laut.de-Kritik

Schillernde Science-Fiction voller Trauer und Einsamkeit.

Review von

Die Beschwerden über den "Interstellar"-Soundtrack reißen nicht ab. Im Internet empören sich Kinogänger, Hans Zimmers Score sei schlichtweg zu laut und überdecke die Dialoge.

Ein Forschungsteam reist durch ein Wurmloch und versucht, einen Planeten zu finden, auf dem die Menschheit nach dem drohenden Kollaps der Erde weiter existieren kann. Fast scheint es, als wolle Regisseur Nolan manch einen Logikfehler in seinem Film bewusst übertönen. Ein IMAX-Theater sah sich gezwungen, dies bereits vor dem Film klar zustellen: "Bitte beachten Sie, dass unsere Tontechnik ordnungsgemäß funktioniert. Christopher Nolan legte beim Abmischen den Schwerpunkt auf die Musik. So, wie es klingt, soll es klingen."

Nach der "Batman"-Trilogie und "Inception" arbeiten Nolan und Zimmer als mittlerweile eingespieltes Team zum fünften Mal zusammen. Für den Filmemacher bildet der Soundtrack und dessen Abmischung einen wichtigen Teil seiner Erzählweise. Mehr als seine Darsteller stellt "Interstellar" Optik und Klang in den Vordergrund des Geschehens. Beide gehen Hand in Hand. "Ich habe immer schon Filme geliebt, die Sound auch auf eine impressionistische Weise einsetzen", erklärt Nolan. "Ich weiß, dass das eine ungewöhnliche Herangehensweise für einen Hollywood-Blockbuster ist, aber ich empfinde es als vollkommen richtig für einen solch experimentellen Film."

Erst von der Lautstärke des Films getrennt, wird bewusst, wie wenig marktschreierisch Hans Zimmer diesmal zu Werke geht. Captain Jack Sparrow bleibt zu Hause. Statt eine weitere einnehmende Hymne zu schreiben, zieht er sich zurück und konzentriert sich auf die Emotionen, die die Geschichte des Films mit sich bringt. Erst getrennt von den Bildern zeigt sich die wahre Anmut seiner Arbeit.

"Ich werde dir einen Umschlag mit einem Brief darin geben. Eine einzige Seite. Sie beschreibt dir die Fabel, die im Mittelpunkt der Geschichte steht. Du arbeitest einen Tag, danach spiel' mir vor, was du geschrieben hast", lauteten Nolans Anweisungen an den Komponisten. In einer einzigen Nacht entstand auf Klavier und Orgel ein vierminütiges Stück, das der Regisseur als Herz des Films betrachtet.

Um Matthew McConaugheys zunehmende Isolation besser zu begreifen, zog sich Zimmer für einen Monat in seine Londoner Wohnung zurück. "Die eine Seite, die Chris an diesem Tag für mich schrieb, hatte eigenartigerweise kaum etwas mit dem Film zu tun", erläutert der Oscar-Preisträger. "Es war ein sehr persönlicher Text, der eher auf meine eigene Geschichte abzielte. Er weiß, wie er mich berühren kann."

Zimmer setzt die Empfindungen, die Nolan erreichen möchte, perfekter als sein Auftraggeber um. Die unter der Musik versteckten Sätze und das einzelne Individuum verlieren in der Weite des Alls an Bedeutung. Mit der Hilfe einer sakralen Kirchenorgel, schweren Bläsern, anmutigen Streichern und sich verschiebenden Misstönen erschafft der Frankfurter, diesmal weniger Zimmer als viel mehr Philipp Glass, selbst vom Film abgekoppelt interessante und fremdartige Welten. Seine eigene Science-Fiction, voller Trauer und kompromissloser Einsamkeit. Hypnotisch gibt er "Interstellar" allen Raum, sich zu entfalten. Er lässt das Metronom der Zeit wahlweise schneller oder langsamer pendeln. Stellenweise passiert so wenig, dass Jahre, Wochen, Tage, Minuten und Sekunden nahezu einfrieren.

"Interstellar" verdeutlicht zwei Dinge. Christopher Nolan ist nicht Stanley Kubrick. Zwar gelingt ihm mit dem Film ein beeindruckendes Monument, doch verpasst er zu viele Chancen und reißt in den letzten zehn Minuten ein, was er in den Stunden zuvor mühsam aufbaute. Hans Zimmer dagegen befindet sich zeitgleich noch nicht am Ende seiner Entwicklung. In der Unendlichkeit dieses schillernden Soundtracks vollzieht der Fließbandarbeiter, der oft zu viel Wert auf Effekthascherei und Pathos legt, den Schritt auf eine höhere Stufe und legt seine bisher eindringlichste Arbeit vor. "Und du mein Vater, den der bei dir wacht, verdamm' und segne weinend ihn. Hier mein Gebet: Geh' nicht gelassen in die gute Nacht. Verfluch' den Tod des Lichts mit aller Macht." (Dylan Thomas)

Trackliste

  1. 1. Dreaming Of The Crash
  2. 2. Cornfield Chase
  3. 3. Dust
  4. 4. Day One
  5. 5. Stay
  6. 6. Message From Home
  7. 7. The Wormhole
  8. 8. Mountains
  9. 9. Afraid Of Time
  10. 10. A Place Among The Stars
  11. 11. Running Out
  12. 12. I'm Going Home
  13. 13. Coward
  14. 14. Detach
  15. 15. S.T.A.Y.
  16. 16. Where We're Going

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8 Kommentare mit 5 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Ich weiß nicht. Hans Zimmer schwächelt für mich einfach zu sehr. Sicher, der Inception Score war übertrieben und überzogen und nicht schön, da Interstellar aktuell besser. Trotzdem knüpft er nicht mehr an früher an...
    Da hätte ich mir ne Besprechung vom Gone Girl Soundtrack mehr gewünscht :)

  • Vor 10 Jahren

    Ich mag den, auch wenn er schon viel Durchschnitt rausgehauen hat. Der Gladiator OST war mein Einstieg in die Soundtrackwelt! Den zugrundeliegenden Film fand ich typisch Nolan, zum Guten und (vor allem) zum Schlechten, ambitioniert und prätentiös und vollkommen unfähig, subtil zu sein....das fängt der Soundtrack ziemlich gut ein.

    • Vor 10 Jahren

      True. Ich wollte Interstellar wirklich mögen. Finde auch nicht, dass es ein mieser Film ist, die Chance, mal wieder einen richtig guten Science Fiction-Film zu machen, wie es alle Jubeljahre mal vorkommt, wurde aber meiner Meinung nach verschenkt.

  • Vor 10 Jahren

    Ich finde ihn richtig gut. Hatte keinerlei Probleme mit der Lautstärke.

  • Vor 10 Jahren

    Hans Zimmer wird ernsthaft bei Film Score Fans oftmals belächelt, weil weniger orchestral klingt und eben schon sich dem Mainstream stark anbiedert.

    Wer sich dem Mainstream anbiedert. macht ein Produkt und keine Kunst. Dann ist Zimmer nicht mehr als ein Verkäufer. Wobei dieser Soundtrack mal eine willkommene Abwechslung zu all dem Gedröhne in der Batman-Trilogie und Inception ist.

    • Vor 10 Jahren

      Wer für Hollywood-Blockbuster Musik macht, watet ja per se schon knietief im Mainstream. Da kannst du nicht mit experimenteller E-Musik daher kommen. Insofern geht der Vorwurf etwas an der Sache vorbei. Was jetzt aber am "Inception"-Soundtrack so falsch gewesen sein soll, möchte ich mal wissen. Ich fand den ziemlich gut. "Interstellar" hab ich noch nicht gesehen, war aber alleine vom Soundtrack angetan, auch wenn er sich doch sehr bei Glass bedient. Aber wenns dem Ergebnis hilft ...

    • Vor 10 Jahren

      Es ist unter den kompetenten “Film Score Fans “schon länger modisch, Hans Zimmer uncool zu finden, weil der Musik für Blockbuster schreibt, ach ne, der lässt ja sowieso nur andere die Musik für sich schreiben und so.
      Ja ihr habt einen ganz erlesenen Underground Geschmack ihr Kenner!

      Zimmer hat einiges an großartiger Filmmusik geschrieben und der hier viel gescholtene “Inception“ Soundtrack ist für mich einer der stimmigsten und atmosphärischsten Soundtracks die ich kenne.

  • Vor 10 Jahren

    Ich mochte den Film, wozu auch der Soundtrack einen gewaltigen Teil beigetragen hatte. Klar ist Hans Zimmer ein Freund großen Getöses und viel Pathos. Jedoch war ich gerade in diesen Film sehr überrascht, wie wenig überschwelligen Pathos, Zimmer in seinem Soundtrack benutzt. Klar gibt es die zwei Szenen, wo der Score die Form einer Soundwand an nimmt, passte aber in meinen Augen ziemlich gut und gab der ganzen Chose einen sehr epischen Tatsch. Dies machte für mich den besonderen Reiz dieser Szenen aus. So wird das andocken an eine Raumstation, zu einer der dramatischten Sachen, die ich seid langem im Kino gesehen hatte. Gegenseitig, steht da der sehr emotionale Main-Theme. Ein Stück, dass perfekt die Gefühlslage des Filmes einfängt, denn für mich ging es in diesen Film mehr um das Gefühl der Einsamkeit und war in seiner Ganzheit sehr emotional In sich selbst gekehrt, als man es bei der Story und der Aufmachung vermuten könne. Das die Musik zu laut war, hab ich gar nicht gemerkt, bis ich es im Internet gelesen hatte. Ich fand, dass er eigentlich als perfekte Unterlage zu den Bildern passte. Im ganzen für mich der Film des Jahres (war zweimal im Kino, was ich eigentlich nie mache) und Hans Zimmers bester Soundtrack. Und nein, ich bin kein Nolan-Fanboy, wie es in letzter Zeit gerne den Leuten zugesprochen wird, die einfach den Film mögen. Mir gefällt, oder auch misfällt ein Film auch dann wenn er von einen Regisseur gemacht wurde, der eben wie Nolan stark polarisiert.

    • Vor 10 Jahren

      "polarisiert"...das ist nicht Ken Loach oder Takashi Miike. Nolan ist Hollywood, wenn auch zur überdurchschnittlich talentierten Schicht gehörig. Aber polarisierend ist daran gar nix...

  • Vor 7 Jahren

    Ich liebe den Soundtrack zu Interstellar. Schade ist nur, dass das Maintheme komplett geklaut ist von der Band Rachel's und dem Song Tea Merchants. War ich doch etwas geschockt, dass Hans Zimmer den Theme nicht selbst erfunden hat. Hat für mich auch die Frage aufgeworfen, wie gut Hans Zimmer wirklich ist und ob er nicht jemand ist, der einfach weiss, wie man Dinge aufbläht.