laut.de-Kritik
Melancholischer Pop mit nachdenklichen Texten.
Review von Giuliano BenassiSchon auf dem Papier handelt es sich um eine ungewöhnliche CD. Annette Humpe, 53, ehemalige Sängerin von Ideal und seit den 80er Jahren erfolgreiche Produzentin, trifft auf Adel Tawil, 26, den Miteigentümer einer Produktionsfirma mit einer eher unscheinbaren Vergangenheit als Hip Hopper. Was ist es nur, das die beiden dazu verleitete, gemeinsam ins Studio zu gehen?
Die Singleauskopplung "Du Erinnerst Mich An Liebe" gibt ersten Aufschluss. Synthetische Streicher, langsame Beats und eingestreute Keyboardnoten führen die Soul-lastige Stimme Tawils ein, die eine ungewöhnlich lyrische Tiefe offenbart. "Wozu der ganze Kampf um Macht und Geld, was soll ich sammeln hier auf dieser Welt, wenn ich doch gehen muss, wenn mein Tag gekommen ist. Wenn meine innere Stimme zu mir spricht, ich bin taub und hör sie nicht, dann schau mich an und halte mich. Erinnere mich an Liebe", trägt Tawil in der zweiten Strophe vor, in der Brücke begleitet von der hohen Stimme Humpes.
Die musikalische Grundstruktur ist eher poppig und dennoch weit entfernt vom typischen chartlastigen Material: Zu melancholisch ist dafür die Stimmung, zu nachdenklich die Worte. Stellenweise schimmert die Madonna von "American Life" durch, politische Botschaften sind jedoch nicht zu finden. Wie Albumtitel, Titeltrack und Bandname verraten, geht es um die erste Person, um Selbstzweifel, um große Gefühle.
Die Arbeitsaufteilung ist in den meisten Stücken die selbe: Tawil singt und bedient die Regler, Humpe schreibt und steuert den Hintergrundgesang bei. Eine Kombination aus jung und alt, die über weite Strecken funktioniert, manchmal aber an ihre Grenzen stößt. Etwa im gerappten "Fenster", das in einen wenig gelungenen E-Gitarren-lastigen Refrain mündet, oder "Wie Konnte Das Passieren" und "Ich Sehe Was", die zu sehr an vergessenen Pop aus den 80er Jahren erinnern.
Dennoch ist "Ich Und Ich" ein Album, das durchaus Aufmerksamkeit verdient. Allein wegen dem Beginn des ersten Liedes: "Ich und ich, wir sitzen allein am Tisch. Ich und ich, wir sind die einzigen, die uns besuchen. Ich und ich, wir kennen uns seit vielen Jahren. Ich und ich, wir stellen uns die gleichen Fragen". Mit ihrem Album zeigen Humpe und Tawil, dass sie abseits der gängigen Wege auf der Suche nach Antworten sind.
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