laut.de-Kritik
Standing on the shoulder of giants.
Review von Andrea Topinka"Stuck in speed bump city / Where the only thing that's pretty / Is the thought of getting out", so verdrossen kommentierte Jake Bugg vor gut einem Jahr seine verranzte Heimat Clifton, Nottingham auf seinem Debütalbum. Rausgekommen aus dem britischen Arbeiterviertel ist er danach ziemlich schnell auf einer groß angelegten Tour. Und auch für die Aufnahmen seiner zweiten Platte "Shangri La" kehrte er der Insel den Rücken - aus einem verständlichen Grund: der allgegenwärtige Produzent Rick Rubin lud in sein begehrtes Shangri La Studio in Malibu, Kalifornien.
Ein 19-jähriger Jungspund wie Bugg denkt da sicher nicht zwei Mal nach, obwohl ihm Rubin laut eigener Aussage vor der Zusammenarbeit kein großer Begriff war. Einzig, dass der Bartträger allerhand für Johnny Cash produzierte, will er gewusst haben. Neben Bob Dylan, den Beatles oder Noel Gallagher gehört der zu den größten Einflüssen des Briten. Die Frage, die sich nun aufdrängt: Tut es ihm auch gut, an diesem frühen Punkt seines Schaffens mit so einem Produktionsriesen zusammen zu arbeiten? Sein Erstling lebte ja gerade von seiner jugendlichen Schroffheit.
Für Klarheit kann vermutlich erst die Weiterentwicklung auf einem dritten Album sorgen, "Shangri La" liefert eine eher ambivalente Antwort. Denn der klatschende Rockabilly-Opener "There's A Beast And We All Feed It", eine energetische E-Gitarren-Nummer wie "What Doesn't Kill You" oder die reflektierte Folk-Ballade "Kitchen Table" gehen alle als recht konsequente Folgen des Debüts durch.
Heißt: Er reaktiviert den Geist fast vergessener Tage, lässt die Herzen von Retro-Freunden höher schlagen, führt mit markant-quäkender Stimme durch die Titel und wagt dieses Mal im Instrumental-Bereich eine Ecke mehr. Einzig das Schlagzeug erhält dank Chad Smith von den Red Hot Chili Peppers ab und an größere Parts und sorgt für etwas Auflockerung zwischen den üblichen Akkordfolgen.
Heißt aber auch: Neue, eigene Ideen bleiben ziemlich oft auf der Strecke. Beinahe berechnend wirkt in Zeiten, in denen The Black Keys das Rock'n'Roll/Blues-Revival zelebrieren, der knarzende E-Gitarren-Einsatz oder Stücke wie das schwermütige "All Your Reasons" oder "Storm Passes Away", bei dem der Americana-Road-Song-Geist so überwiegt, dass man Buggs britische Wurzeln nur noch anhand seiner Intonation ausmachen kann.
In solchen Momenten wirkt die musikalische Umsetzung eher aufgesetzt als genuin, eben darauf getrimmt, den Erfolg des Debüts noch einmal zu toppen. Textlich schafft es der Songwriter glücklicherweise, authentisch zu bleiben. Denn Herkunft hin oder her, als perspektivloser Teenager aus der englischen Unterschicht schlägt sich der weit gereiste und Model-datende Jake Bugg heutzutage kaum mehr durch die Welt. Deswegen befasst er sich jetzt natürlich mit seinen Tour-Erlebnissen und den Schattenseiten des Ruhms ("Me And You"). Clifton agiert aber immer noch als zentrale Figur auf der Platte, nur dieses Mal aus der "Außenperspektive" des gelegentlichen Heimkehrers.
In dem kratzigen, mit einem aggressiven Gitarren-Solo gespickten "Slumville Sunrise" schlägt er sich nachts durch Nottingham, versinkt im Sumpf seiner Heimat und zieht am Ende wie so oft das entwurzelnde Fazit: "This place is just not for me / I say it all the time / My friends they just ignore me / Tell me never mind / Waiting all your life for the Slumville Sunrise". "Messed Up Kids" blickt hingegen in deprimierender Weise zurück auf die Jugendlichen, die anders als er nicht den Absprung geschafft haben: "The messed up kids are on the corner with no money / They sell their time, they sell their drugs, they sell their body / Everywhere I see a sea of empty pockets".
Das andere große Thema von "Shangri La" lässt sich leicht erschließen. Wie im Titel "A Song About Love" bereits mit dem Hammer angekündigt, schüttet Bugg auf den Pfaden der großen Oasis-Lovesongs sein Herz in Liebessachen aus. Bereits erwähnter "Kitchen Table" überzeugt in der Kategorie vielleicht am meisten. Bugg verwandelt sich hier vom abgeklärten Heimatflüchtling zum verletzlichen Teenie, der an einem Beziehungs-Aus zu knabbern hat: "Out from the darkness your heartlessness haunts my future".
Die Balladen und Midtempo-Nummern dürften das sein, was in ein paar Jahren von "Shangri La" in guter Erinnerung bleiben wird. Ohne Frage heißen die Hits "Slumville Sunrise", "What Doesn't Kill You" oder "Kingpin". Allerdings ist ihr Haltbarkeitsdatum ungefähr nach dem zehnten Hören abgelaufen und man legt sie getrost in der Schublade "100 laute Gitarren-Songs von Musikern unter 20" ab.
Jake Bugg deshalb einen eiligst zusammen gerührten Albumbrei vorzuwerfen, führe angesichts der prinzipiell hohen Songwriting-Qualität auf die falsche Fährte. Dennoch möchte man ihm raten, sich nächstes Mal etwas mehr Zeit zu lassen. Denn herausragende Songs für die Ewigkeit stecken sicher in dem begabten Knaben drinnen, auf "Shangri La" findet sich nur leider kaum einer.
8 Kommentare
Dem Debut ebenbuertig. Echt nicht gedacht. Verdammt gute Platte. Bugg scheint echt auf dem Weg zu sein ein Dylan/Gallagher Nachfolger zu werden. Was mich aber stoerte ist dass an manchen Stellen der schlechte Rubin Sound wieder rausstach. Hat der Olle eig was an den Ohren ? Was er mit Californiacation und Death Magnetic verbrochen hat, ist ja schon schlimm. 21 war ebenfalls schlecht abgemischt.ab in die kiste mit dem alten.
Jop. Sehr solides Album. Hier und da noch ein Song weniger und dafür ein paar mehr Lieder der Qualität von Lightning Bolt und der Mann wirds weit bringen.
bin nicht so der Fan von ihm. Ich bevorzuge entweder die originalen Interpreten, also Dylan oder Beatles, oder wenn es Retro sein muss, dan Jesper Munk. Den finde ich nämlich um einiges cooler als Jake Bugg.
der refrain von messed up kids ab 0.45 ist aber geklaut. hab ganz ganz aehnliches schon mal gehoert. komm aber nicht drauf.
Dieser Kommentar wurde vor 11 Jahren durch den Autor entfernt.
Das Album ist also schlechter als Gaga ? ^^ Punkte und so. Nun ja, ich mag es eigentlich. Man hört definitiv Rubin und Nashville raus (obwohl in Malibu gemacht). Beim ersten Album haben mich nur die ersten 4 Über-Songs richtig gepackt und der Rest war bisschen meh. Hier gefällt die ganze Platte, aber es sticht auch nichts heraus.