laut.de-Kritik

Zur Fidel klatschen, dass die Scheune bebt!

Review von

Jimmy Eat World melden sich mit einem Paukenschlag zurück, der drei Jahre Veröffentlichungspause der vier Herren aus Arizona beendet.

Die Beats sind elektronischer, eine Vielzahl von Effekten überzieht die Gitarren. Ein ständiger Wechsel zwischen schnellen, wilderen Stücken und ruhigen Balladen voller bittersüßer Gefühle sorgt für Abwechslung. Auch wenn die Band bei diesem Thema bleibt, wird die Scheibe nicht eintönig. Auch an der reinen Spielzeit der Tracks merkt man: Hier hat sich jemand ausgelebt.

JEW bieten Collegerock mit viel Pathos, Hall und epischer Länge. Der gute alte Emo ist nicht tot und präsentiert sich in beeindruckender Breite. Die ruhigen, besinnlichen Töne klingen etwas wie R.E.M., was den Anspruch der Band unterstreicht.

Mit Schlagzeug und zurückhaltender Gitarre erinnert der titelgebende Track "Invented" an die ruhigen Seiten der Smashing Pumpkins. Auch wenn Billy Corgans quäkendes Organ fehlt, umhüllt die dichte melancholische Stimmung den Hörer. Nach zwei Dritteln kommen aber doch die Wurzeln von Jimmy Eat World durch. Der Gitarrensound bricht, das Schlagzeug hat etwas mehr zu tun und es wird allgemein lauter. Das Gewitter zieht aber schnell vorbei und der klare Klang kommt zurück. So geht es auf der gesamten Platte weiter, ruhige Passagen wechseln mit wilden Ausbrüchen. Es ist immer noch ein ungestümer Geist zu spüren, die Stimmung schwankt ständig.

Die wilden alten Zeiten kommen mit "Evidence" zurück, gepaart mit Gesang und Rhythmus, die es mit Bad Religion aufnehmen könnten. In der Strophe klatschen sie ordentlich Effekte auf die Gitarren, quasi als Tribut an den Sound der Stunde. Während der frühe Collegerock mit seinen Garagenbands reduziert und geradeaus rockte, sind heute Synthies und mindestens drei verschiedene Gitarrenspuren die Regel. Agitieren will der Refrain aber dennoch ganz im Sinne der erwähnten Punk-Veteranen.

Mit "Cut" fahren sie die Lautstärke wieder etwas herunter. Der Gesang ist melodiöser, und unterstrichen von ruhiger Gitarre und reduziertem Schlagzeug kommt einem das klagende Organ von Tracy Chapman in den Sinn, wären die Texte auf Dauer nicht auffallend banal. Das übliche, 'Sorry, Baby, ich will nicht mehr': "I'm not cut for this no more" etc. Auf der Tour mit Green Day haben die vier sich offensichtlich die Streicher geklaut. Die Dynamik von orchestralen Strophen und lautem Refrain erinnert stark an die ruhigeren Passagen von deren letzten Alben. Mit dem Gesang von Courtney Marie Andrews im Hintergrund klingen hier immer wieder die Get Up Kids durch.

Aber es gibt nicht nur ruhige Stücke, "Higher Devotion" könnte man angesichts des schnellen Beats schon fast tanzbar nennen. Etwas gewollt bodenständig und ländlich ist nur "Heart Is Hard To Find", in dem zur Fidel geklatscht wird, dass die Scheune bebt.

Mittlerweile sind Jimmy Eat World dem College entwachsen, sowohl musikalisch als auch vom Alter her. Die Teenage-Angst ist verblichen, die Produktion gerät glatter. Schön klingt ihre Musik immer noch – aber wie im Fall von Green Day erwachsener und einem Seitenblick auf die Charts.

Trackliste

  1. 1. Heart Is Hard To Find
  2. 2. My Best Theory
  3. 3. Evidence
  4. 4. Higher Devotion
  5. 5. Movielike
  6. 6. Coffee And Cigarettes
  7. 7. Stop
  8. 8. Littlething
  9. 9. Cut
  10. 10. Action Needs An Audience
  11. 11. Invented
  12. 12. Mixtape

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