laut.de-Kritik

ESC-Mangagirl in den Fängen nationaler Hit-Produzenten.

Review von

Berlin, Juli 2015: Eine bis dato unbekannte 17-Jährige tritt im Lilo-und-Stitch-Pullover vor die Jury-Coaches der fünften Voice Of Germany-Staffel. Gerade einmal sieben Monate und eine erfolgreiche Xavier Naidoo-Hetzkampagne später entscheidet das deutsche TV-Publikum: Jamie-Lee Kriewitz ist unser Star für Stockholm.

Schon während der Blind Auditions des TV-Formats stellen Michi Beck und Smudo halbironisch fest: "Wir alle zusammen machen eine Riesenmenge Kohle mit deiner Musik." Easy, das dürfte mit Jamie-Lees Studiodebüt "Berlin" nun wirklich kein Problem darstellen. Das Lippenbändchen-Piercing mag verschwunden sein, Japan-Stil und pinker Kopfschmuck durften bleiben. Und zumindest in Teilen hat sich das von den Fantas gleich an Turntablerocker DJ Thomilla weitergereichte Mangagirl auch einen balladesken Touch bewahrt.

Zwar bewegt sich "Berlin" weitestgehend im Fahrwasser dessen, was irgendein dahergelaufener Blogger einst auf den abscheulichen Namen "Contemporary R&B" taufte, doch schon die im Vorfeld gehypte ESC-Single zeugt von der melancholischeren Schlagseite des 18-jährigen Nachwuchsstars. Für vorabendliche Volkshochschul-Dancekurse mag "Ghost" im Gegensatz zu Lenas "Satellite" freilich weniger geeignet sein, das Hitpotential braucht dem Stück jedoch niemand absprechen.

"Lions Heart" sorgt hingegen schon für Stirnfalten. Im "Hallelujaaaaaah"-Reißbrett-Chorus (immerhin kein weiteres Leonard Cohen-Cover) werden erste Spuren plastischen Gesangspitchings hörbar. Echtes Autotune ersparen uns die Produzenten zwar über weite Strecken, doch ganz ohne Handgreiflichkeiten an der Vokalspur kommt die moderne Popproduktion dann nicht aus.

Während Coldplay und Mando Diao in ihrem verbissenen Glauben, Vocoder seien endlich wieder für Popmusik geeignet, durchaus brauchbares Material zustande gebracht haben, vergreift sich Thomilla auch gerne einmal zu oft am Retro-Plugin. Besonders "Mine" meistert dank Stakkato-Synthies und Blubber-Outro den perfekten Stabhochsprung in die Kloschüssel, der nur noch vom Nicki Minaj-Rappart in "Wild Ones" übertroffen wird.

Dabei steht schon länger außer Frage, dass Jamie-Lee für ihr Alter eine erstaunliche Stimmbeherrschung an den Tag legt. Konnte sie schon bei den Casting-Auditions mit Jennifer Lawrence' "The Hanging Tree" überzeugen, versprüht auch die Album-Version wieder den Charme ihrer tieferen Tonlage. Könnte echt Laune machen, würden die Stampf-und-Klatsch-Beats dem Textmantra nicht jeden Hauch Epik rauben. Bezeichnend übrigens, dass Lawrence selbst das Herzstück des "Tribute von Panem"-Soundtracks lieber Lorde interpretieren ließ. Dabei singt Kriewitz diese in ausgewählten Momenten tatsächlich auch einmal an die Wand: Die halbelektronische Pianoballade "Visions" bleibt dank vollem Stimmumfang nach "Ghost" als zweitbester Song im Ohr.

Zugegeben: Die Fegefeuer-ähnliche ESC-Medienmaschinerie hätte ein wesentlich schlimmeres Werk als "Berlin" zur Folge haben können. Für die Zukunft sei Jamie-Lee dann aber doch ein anderes Produzenten- und Songwriterteam gegönnt. Piano- und Akustikgitarren-Klänge als instrumentaler Schwerpunkt legen zwar einen guten Grundstein, für optimale Stimmentfaltung lässt die Bügeleisenproduktion dann aber einfach nicht genug Luft zum Atmen. Wenn Kriewitz' Stimme in Tonlagen nachjustiert wird, die sie anderorts mühelos im Falsett erreicht, ist das die schlimmste Form von Pfusch, den das Popbusiness mit einem jungen Talent betreiben kann.

Trackliste

  1. 1. Ghost
  2. 2. Lions Heart
  3. 3. Mine
  4. 4. Berlin
  5. 5. Home
  6. 6. Wild One
  7. 7. The Hanging Tree
  8. 8. Visions
  9. 9. Remember the Rain
  10. 10. Last Dance

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6 Kommentare mit 9 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Bin bis "Xavier-Naidoo-Hetzkampagne" gekommen. Wer von einer Hetzkampagne spricht, verdient es nicht weiter gelesen zu werden. Das ist Polemik der aller übelsten Sorte, derer ihr bislang nicht würdig ward. Traurig.

    • Vor 7 Jahren

      "Polemik der aller übelsten Sorte"

      Willkommen im Internet.

    • Vor 7 Jahren

      Was stimmt daran nicht ? Naidoo ist ein Systemkritiker mit leichtem Hang zu Verschwörungstheorien, na und ? Und zumindest seine Aussage daß D nach wie vor nicht souverän ist, ist nun wirklich nicht weit hergeholt...
      Ihn deshalb nicht zum ESC zu schicken war einfach nur idiotisch und entlarvend.
      Und nein, ich bin alles andere als ein Fan von ihm.

    • Vor 7 Jahren

      Bin bis "Wer von einer Hetzkampagne spricht, verdient es nicht weiter gelesen zu werden." gekommen.

  • Vor 7 Jahren

    Habe die Interpretin vor Kurzem bei der Talkshow "Bettina und Bommes" zum ersten Mal überhaupt singen gehört... von Stimmbeherrschung konnte da nicht wirklich die Rede sein. Der Manga-Style war noch nicht besetzt und füllt damit eine Nische aus. Huch, Zufall?

    • Vor 7 Jahren

      Ach, da sind sie wieder, die messerscharfen Analysten, die der bösen Musikbranche in einem Posting die Leviten lesen. Huch, Klugscheiß?

    • Vor 7 Jahren

      Dicht gefolgt von denen, die jegliche Kritik am Mainstream nicht ertragen und nur damit kontern können, dass die anderen aus Prinzip gegen kommerziellen Erfolg und Pop im Allgemeinen wettern würden... So einfach kann man sich die Welt machen :)

    • Vor 7 Jahren

      Also ist eine Nische besetzen im Mainstream jetzt ein Vergehen? Hätte sie lieber Tropical House mixed by Felix Jaehn veröffentlichen sollen, wäre es das, was sie credible gemacht hätte? ;)

    • Vor 7 Jahren

      "Also ist eine Nische besetzen im Mainstream jetzt ein Vergehen?"

      Hat ja keiner behauptet. Es ist nur dröge und vorhersehbar...

    • Vor 7 Jahren

      Eine Nische ist doch eigentlich genau das Gegenteil von Mainstream. War Björk jetzt Mainstream, weil sie 'ne Zeit lang Millionen Platten verkaufte, oder war sie nicht auch Nische bzw alternativ, weil sie dieses seltsame Persönchen mit relativ einzgartigem Image war? Obwohl sie auf dem Mainstream-Sender MTV rauf und runterlief und Millionen Platten verkaufte?
      Was Jamie-Lee angeht: Hier läuft gerade die Wiederholung der Talkshow Bettina & Bommes, wo sie zu ihrem Style Stellung nimmt. Ich halte sie für authentisch in ihrer Verkleidung. Sie hat das ja schon vor ihrem Plattenvertrag und The Voice-Gewinn gelebt. Dass man dahinter jetzt nichts extrem tiefgründiges erwarten kann, ist was anderes. Sie ist gerade mal 19 und offenbar noch von Jugendzeitschriften inspiriert / inspiriert worden.

      Aber unabhängig von ihr ist dieses Plattenfirmen-bashing so langweilig. Jede Musik ist ein Produkt und wird irgendwie vermarktet. Auch das so wahnsinnig credibile Zeug irgendwelchen Nicht-Mainstreams lebt von einem Image, das kreiert und zur Vermarktung genutzt wird. Und wenn dann ein Mädel kommt, das für die Zielgruppe zur Trendsetterin werden könnte und /oder einen mutmaßlich aufkommenden Trend schon lebt: Dann wirds halt dankbar genommen. Und dann ist das kein "huch, Zufall", sondern natürlich strategisch gedacht. Sich darüber aber aufzuregen, find ich lächerlich.

    • Vor 7 Jahren

      Immer wieder geil, diese "Ich kenn die Alte seit 5 Minuten, hab sie nur 1mal gesehen, aber schon ne Meinung zu ihr"-Hobbykritiker.

  • Vor 7 Jahren

    Jamie-Lee !!!
    Machs Beste Drauß.
    Wenn Du uns den Preis holst, werden dich alle lieben.
    Und wenn nicht, gehst Du einfach wieder ins Studio.
    Dein musikalisches Potenzial ist jedenfalls Gut.

  • Vor 7 Jahren

    Heute gilts! Matchday. Wird das fleischgewordene Träumchen nassgeschwitzer Altherren Die Deutschen heute zum Sieg über die Flüchtlingsländer trällern oder geht Die Deutsche Mannschaft heute parallel zum Wetter erneut mit einem Zero an der Mangabacke gepflegt baden. Die Spannung ist fühlbar, kaum auszuhalten und dennoch hat es etwas erhabenes

    ick freu mir so lambadala und damit spreche ich für uns alle, die schweigende Mehrheit, Rainer und den Lautuser

    ich hoffe dass die Leitung nach Sri Lanka steht

  • Vor 7 Jahren

    Hiääähhh... sach ma.... weiss jemand zufällig, auf welchem Platz die Jamie gelandet is? :D