laut.de-Kritik
"Kennt ihr jemanden, der besser und klarer singt als ich?"
Review von Alex Klug"Mensch live", "12 live", "Live In Leipzig", "Dauernd Jetzt live" – Grönemeyer-DVDs füllten in den letzten Jahren zur Genüge die Ladenregale. Für ein standesgemäßes Live-Album ließ sich Herbie infolge der emotionalen Neuausrichtung 2002 hingegen einige Jahre Zeit. Dem mittlerweile kaum noch repräsentativen "Grönemeyer live" von 1995 folgt nun "Live In Bochum". Aus der ehemaligen Heimat, für die ehemalige Heimat, nicht zuletzt als Huldigung an das karriereinitiierende "4630 Bochum"-Album. Wo sonst wird Grönemeyer zwei Tage in Folge von jeweils 30.000 Menschen empfangen als in der Stadt, der er vor mittlerweile 32 Jahren die unantastbare Lokalhymne bescherte?
Und so kommt es, dass "Bochum" im Jahr 2014 um eine weitere Strophe ergänzt wird. "Du hast den Ruß abgewaschen / und deine Öfen sind kalt / doch deine Zechen sind voll Leben / hier wird getanzt, gelacht / das Morgen ausgedacht / gefördert wird, was lebt!" Eine Bestandsaufnahme der ehemaligen Kohlestadt im 21. Jahrhundert, im Rahmen eines Radio-Bochum-Wettbewerbes von einer Grönemeyer-Hörerin getextet.
Dabei ist es gerade der Durchschnitts-Radiohörer, der womöglich nicht gleich den besten Zugang zu "Live In Bochum" finden dürfte. Sicher, mehr Hits und Fan-Favorites hätten wohl kaum noch in die Setlist gepasst, musikalisch und stimmungstechnisch gibt es ebenso wenig zu meckern. Dennoch dürfte dem geneigten Grönemeyer-Konzertbesucher bekannt sein, dass die ewige Deutsch-Pop-Koryphäe sich live gerne mal die eine oder andere freie gesangliche Interpretation genehmigt.
So präsentiert sich Herbert schon zum eröffnenden "Unter Tage" mit rotzigem, sich von der 2014er Studioaufnahme eklatant abhebendem Röhrengesang. Funktioniert so weit überraschend gut. Markant ist aber eben auch, dass der mittlerweile 60-Jährige bei vielen Klassikern in eine – euphemistisch formuliert – durchaus einzigartige Mischung aus Gesang, Geschrei und Gekeuche verfällt. "Männer", "Was soll das" und "Vollmond" erfahren einiges an Auflockerung, bei "Alkohol" wird die womöglich bereits zuvor angekratzte Toleranzgrenze des genügsamen Unterhaltungspop-Hörers dann aber endgültig ausgehoben – verschobenen Mitgrölparts, Reibeisengenöle und Falsettgeleier sei Dank.
Auf dem anderen Ohr zeugt das aber eben auch von aufrichtigem Spaß, wie nicht zuletzt die rege Publikumsinteraktion untermauert. Gelegentliche Ausrufe wie "Danke! Danke! Klasse Abend!" wirken zwar noch etwas bemüht, komödiantische Improvisations-Passagen à la "Ich komm des Nachts ins euer Zimmer / und mache alles nur noch schlimmer" ("Demo (Letzter Tag)") zeugen da schon eher von Kommunikations- und Spielfreude. Wenngleich sich weniger affine Hörer wohl auch mit einem rein beruflichem Runterbeten der Setlist zufrieden geben würden.
Von derartiger Abgedroschenheit befindet sich Grönemeyer jedoch weit entfernt. Schließlich profitieren nicht wenige der hier auf CD und Vinyl gepressten Eckpfeiler der deutschsprachigen Popmusik enorm von ihrer Live-Umsetzung. So bescheren sanfte E-Bow-Einsätze den "Dauernd Jetzt"-Singles "Morgen" und "Fang Mich An" wesentlich höhere Vitalität, während "Musik Nur, Wenn Sie Laut Ist" dank Twin-Guitar-Solo um ein allzeit verdauliches Stück Rockergeste erweitert wird.
Seine wahrliche einnehmende Seite bringt Grönemeyer allerdings wie eh und je in seinen Balladen zum Vorschein. Gut, wer den Herrn bisher nur als Vorlage für Hagen Rether-Parodien zu schätzen wusste, der darf sich hier natürlich in tonnenweise neuem Satirefutter suhlen. Die vermeintliche Exzentrik des durch und durch unverwechselbaren Gesangsstils bleibt eben weiterhin Geschmackssache.
So bejammert Grönemeyer seine ewigen "Flugzeuge Im Bauch" in der hiesigen Lounge-Version wahlweise auf betörendste oder eben grausigste Art und Weise. Wesentlich introvertierter erklingt "Der Weg", der aber genauso selten ohne gesangsmelodische Abweichungen auskommt. Dank vollkommen danebenliegendem, in der Regel kaum musikaffinem Publikumschor bei Konzerten sonst nur schwerlich zu ertragen, bildet die Nummer hier endlich einmal das Herzstück der Live-(CD-)Erfahrung.
Dass hinter dem für viele Gelegenheitshörer gewöhnungsbedürftigen Vortragsstil aber keinerlei Kalkül, sondern eben doch die reine künstlerische Hingabe liegt, beweist dann aber ein ganz anderes Stück. "Neuer Tag", nicht umsonst auch zuvor nur als Live-Version veröffentlicht, präsentiert Herbert Grönemeyer als ebenjenen besonnenen, aber nichtsdestotrotz Schwermut atmenden Mann, den sich jeder "Mensch"-Freund ach so oft zurückwünscht.
"Kein Wort beschreibt die Sehne, die Sucht / kein Hort vertreibt meinen Fall, die Wucht." Halb singend, halb betend, doch gewiss immer laut denkend, saugt Grönemeyer der deutschen Popmusik noch im 37. Karrierejahr all jenen falschen Unheilig- und Revolverheld-Pathos aus, in dem sie in den vergangenen Jahren zu ertränken drohte. Und zeigt dabei, dass auf den Punkt abrufbare Melancholie eben auch im großen Stadion funktionieren kann – ohne dabei allzu viel Authentizität einzubüßen.
Vielleicht funktioniert der Studio-Grönemeyer ein bisschen besser. Vielleicht ist er zugänglicher, vielleicht ist er unbeschwerter. Weniger kantig ist er ganz bestimmt. "Live In Bochum" hingegen zeigt einen malochenden, sich mit Biss quer durch sein mehrstündiges Set arbeitenden Grönemeyer. Einen, der auch mal drauflosschreit, um im nächsten Moment bedeutungsvoll zu schweigen. "Kennt ihr jemanden, der besser und klarer singt als ich?" Viele sogar. Aber nur wenige, die auf der Bühne derart pulsieren – die dort wirklich leben.
8 Kommentare mit 16 Antworten
und dennoch ist diese Live CD eine Mogelpackung. 37 Songs wurden in Bochum gespielt. 21 kamen nur auf die CD und decken sich zu 90% mit der Dauernd jetzt - live...
Unheimlich schlimme Musik und Bochum ist ne richtige Drecksstadt. Alles sieht gleich aus und die Innenstadt wird mit JGAs überflutet, dass man es da am WE keine Sekunde aushält.
Nur Musik oder auch Texte?
Ok wie ein Kabarettist über Bochum bzw. das Ruhrgebiet sagt "Schön ist das nicht aber meins" oder "Woanders ist auch scheisse" also Bochum ist wunderschön
In der Alltagssprache meint Musik auch die Texte.
@Musikplayer69: Ich habe nichts gegen das Ruhrgebiet, aber Bochum ist ganz schlimm. Eine graue Wohnstadt mit ein paar Bonzenstraßen und der hässlichsten Uni der Welt.
Bochum ist hässlich aber erträglich. Ein Platz an der Sonne gegen Oberhausen.
"Kennt ihr jemanden, der besser und klarer singt als ich?" Ist das Selbstironie oder Größenwahn? JEDER singt besser als dieser Stimm-Quasimodo!
that's the joke.
Bumm!
Ey! Der Sänger von den Sportis aber sicherlich nicht! Okay, keine Kunst. Egal...Gröni Label No 1! Unhatebar, sollte klar sein.
'Die Guten'. Ja leck mich am Arsch. Die ruinieren die Welt. Wer entscheidet denn, wer die 'Guten' sind. Das vertrottelte Mäh Mäh Mahr Baaa-Vieh. Der Durchschnitt, die Weicheier, die Klugscheißer, die Genderisten und Mülltrenner und all das weichgespülte Gesockse mit dem nicht zu schlecht gefüllten Geldbeutel. Suchts euch aus. Bumm! Wo kriegt man das Kotz-'Smilie' her? Ach, denkts euch dazu
Ich schlag bei dir auch drauf und Schluss.
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
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Bist sicher n Guter. Muharhar! Komm doch du Gröhle-Eimer, wenn du das Echo verträgst
...ich weiß zwar wie du aussiehst, hab aber leider keine Ahnung in welchem Kellerloch du gerade steckst - let me know, i´ll be there :-*
http://www.defender2.net/gallery/albums/us…
Frag mich echt, wie man mit pseudo-deepen Zeilen à la "wie viel Tränen passen in einen Kanal" zu den Guten gehören kann.
Hier wären wir wieder bei der Frage: Wer will denn beurteilen, dass diese Zeilen pseudo-deep sind? Wann sind Zeilen denn eigentlich deep? Wer kann mir darauf Antworten geben? Die Literaturwissenschaft?
Die "einzigartige Mischung aus Gesang, Geschrei und Gekeuche" hält mich schon lange davon ab, Live-Output von Gröni zu erstehen oder gar in ein Konzert zu gehen. Dieses atemlose Gegröhle strengt zu sehr an, zumal man weiß, dass er auch anders kann. Und die andauernden Gesangsaussetzer, weil er zum Mitgröhlen dem Publikum das Mikro hinhält, stören ohnehin, aber ohne das passende Bild dazu massiv.
Den Zenit schon Äonen schon vor Jahren wenn nicht Jahrzehnten durchschrittem ist er nur noch ein Schatten seiner selbst.
Kann ich mir heute nicht mehr antun. Mit Ö war Schluss.