schrulligen Lyrics die Müdigkeit durch? Irgendwie jedenfalls passt dieses Finale dann doch wieder gut zum Gesamtwerk GBVs, ja zur kompletten Karriere Robert Pollards. Die nachzuverfolgen, sei hier noch einmal allen Nachwuchs-Rockern und Indie-Kids eindringlich empfohlen. Wer dafür kein dreiviertel Jahr Zeit hat, wähle die 2003 erschienene Best Of "Human Amusements At Hourly Rates". Tschüss GBV.

Trackliste

  1. 1. Everybody Thinks I'm A Raincloud (When I'm Not Looking)
  2. 2. Sleep Over Jack
  3. 3. Girls Of Wild Strawberries
  4. 4. Gonna Never Have To Die
  5. 5. Window Of My World
  6. 6. The Closets Of Henry
  7. 7. Tour Guide At The Winston Churchill Memorial
  8. 8. Asia Minor
  9. 9. Sons Of Apollo
  10. 10. Sing For Your Meat
  11. 11. Asphyxiated Circle
  12. 12. A Second Spurt Of Growth
  13. 13. (S)Mothering And Coaching
  14. 14. Huffmann Prairie Flying Field

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2 Kommentare

  • Vor 20 Jahren

    Zwei Alben ("Universal Truth And Cycles", "Earthquake Glue") und ein denkwürdiges Konzert im Berliner Knaack-Club lang dauert meine Beziehung zu dieser Gruppe. "Half Smiles Of The Decomposed" ist das letzte Werk, das der Sänger und Songwriter Robert Pollard unter diesem Namen herausgibt und für mich persönlich jedenfalls hört er wirklich auf, wenns am schönsten ist. Es klingt vielleicht am ehesten nach R.E.M., wenn man einen bekannten Namen zum Vergleich heranziehen müsste. Aber nicht wie sie aus der Tradition von den Byrds, sondern eher von "The Who", also etwas rockiger. Vor allem aber besser. Lo-Fi ist dieses Album übrigens überhaupt nicht. Würde aber auch nichts machen - so gut sind die Songs. Die eingängigsten Titel sind schätzungsweise "Girls Of Wild Strawberries", "WIndow Of My World" und "The Closets Of Henry". "Durststrecken" gibt es eigentlich keine. Eine ganze Platte mit Songs vom Format "Pictures Of Lilly" (Who), "Free Falling" (Tom Petty) oder "We Can Work It Out" (Beatles).

  • Vor 20 Jahren

    Ich habe bisher nur ein paar Songs vom neuen Album gehört, werde aber versuchen mir in nächster Zeit das Album auf irgendeine Art und Weise zu besorgen.
    Aber das was ich gehört habe, gefällt mir recht gut. Ich würde es als den guten alten GBV-stil bezeichnen. "The Closets Of Henry" und "Everybody Thinks I Am A Raincloud (...)" sind meine bisherigen Favoriten.
    Dennoch kommt es nicht ganz an die alten Sachen ran, meiner Meinung nach.