laut.de-Kritik
Dem Jigga ist kein Meilenstein gelungen.
Review von Alexander EngelenDer Jay-Z'schen Release-Logik folgend, müsste "The Blueprint 3" eigentlich enttäuschen. Von seinem bahnbrechenden Debüt "Reasonable Doubt" abgesehen, zeichnen seine nachfolgenden Alben eine alternierende Sinus-Kurve mit "In My Lifetime, Vol. 1", "Vol. 3...Life and Times of S. Carter", "The Blueprint", "The Black Album" und "American Gangster" am oberen Ende und den dazwischen veröffentlichten Alben auf der Talsohle.
An Chartsplatzierungen ist diese Theorie freilich nicht zu falsifizieren - seit "Vol. 2...Hard Knock Life" landete jeder Longplayer auf Platz eins der US-Charts. Dabei war der große Jigga nie ein Single-Künstler, denn einen eigenen Nummer Eins-Hit hatte der ehemalige Drogendealer aus den Marcy Projects - man mag es kaum glauben - tatsächlich noch nie. Wie also passt das neue Werk des derzeit unbestreitbar bekanntesten Vertreters des Rap in die vorgestellte VÖ-Sinuskurven-Theorie?
Nun, es passt nicht, weil es passt! Jay-Zs elftes Studioalbum ist weit von einer Enttäuschung entfernt. Im vor sich hin darbenden Genre gleicht es einer hellen Freude: Mit ein wenig Abstand betrachtet, ist es eine grundsolide Vorstellung eines außergewöhnlichen MCs.
Dass es dazu kommen könnte, pfiffen die Spatzen erstmals von den Dächern, als im Frühjahr in den einschlägigen Blogs ein bouncender Timbo-Swinger auftauchte und der Jigga Man auf dem herrlich nonchalanten "Ain't I" die Rückkehr des Blueprint-Messias verkündete. Jay-Z sprach "I'm still winnin' and I'm no where near finished", DJ Clue brüllte irgendwas von "Off that Blueprint 3, baby!" und recht schnell war klar, dass sich die Hip Hop-Welt auf etwas gefasst machen muss.
Die letzten Zweifler frühstückte Jay-Z schließlich mit dem ganz großen Statement ab. In seiner Rolle als inoffizieller Genre-Präsident rasselte er pünktlich zu Sommerbeginn mit den Säbeln und proklamierte kurzerhand den "Death Of Auto-Tune": besser kann man nicht mit der Faust auf den Tisch hauen. Die Weichen für die Erfüllung des "Blueprint"-Konzepts waren somit gelegt.
Als am 11. September 2001 die Türme des World Trade Centers kollabierten und Jay-Z am gleichen Tag den ersten "Blueprint"-Teil veröffentlichte, konnte er auf die besten Beats des Genres zurückgreifen. Acht Jahre später brilliert Sean Carter überwiegend mit seinen Rap-Skills - ein mächtiges Gütesiegel für sein Rap-Talent, aber ein leichtes Armutszeugnis für seine beatbastelnden Kollegen. Bestes Beispiel: "Empire State Of Mind". Trotz Drum-Programming, das einem die Füße einschlafen lässt, macht der Jigga mit seinem Flow aus der Schmalznummer mit Alicia Keys eine New York-Hymne auf Sinatra-Niveau.
Insbesondere Timbaland liefert Jay-Z drei unaufregende Beats, die er lieber für seine Pop-Übernahmepläne mit Frau Furtado im Schrank gelassen hätte. Aber auch hier kann der Protagonist - wie bei "Venus Vs. Mars" - mit seiner stimmlichen Rhythmik bei Fließband-Raps den Karren aus dem Dreck ziehen. Ganz unfehlbar ist jedoch auch Jay-Z nicht: Bei Kanyes Schnapsidee, den Alphaville-Gassenhauer "Forever Young" mit ein paar Drums zu unterlegen, sind sogar ihm die Hände gebunden. So hat eben auch "Blueprint 3" seinen Totalausfall.
Vier Minuten, die zu verschmerzen sind, wenn Jay-Z bereits im ersten Song dem Genre die richtigen Fragen stellt: "What we talking about? Cause I ain't got time. For what people be talking about all the time." Die Radio-Single mit Rihanna meistert den schmalen Grat zwischen Anspruch und Breitenwirkung ("Run This Town"). Mit Young Jeezy und Inkredibles-Instrumental erfreut man die weniger massenkompatiblen Zuhörer mit krimineller Energie ("Real As It Gets"). Mit der Unterstützung von KiD CuDi, Drake und J.Cole hangelt sich der Jigga Man gekonnt am Puls der Zeit entlang.
Dem ehemaligen Def Jam-Boss ist kein Meilenstein gelungen. Aber nur Berufsnörgler nennen "Blueprint 3" eine Enttäuschung.
118 Kommentare
Oh doch, ich bin enttaeuscht. Wahrscheinlich habe ich mir, ausgehend von dem Uebertrack D.O.A., zu viel vom Album erhofft. Sozusagen eine Neudefinierung von HipHop. Zumindest aber ein Meilenstein.
Anscheinend muss ich mich damit zufriedengeben, dass Jigga doch kein Gott ist.
@laut.de (« Der Jay-Z'schen Release-Logik folgend, müsste "The Blueprint 3" eigentlich enttäuschen. »):
Tut's doch auch.
@Klang (« Oh doch, ich bin enttaeuscht. Wahrscheinlich habe ich mir, ausgehend von dem Uebertrack D.O.A., zu viel vom Album erhofft. Sozusagen eine Neudefinierung von HipHop. Zumindest aber ein Meilenstein.
Anscheinend muss ich mich damit zufriedengeben, dass Jigga doch kein Gott ist. »):
geb ich dir recht. doa bleibt leider das beste auf diesem album. der rest langweilt - zumindest mich - doch eher.
wertung finde ich zu hoch
@jumbopizzateller («
ähm....also ich hab super boxen..und das einzige was ich da höre sind einige crash cymbals. halt schön dreckig gemischt. wüsste nicht was dein problem ist.. »):
Dankeschön!
Problem ist übertrieben, es störte ein wenig mein Harmonie-Empfinden.
Ganz nett:
Making of Blueprint 3 Cover
http://www.ignant.de/2009/09/18/making-of-…
Was Staiger hier für einen Müll schreibt, besonders der Satz zu Rihannas Sangeskünsten im Gegensatz zu seiner Meinung von Empire State.. ganz verquer der Gute:
http://rap.de/reviews/1873