laut.de-Kritik

Wie gut wollen die eigentlich noch werden?

Review von

Verdammt noch mal! Wie gut wollen die eigentlich noch werden? Mir fällt kaum Vernünftigeres zu sagen ein als: wow! Nicht jede Scheibe bringt einen halbwegs erwachsenen Mann wie mich schließlich zum Weinen. Ja, weinen. Nicht heulen oder wimmern oder schluchzen. Keine coolen Sprüche. Die wären nicht angemessen.

Jimmy Eat World haben den in letzter Zeit so oft kopierten und zelebrierten "Emo Core" nämlich längst hinter sich gelassen. Sie brauchen kein Schreien um des Schreiens willen, keine Skater-Klamotten oder Basecaps und keine Anti-Kommerz-Attitüde, um fantastische Songs zu schreiben. Und das ist gut so. Trotz allem fängt die Scheibe zunächst mal mit einem Hieb in die Fresse an.

Der Opener und Namensvetter des Albums "Bleed American" hat fast schon Noise-Rock-Qualitäten, klingt aber auch ein ganz kleines bisschen nach Weezer (meint zumindest Kollege Oriwall). Nicht zu unrecht die erste Single.

"The Middle" ist sehr, sehr geiler Powerpop, der mitreißt wie verrückt und einen Refrain zum Niederknien hat. Und es gibt sogar ein echtes Gitarrensolo. Ja! Die Emo- und Hardcore-Brüder werden sich jetzt übergeben, aber es ist nun mal so und es ist gut so und es passt so. Die nächste Single? Könnte aber eigentlich fast jeder Song sein.

"Your House" zum Beispiel. Da hört man fast ausschließlich Akustikgitarren, eher Percussion als wirkliches Schlagzeugspiel, und einen Text, der sich um eine Liebe dreht, die nicht gut für einen ist. Kennt man ja ... Der ganze Song ist wunderbar rund. Nichts klingt irgendwie drankomponiert oder zusammen geschustert. Und die Melodie ist, wenn sie zweistimmig wird, so schön, dass ich geneigt bin, den Arzt kommen zu lassen, weil ich der Atemnot anheim falle.

Dann der Song mit dem Weinen: "Hear You Me" ist zum Autofahren echt nicht geeignet. Als die Worte über mich herein brachen und ich verstand, was Jimmy da singt, konnte ich durch die Tränen kaum noch die Straße sehen. Bis dahin war es ja schon ein wirklich schöner Song, aber als mir aufging, dass es um den Tod eines geliebten Menschen geht, war es geschehen.

Tja, Emo spielen sie halt immer noch. Emo wie Emotion. Ohne Attitüden, ohne Scheiß. Eine rundere Scheibe haben Jimmy Eat World noch nie vorgelegt. Und eine bessere auch nicht. Und das zu sagen ist wirklich nicht leicht, denn die Vorgänger "Static Prevails" und "Clarity" zählen zu meinen absoluten Top-Favoriten und wurden zu Recht hoch gelobt und zu Unrecht eher mäßig verkauft. Ich hoffe wirklich, dass die Jungs mit diesem Album endlich den verdienten Durchbruch an die Spitze schaffen.

Also - um Gottes Willen - kaufen! Ihr verpasst sonst das Rock-Album des Jahres. Im besten Sinne.

Trackliste

  1. 1. Bleed America
  2. 2. A Praise Chorus
  3. 3. The Middle
  4. 4. Your House
  5. 5. Sweetness
  6. 6. Hear You Me
  7. 7. If You Don't, Don't
  8. 8. Get It Faster
  9. 9. Cautioners
  10. 10. The Authority Song
  11. 11. My Sundown

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Jimmy Eat World

Jimmy Eat World, das sind Jim Adkins (Gitarre, Gesang), Rick Burch (Bass), Zach Lind (Schlagzeug) und Tom Linton (Gitarre, Gesang). Anfangs trat der Vierer …

6 Kommentare