laut.de-Kritik
Vom Freiburger Nischenrapper zum Hip Hop-Schwergewicht.
Review von Philipp GässleinWenn man bedenkt, wie unermüdlich Jottaweh noch auf dem letzten Tonträger postulierte, einen "Schock Fürs Leben" davon getragen zu haben, so ist es doch beachtlich, wie selbstbewusst er nur neun Monate später sein Hirn in den Mixer steckt. Angst vor der Welt, oder gar dem Rest der Rapszene? Keine Spur! Energie, wohlfeile Attacken auf Gesellschaft, Szene und so ziemlich alles, was dem Volke gut und heilig ist. Und da soll noch mal einer die Effizienz von Antidepressiva anzweifeln.
Der Titel für das Release ist jedoch missverständlich
gewählt: Klar, für ein Mixtape bringt er ordentlich
Wortwitz mit. Aber die Tracks bilden mitnichten einen
Einheitsbrei aus Emotionen und abgefahrenem Gedankenmus. Statt dessen befasst sich JAW schön separiert mit völlig verschiedenen Themen: "Zwei Tode" zum Beispiel beschreibt beeindruckend die Gedanken unmittelbar vor einem Suizid, ein weiteres Mal mit einem Sample aus "Menschenfeind" eingeleitet.
Auch "Paradies Der Finsternis", der Kurztripp in den geistigen Hades entpuppt sich nicht zuletzt wegen eines sehr feinen Parts von Featuregast Headtrick und eines treffend gewählten Beats zu einer echten Albtraumreise. Einen gutes Auge für die sinnvolle Vergabe von Gästelistenplätzen beweist JAW eh: Illoyal, Peter Maffya, Labelkollege Hollywoods Finest und natürlich die Crew-Buddies von PCP komplettieren ein stimmiges Lineup ohne Ausfälle. Dennoch stiehlt niemand Doktor Jotta die Show, sein Hirn in Anwesenheit der werten Hörerschaft
gänzlich zu sezieren.
"In Sachen Lebenslust bin ich leider leicht frigide / doch wenn ich keinen Vogel hätte, wär' ich wohl ne Eintagsfliege" - wieso denn so selbstkritisch? Auch ohne psychische Nahtoderfahrungen entspringen dem Hirn des Rappers doch großartige Tracks, nicht zuletzt der äußerst amüsante Battletrack "Parental Advisory" oder die aggressive Szenekritik "Amerikas Schwanz". Das alles geschieht übrigens auf einem Klangteppich aus - größtenteils recht unbekannten - Amibeats. Paradox? Sicherlich, aber was will man das jemandem vorwerfen, der aus seiner Schizophrenie ohnehin keinen Hehl macht?
JAW verfügt über Talent, Intellekt und Lebenserfahrung genug, sich mit Themen zu befassen, die andere Rapper meiden wie der Teufel das Weihwasser. Mehr als das: Er beschreibt Emotionen und Ängste so detailliert, dass man ständig weghören möchte, aber analytisch genug, dass man immer fasziniert bleibt. Ein rappender Chuck Palahniuk, das hat der deutschen Sprechgesangsszene bislang gefehlt, und da tut es der Begeisterung auch keinen Abbruch, dass nicht jeder Beat perfekt mit dem Style des Freiburgers harmoniert und nicht jeder einzelne Track inhaltlich vollstes Interesse erweckt.
Solche Randerscheinungen sind wohl der Wehmutstropfen jedes Mixtapes, und JAWs Karriere steckt ja ohnehin noch in den Kinderschuhen. Einen Namen machte sich der Rapper mit seinem Debütalbum schon, von der Juice im letzten Jahr zum Demo des Monats geadelt, und natürlich mit seinem Platz Eins in der höchsten Liga der Reimliga Battle Arena. Mit seinem Mixtape schlägt er den Bogen vom Nischenrapper zum schwer zu übersehenden Talent und setzt hinter das J.A.W. ein deutliches Ausrufezeichen.
19 Kommentare
war lange überfällig!!!
der neue star am deutschen pophimmel
Oha, ich war lange Zeit weg vom deutschen Rap aber ich habe vor EINIGER Zeit eine CD bekommen "Seelensturm", von JAW. Mit einem Track der mich noch heute wirklich flashed "im roten Feuer der Sonne" Ist das der JAW? Ich glaube ich muss mich dem ganzen mal wieder zuwenden denn dann ist der Erfolg wirklich überfällig!
jepp das ist der JAW.
Finde im roten Feuer der Sonne auch ganz nett. Am meisten geht JAW mMn zusammen mit Hollywood Hank ab. Auch wenn dessen rechte Parolen (auch wenn sie von mir aus nicht so gemeint sind...), teilweise echt nerven...
Ich weiß nicht, für mich ist das mal wirklich gar nichts. Tränen aus Meer fand ich gut, aber bisher kann ich nichts mit seinen, teils kranken?!, Gedanken anfangen...
tränen aus meer
Ups, ja gut der Herr.
Meer aus Tränen halt, ach so und die Seuche in mir...