laut.de-Kritik
Mit Elektronika versetzter, seltsam schöner Folk.
Review von Benjamin FuchsDie Heimat der beiden Gründungsmitglieder von Half Cousin, Kevin Cormack und Jimmy Hogarth, ist eine verträumte Inselgruppe nördlich von Schottland. Wikinger haben dort einst ihre Lager aufgeschlagen. Heute geht es eher friedlich zu, bürgerliche Tätigkeiten haben das Brandschatzen abgelöst.
Zwar sind Half Cousin mittlerweile nach London gezogen, doch die Songs auf ihrem Erstling "The Function Room" sind laut Cormack noch von Erlebnissen in der Heimat geprägt. Beim Hören des krude-meditativen Songs "On The Way Down" ist das auch gut nachvollziehbar. Glaubt man doch an ganz ruhigen Stellen, sanften Seewind über saftig-grüne Wiesen streichen zu hören.
Den Sound zu beschreiben, ist keine leichte Aufgabe. Im Grunde machen die Schotten mit allerlei Elektronika versetzte, seltsam schöne Folksongs. Gitarre und Akkordeon sind noch die normalsten Instrumente in dieser Geräuschpalette. Ansonsten entlocken die Cousins auch gerne mal Holzlöffeln, Abfalleimern oder Kleiderbügeln in bester Neubauten-Manier schräge Laute.
Dennoch schaffen sie es, überwiegend Songs hervor zu zaubern, die sich an den Hörer schmiegen, anstatt ihn aufzukratzen. Zwar zieht die britische Musikpresse bereits Vergleiche zu Künstlern wie Tom Waits oder Nick Drake, aber Arab Strap scheinen doch die treffendere Referenz zu sein. Um die musikalischen Fassetten zu umreißen, reichen aber auch diese nicht aus.
Einer der vielen Höhepunkte des Albums ist "Hindsight". Ist tatsächlich zu hören, wie Cormack sich noch auf einen Sessel setzt, bevor er anfängt die Gitarre zu bezupfen? Jedenfalls schaffen diese Nebengeräusche sofort eine organische Atmosphäre. Der Song klingt einfach nach Wohnzimmer, Gemütlichkeit und auch ein wenig nach Hafenkneipe. Mitten drin: Cormacks jenseitig schöner Gesang. Dieses Stück verlangt einfach nach Auto-Repeat, denn der einzige Makel ist seine Kürze.
Der Opener des Albums ist das einzige etwas knalligere Stück. "Country Cassette" ist eine Mixtur aus stampfendem Bass und einem Beat, der klingt, als schlüge jemand mit Metallbesteck auf einen Küchentisch. Der Refrain dagegen bleibt zurückhaltend instrumentiert und brennt sich sofort ins Gehör ein. Faszinierend, was alles passiert. In dieses Album kann man sich verlieben: verspielt, düster und aufmunternd zugleich. Das soll erst mal einer nachmachen.
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