laut.de-Kritik

Wildromantisch durch Folk und Schwarzmetall.

Review von

Wie Wikinger-Pathos ganz ohne Kitsch, Saufspiel und Peinlichkeit funktioniert zeigen Helheim erfolgreich seit mehreren Jahrzehnten. Für das 2011er-Werk "Heiðindómr Ok Mótgangr" zückte Kollege Fröwein gar die Bestnote. Ganz so euphorisch kann ich den nun erschienenen Nachfolger zwar nicht abnicken, doch der Daumen bleibt steil nach oben gereckt.

Der Sound, den Helheim auf "runijaR" kredenzen, lässt sich wohl ganz gut als Bastard zwischen In Extremo und Shining einordnen. Sowohl vocaltechnisch wie instrumental. Folklore trifft auf Old School-Black mit teils progressiv-ausufernden Kompositionsstrukturen. Die Norweger fahren eine nicht ganz kleine Bandbreite an Instrumenten auf, die vor allem in Akustikparts punktet.

Damit beginnt es. "Helheim 9" stellt die traditionellen Einflüsse in den Vordergrund und verzichtet komplett auf elektrische und erst recht metallische Unterstützung. Dafür darf Gastvokalist Pehr Skjoldhammer ran und neben Maultrommel und einigen Streichern singen. Besonders Letztere sorgen für Akzente, denn die gewählten Harmonien hört man nicht alle Tage.

Ständig pendeln sie zwischen leichter Atonalität, Altertumsexotik und gewisser Eingängigkeit. Zusammen mit eingestreuten Chorparts ergibt sich eine wunderbar schaurig-erdige Atmosphäre. Gen Ende verwandelt Schlagzeug das bisherige, hypnotische Wiegen in trockenen Groove.

Im Gegensatz dazu im Anschluss "raunijaR": Der Titeltrack peitscht geradlinig voran und bietet hervorragendes Ausdauertraining für die Nackenmuskulatur. Insgesamt ist er mit seinen immerwährenden Tremolosalven zwar fast etwas zu simpel gestrickt, ein gutes Solo sowie pointierte Brüche sorgen jedoch für Abwechslung.

Wesentlich breiter angelegt ist hernach allerdings die Fortsetzung der "Åsgards Fall"-Saga, die Helheim 2010 mit der gleichnamigen MCD begannen. "Åsgards Fall 3" entpuppt sich als über zwölfminütiges Epos, das behäbig startet, sich zunehmend aufbauscht und von aggressiven zu beinahe lieblichen Vocals im Mittelteil wechselt. Wiederkehrendes Einmarschriffing pusht die Epik, erneute Chöre tun ein Übriges. Ab und an stoßen Bläser durch den Untergrund. Ein Synthesizer macht mittels prägnantem Zweitonglissando auf sich aufmerksam.

Nahtlos erfolgt der Übergang zu "Åsgards Fall 4" – anfangs gerade perkussiv eine Offenbarung. Das Stück spielt sich erneut im Mid-Tempo ab, wechselt zwischendurch den Takt, geht aber insgesamt einfacher zu Werke als sein Vorgänger. Im zweiten Teil wälzt sich der Bass herrlich brodelnd unter der Oberfläche, während eine unermüdliche Melodie darüber ihre Kreise zieht und sich schließlich aus dem Nichts das nächste Gitarrensolo schraubt. Allen Soli auf "raunijaR" ist eines gemein: Ihre Art würde man bei der vorgeführten Musik nicht unbedingt erwarten. Helheim schaffen es jedoch, sie perfekt zu integrieren.

"Odr" setzt dies fort und schenkt zum Abschluss eine weitere tolle Sechssaiter-Performance. Zuvor flirtet der Song noch latent mit Western-Trademarks. Außerdem kommen im Chorpattern nun auch Weibchen zum Einsatz, was einen schönen Kontrast zum doch recht auf harten Mann gepolten Gesamteindruck darstellt. Und natürlich: Auch "Odr" überzeugt rhythmisch ganz und gar. Hrymrs Drumming fällt meist nicht mal sonderlich kompliziert aus, stellt aber trotzdem das Element dar, das nach dem Hören des Albums am stärksten im Gedächtnis haftet.

Wobei: Die Streicher-Coda, die "Odr" ganz zum Schluss, unterstützt von Klavier, noch auffährt, ist ebenfalls verdammt großes Kino. Wild, rau, mystisch und irgendwie romantisch zieht der Bogen über die Saiten. Ein variabler Tanz, den Helheim auf ihrem achten Album aufführen. Erfrischend, nostalgisch, mit großem Pathos, aber auch dem Gespür für Zurückhaltung. Angesichts der Qualitäten der Band nicht unbedingt eine Überraschung, aber eine willkommene Bestätigung.

Trackliste

  1. 1. Helheim 9
  2. 2. raunijaR
  3. 3. Åsgards Fall 3
  4. 4. Åsgards Fall 4
  5. 5. Odr

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