12. Mai 2016

"Ich hasse David Bowie"

Interview geführt von

Staatsakt-Labelabend in Düsseldorf. Von Erschöpfung oder gar Depression ist nichts zu spüren, als Isolation Berlin die Bühne betreten. Als Hauptact des Abends sorgt das Quartett für eine Stunde gute Unterhaltung, für Ekstase und Bedrückung, für Geschrei und Gewimmer, für Schweiß und Sabberfäden. Alles in bester Ordnung also. Ein schönes Konzert.

Kurz nach sechs im Hinterhof des Zentrums für Aktion, Kultur und Kommunikation (zakk). Eine Stunde vor Einlass machen es sich ein paar Mitarbeiter in Liegestühlen gemütlich. Es ist Wochenende, es ist ein warmer Frühjahrsabend, und die Abendkasse bleibt heute geschlossen: ausverkauft. Nur Isolation Berlin können sich über all das nicht so wirklich freuen. 

Tobias Bamborschke, David Specht und Simeon "Simi" Cöster sitzen uns auf einer Biergarnitur gegenüber und blinzeln angestrengt in die Abendsonne. "Nichts ist durchgängig schön. Wie immer im Leben: Es gibt immer wieder schöne Momente, aber das ist alles", beantwortet Sänger Bamborschke die Frage, ob der Rummel um die Band samt Tourwahnsinn eher überfordernd oder dauerhaft angenehm sei.  

Unfreundlich sind sie aber nicht. Simi hat uns zwei gekühlte Flaschen Beck's besorgt. Der Drummer scheint dem vorherrschenden Katzenjammer am besten zu trotzen. Isolation Berlin steht das 17. Konzert ohne Ruhetag bevor, morgen geht es noch nach Essen, und dann ist endlich Pause. Zugegeben, nicht die besten Voraussetzungen für eine leidenschaftliche Diskussionsrunde, doch darauf können wir keine Rücksicht nehmen: Wir wollen über ihre Musik sprechen, und über das beachtliche Tamtam drum herum.

Noch handeln wir jedoch das Vorgeplänkel ab. Was sie mit Düsseldorf, für viele Besucher ein unbeschriebenes Blatt, verbinden? Bassist Specht nennt Kraftwerk und DAF, Sänger Bamborschke ist gebürtiger Kölner und erinnert sich an die "Spaßfeindschaft" zwischen den benachbarten Rheinstädten. Die meistgehörte Platte des bisherigen Jahres? "Die eigene", ansonsten hätten sie wenig Zeit zum Musikhören, und im Tourbus laufe meistens Deutschlandradio. Ob einem in derartigem Trott nicht aus Versehen mal Rock'n'Roll-Klischees unterlaufen? Nee. Niemand sei ersoffen in der Badewanne, und man habe noch kein Hotelzimmer zerstört. "Obwohl der Anlass dazu manchmal gegeben war." Na dann, erzählt doch mal. "Nee, lieber nicht." Im Nähkästchen-Modus sind sie schon mal nicht.

Mit ihrem ersten Album "Und Aus Den Wolken Tropft Die Zeit" bestätigte die Band im Februar die meisten Erwartungshaltungen, und die waren vor allem angesichts der düster-dringlichen "Körper"-EP beachtlich gewesen. Der irgendwie dämlich anmutende Bandname, das schwankendes Textniveau: geschenkt. Derart diverse und doch schlüssige Debütplatten sind eine Rarität. 

Dass man Isolation Berlin aber von B.Z. bis Spiegel Online in derartiger Einstimmigkeit huldigte und sie nun selbst in Nicht-Indie-Stadt Düsseldorf einen Club zu füllen vermögen, erstaunt dann doch. Oder? "Alle fragen immer nach dem Hype. Jetzt kommen halt mal ein paar mehr Leute zu den Konzerten", gibt sich Bamborschke unbeeindruckt. "Das ist alles, was wir davon spüren. Was auch sonst? Dann ist halt mal was ausverkauft, und natürlich freut uns das. Aber überfordernd ist es nicht. Wir spielen ja schon eine Weile Konzerte." Dennoch liegt die Frage nah, ob es anfangs nicht unangenehm war, einem dreistelligen Publikum sein Herz auszuschütten. "Es war eher befreiend, weil mir dann mal jemand zugehört hat." Uff.

"Das größte Missverständnis ist zu behaupten, dass wir stark von Ton Steine Scherben beeinflusst sind"

Mit dem Begriff autobiographisch tue er sich bezüglich seiner Texte trotzdem schwer. "Ich erlebe ja auch meine Träume, meine Vermutungen, und mich berühren auch die Geschichten anderer. Es sind also keine öffentlichen Tagebuch-Einträge, in denen ich mich komplett nackt ausziehe. Sondern immer noch irgendwie Kunst." Diese bedarf immerhin Band-intern keiner weiteren Erklärung. Man kenne sich untereinander so gut, dass man darüber nicht reden müsse. "Es wissen alle, wo die Texte herkommen. Die kennen ja meine ganze Lebensgeschichte." Ein durchweg auf Freundschaft basierendes Projekt also? "Ja. Sonst wäre es auch dem Tod geweiht".

Gleiches gilt für die Musik. Alles ist irgendwie so passiert, ging wie von selbst - wie und warum, darüber weiß die Band wenig zu berichten. "Langweiligerweise quatschen wir gar nicht darüber, allerdings jammen wir auch nicht. Wir spielen das, und dann ist es irgendwann fertig", sagt Specht. Und er hat ja Recht: Es fühlt sich zunehmend verkehrt an, mit Isolation Berlin über Entstehungsprozesse zu sprechen.

Ausgerechnet auf die profanste aller Fragen hat Bamborschke aber doch eine interessante Antwort parat: "Eher Gedichte", bezeichnet er als wesentlichen Einfluss auf sein Schreiben. Er nennt Rainer Maria Rilke, Hermann Hesse, Joseph von Eichendorff und Mascha Kaleko. Also nichts mit Rio Reiser, so oft die Musikpresse den Namen auch fallen lässt: "Das größte Missverständnis ist zu behaupten, dass wir stark von Ton Steine Scherben beeinflusst sind", beklagt David Specht. "Das ist nicht der Fall, wirklich gar nicht".

Annehmbare Komplimente aus Plattenkritiken zu benennen, fällt Isolation Berlin indes schwer. "Alles was irgendwie positiv ist, ist erst mal schön", meint Simi. "Wenn man was liest, und das Gefühl hat, dass derjenige sich auch wirklich damit auseinandergesetzt hat, anstatt sich einen Song auf YouTube anzuhören und bei anderen Leuten abzuschreiben - das ist gut."

"Korn sind das Schrecklichste, was die Musikgeschichte je hervorgebracht hat."

Wir thematisieren Bamborschkes Interview mit dem Kaput-Magazin, in dem er sich gründlich über Berlin auskotzte - so könnte man es zumindest verstehen. Der Sänger hat Einwände: Er habe überhaupt nichts an Berlin auszusetzen. Dass das so klinge, sei nur eine Konsequenz aus den Fragen, die alle stellen würden. "In Berlin sieht man halt viel. Weil die ganze Welt irgendwie in Berlin zuhause ist. Die ganze Welt besteht aus schrecklichem Elend, und gleichzeitig aus Reichtum, Wohlstand, Euphorie. Berlin ist ein Spiegel davon." Und dann nochmal eine dieser Punchlines: "Ich hab keinen Vergleich, aber wenn man einsam und depressiv ist, oder vielleicht auch nur deprimiert, dann ist es in Berlin besonders hart."

Rückkehr zum Standardkanon. Sind dabei Songs entstanden, die sie selbst schon nicht mehr leiden können? "Allan Align", murmelt David Specht ganz leise. Bitte was? "Äh, nix." Diese Spitze gegen Drangsal geht im Locas In Love’schen Soundcheck-Gewaber verloren. Vielleicht lässt sich die Band mit einer versponnenen Frage nochmal aus der Reserve locken. Sind die Vocals im Finale von "Wahn" von Korn beeinflusst? Bamborschke lacht. "Nein, hundertprozentig nein. Korn sind das Schrecklichste, was die Musikgeschichte je hervorgebracht hat."

Nun verfällt der Sänger doch nochmal ins Reißerische. "Ich hasse David Bowie", merkt er an, als das Gespräch auf dessen Todestag schweift. Okay, zwei gute Songs, "Heroes" und "Rock'n'Roll Suicide", gestehe er dem Pop-Idol schon zu. Alles andere finde er aber nicht gut. Dann die Einsicht: "Na ja, ich übertreibe. Ich hab mich nie wirklich mit ihm beschäftigt." Es hat jetzt was von Pöbeln aus Spaß, oder aus verzweifelter Übermüdung. "Tour-Depression", nennt Bamborschke es zwischendurch, und korrigiert sich sogleich: "Nein, keine Depression. Erschöpfung."

Drei Stunden später trägt er den berüchtigten Isolation Berlin-Schriftzug auf dem Rücken seiner Lederjacke, steht auf der Bühne und spielt sein Konzert, ein schönes, wie gesagt. Die Kunst des Ablieferns beherrschen die vier also schon mal. Dass Journalistengespräche davon unberührt bleiben, würde man ihnen glatt als Wahrhaftigkeit abkaufen - wirkte ihre Verweigerungshaltung nicht so einstudiert und hüftsteif.

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4 Kommentare

  • Vor 7 Jahren

    Was soll eigentlich dieses gehype dieser mittelmäßigen deutschen Bands in letzter Zeit? Ob's die sind, Wanda oder Annenmaykantereit. Diese "Wir sind wieder wer"-Einstellung der deutschen Musikpresse erreicht ja beinahe schon Echo-Niveau. Genauso albern ist dass alle oben Genannten wohl bei jeder Gelegenheit ihren Möchtegern-Gallagherischen Spitzen verteilen müssen und so ziemlich alles und jeden kacke finden. Es tut mir wirklich Leid dass Herr Langemann diesen pseudo-intellektuellen, melodramatischen Schmonz (man siehe Bandnahme) ertragen zu müssen. Rant Ende.

  • Vor 7 Jahren

    Absolut prätentiöser Scheißhaufen, der in wenigen Jahren schon wieder vergessen sein wird. Zurück in die Isolation mit denen.

  • Vor 7 Jahren

    die haben einige richtig starke stücke.
    und deren meinung zu bowie interessiert mich ehrlich gesagt nicht die bohne.

  • Vor 7 Jahren

    Wichtigtuer, die mit der Namensnennung von Bowie Eigen-PR betreiben. Vergessen wir die Ton-Steine-Schreben für Arme!