laut.de-Kritik
Ein mitreißender Abstieg in die Dunkelheit.
Review von Paula FetzerDavon, dass heutzutage halbe Alben via Singles vorab releast werden, kann man halten, was man möchte. Imminence nutzten diese Chance jedoch, um so viele Facetten wie möglich zu zeigen. Jede der sechs Singles klang frisch und präsentierte eine neue Seite. Meine Vorfreude auf das Album von einer der besten Metalcore-Bands war dementsprechend groß. Enttäuscht wurde ich auf jeden Fall nicht. Auf "The Black" klingen Imminence emotionaler und wütender als je zuvor, hauen etliche starke Riffs und feinste Geigenarbeit raus, und Eddie Berg zeigt sich stimmlich mal wieder von seiner besten Seite.
Einen ersten Einblick in den Sound und eine gute Zusammenfassung der Platte gibt Gitarrist Harald Barrett: "Es ist eine Leere, die dich verschluckt, ein verwundetes Tier, das um sein Leben kämpft, ein Abstieg in die Dunkelheit. This is The Black." Aber verschaffen wir uns selbst einen Eindruck. Zum Auftakt gibt es mit der ersten Single "Come Hell Or High Water" viel Emotion und keinen Haudrauf-Einstieg, stattdessen arbeitet Berg mit Cleangesang, der im Refrain über ein mächtiges Riff gelegt wird.
Dynamik kommt mit "Desolation" auf, das bei mir seit letztem Juni sicherlich einige hundert Abrufe gesammelt hat. Es ist aber auch ein verdammt perfekter Song: Die Verzweiflung der Lyrics kommt unheimlich gut in Bergs Stimme raus und die Violine erledigt den Rest. Trotzdem ist es im selben Atemzug wütend, man hat sich auch nach dem siebten Replay noch nicht sattgehört, immer sticht etwas anderes ins Auge, bzw. Ohr. Bonustipp: Auf YouTube den One Take von Eddie Berg davon anhören. Ihr werdet es nicht bereuen.
Springen wir direkt zum nächsten Hit (das könnte eine Überleitung für so viele dieser Songs sein): "Heaven Shall Burn". Epischer Aufbau im Intro? Check. Markante Riffs? Check. Perfektes Ineinandergreifen aller Instrumente plus tolle Screams im Breakdown als I-Tüpfelchen? Check. "Beyond The Pale" lässt mich im Anschluss erstmal stutzen, der Einstieg erinnert an jenen von "Ghost" vom letzten Album. "Beyond The Pale" lebt im Kontrast dazu allerdings von der Wut, die sich in den bestimmenden Gitarren und rohen Screams äußert.
Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit treiben dagegen "Death By A Thousand Cuts" voran, die schwächste Single. Auch jetzt werde ich immer noch nicht ganz mit ihr warm. Der erste Teil des Intros fühlt sich fehl am Platz an und das gewisse Etwas fehlt einfach, um es wieder und wieder und wieder hören zu wollen. Den wohlgemerkt emotionalen, nicht musikalischen Tiefpunkt erreichen Imminence auf "Come What May". "For bеtter or for worse / Come what may / I can't livе one more day / At the mercy of my own dismay", stößt Berg immer wieder mit schmerzerfüllten Schreien hervor, bevor ihn als Protagonist in den Lyrics die Kraft verlässt und die Violine den Song schmerzhaft schön weiterführt.
Die Emotionsbombe wird abgelöst vom Instrumental "Cul-de-Sac", das mich positiv überrascht. In diesem kurzen Zwischenspiel treffen Kehlkopfgesänge auf eine düstere, trommelnde Begleitung. Es fühlt sich nicht wie Filler an, trägt zur Atmosphäre des Albums bei. Klar höre ich es nicht bei jedem Durchlauf, aber man hat nicht wie häufig das Gefühl, dass es das Album noch auf 40 Minuten bringen, und somit künstlich verlängern, soll.
"Continuum" fühlt sich wie ein Herzstück des Albums an und ist einfach ein in sich geniales Stück. Ich meine allein dieses Intro, hallo? Der Song lässt absolut nichts zu wünschen übrig. Headbangpotenzial through the roof, schöne Melodie, emotionsgeladene Screams - was will man mehr?
Auch wenn man beim Titel "L'appel Du Vide" an Frankreich denkt, hält das Quintett in diesem Instrumental doch eher seine skandinavischen Wurzeln fest, wie man ab Minute drei hören kann. Bevor die Platte mit einem letzten, gesanglosen Lied schließt, ist der Titeltrack an der Reihe, den ich so nicht erwartet habe. Die Skepsis wegen der ruhigen und vergleichsweise unaufgeregten Strophe verflog schnell - etwas zurückschrauben muss nicht schlecht sein, denn durch die simple Begleitung in der Strophe kommen Bergs Klargesang und die Texte besonders zur Geltung. Für den Abbau überschüssiger Energie ist durch den Refrain und das tosende Ende aber auch gesorgt. So vergehen die sechs Minuten wie im Flug.
Schwupps, ist das Album nach 52 Minuten auch schon wieder vorbei. 52 Minuten, in denen Berg sich mit den tiefsten Abgründen auseinandersetzt, 52 Minuten, in denen die Schweden beweisen, warum sie an der Spitze des Metalcore stehen.
2 Kommentare
very interesting
Aus wikipedia:
"Das Album erhielt gemischte Kritiken. Paula Fetzer von laut.de vergibt gehört 4/5 Punkte und beschreibt die Musik als 'fetzig', während Megan Goldberg sie 'very interesting' findet. S.Wingo, Kommentarspalter, freut sich derweil, dass schwedische Melodeath-Bands noch exakt so klingen wie vor 20 Jahren."