laut.de-Kritik

Ein Manifist des Metals.

Review von

Prolog

Der Metal-Gott treibt genüsslich auf seiner Cannabiswolke durch den Äther, trinkt Jacky mit Lemmy, hat stets ein Pik Ass im Ärmel und trällert mit Dio "Holy Diver". Gelangweilt gähnt er: "Ich könnte mal wieder neue Mucke vertragen. Die neue Dickinson-Langrille "The Mandrake Project" hat mittlerweile eine Woche auf dem Buckel und ist durchgeschubbert." Es ertönt ein markerschütterndes "Lemmy!". Der Motörhead-Vorsteher klappt die Hacken zusammen und startet seine mit reinem Alkohol angetriebenen Schubdüsen. "Halte Ausschau nach neuem Stoff", gemahnt ihn sein Herr und Drachentöter. "Taufrisch und reinster Stahl soll es sein".

Die Chefwarze fliegt los und macht sich ein Bild vom Treiben auf der Erde. Atemlos saust er durch die Nacht und erstattet seinem Schöpfer Bericht. Irritiert schaut der Metal-Gott auf die ihm vorliegende Bilder-Serie. "Das sind ja Juttas Brüste, du Knallkopp". "Sorry Mann", raunt Lemmy verschämt. "Ich meint natürlich dieses Exemplar". Der Metal-Gott reißt die Augen auf: "Holy Shit, Judas Priest. Jesus bricht das Brot und Halford das Gesetz. Die alten Recken sind zwar keine Jungspunde mehr, aber immer noch das trveste in Sachen klassischer Metal. Mit "Firepower" haben sie dem Metal wieder ordentlich Zunder gegeben und den Glauben erneuert. Lass uns ein Ohr riskieren."

Text

War "Firepower" ein Parforce-Ritt durch die Historie und ein Stück weit Selbstvergewisserung, legt "Invincible Shield" den Fokus auf das Hier und Jetzt mit kraftvollen und ausufernd arrangierten Hymnen, die den klassischen Glanz versprühen und zu denen jeder Metal Head ein zünftiges "Metal Never Die" intoniert. Das Klangbild von Album Nr. 19 steht ganz im Zeichen der großen Drei "Screaming For Vengeance", "Defenders Of The Faith" und "Painkiller" mit einem touch of future der Marke "Turbo Lover". Die erste Auskopplung "Panic Attack" unterstreicht diese Marschrichtung eindrucksvoll.

Der 44-jährige Richie Faulkner könnte der Sohn von Halford und Hill sein, adaptiert den Stil der Gitarrenlegenden Tipton/Downing und hat auf seinem mittlerweile dritten Album den Stallgeruch angenommen, um die fehlende Achse adäquat zu ersetzen. Der 2010 ausgestiegene Downing befindet sich mit KK's Priest musikalisch auf Abwegen, und der gesundheitlich angeschlagene Glenn Tipton wirkt zwar als Spiritus Rector im Hintergrund mit, kann spielerisch und solistisch keine Akzente mehr setzen.

Fixpunkt von "Invincible Shield" ist Frontmann Rob Halford. Auch wenn er live manchmal zu kämpfen hat, ist der 72-jährige Sänger weit davon entfernt ein Niete in Leder zu sein. Auf dem Album ruft er das komplette Spektrum seines Könnens ab. Technisch wie emotional führt er durch die elf Stücke. Da hat sicherlich Produzent Andy Sneap seine heilenden Hände mit im Spiel. Dennoch fängt er Halford authentisch ein.

Wenn Scott Travis im letzten Durchlauf des überlebensgroßen Refrains von "Crown Of Thorns" auf das Right Becken wechselt, klingt das simpel, aber ungemein effektiv. Das straighte "As God Is My Witness" pustet den Rauch vom Revolver und verweist mit seiner durchgehenden Double Bass auf "One Shot At Glory".

Mit wesentlich fantasievolleren Rhythmus-Figuren wartet "Trial By Fire" auf. "Escape From Reality" verweist nicht nur vom Titel her auf "Master Of Reality", das dritte Meisterwerk von Black Sabbath, sondern lehnt sich stark an die Birminghamer Buddies an wie ein Betrunkener an den Laternenpfahl. Hier setzt mehr der Groove als die Melodik die Akzente.

Mit dem kürzesten Song "Sons Of Thunder" kommt gar ein Rohrkrepierer auf die Platte und wirkt so antriebslos wie eine Harley mit Plattfuß. Der Titelsong mit seinen Motorcycle-Gitarrensounds und einem bärbeißig fauchenden Halford verfügt über deutlich mehr Biss. "Giants In The Sky" ist eine Ehrerbietung an die verblichenen Größen des Genres mit einem herzzerreißenden akustisch geprägten Mittelteil, in dem Tiefton-Urgestein Ian Hill mit tollen Bassläufen verzückt.

Die erste Albumhälfte ist ein wahrer Rausch. Das Trio Infernale zu Beginn verfügt über Schmiss des Schmerztöters. Die stärkste Phase der Platte bildet das Triumvirat bestehend aus "Devil In Disguise", "Gates Of Hell" und "Crown Of Horns". Hier schalten Judas Priest ín den Midtempo und Melodik-Modus. Trotz klarer Kante überzeugen die Hooks und sorgen für reichlich Fist Raising-Momente. In der zweiten Albumhälfte verstecken sich ein, zwei nur gute Tracks. Dafür breiten die Priester ihre Schwingen aus, mengen ungewöhnliche Rhythmen, akustische Einsprengsel oder psychedelische Parts in ihren Sound, verbleiben dennoch in ihren unverkennbaren Genre-Grenzen.

Epilog

Mit Album Nr. 19 gelingt dem britischen Quintett ein Manifist des Metals. Der Metal-Gott atmet einmal tief durch, saugt die Cannabiswolke ein und düst im freien Fall in die Festhalle nach Frankfurt.

Trackliste

  1. 1. Panic Attack
  2. 2. The Serpent And The King
  3. 3. Invincible Shield
  4. 4. Devil In Disguise
  5. 5. Gates Of Hell
  6. 6. Crown Of Horns
  7. 7. As God Is My Witness
  8. 8. Trial By Fire
  9. 9. Escape From Reality
  10. 10. Sons Of Thunder
  11. 11. Giants In The Sky

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11 Kommentare mit 4 Antworten

  • Vor einem Monat

    Dieser Kommentar wurde vor einem Monat durch den Autor entfernt.

  • Vor einem Monat

    Extra aufgeblieben heut Nacht, um es gleich anzuhören.
    Verdammt geil geworden. Das beste seit Painkiller, finde ich. KK muss sich warm anziehen.

    • Vor einem Monat

      Stimme dir zu 100% zu! Das Songwriting ist einfach hammer und die Rythmusfraktion mit Travis Scott und Ian Hill spielt tight wie ein Entenarsch. Für mich defintiv der Anwärter für das Album des Jahres im Bereich klassischen Heavy Metal. Ich hoffe jetzt nur dass Halford die Performance stimmlich live hinbekommt.

    • Vor einem Monat

      Habe Priest 2022 in Oberhausen gesehen. Hab ehrlich gesagt nicht viel erwartet. Aber Halford hat im Alter echt noch mal seinen Scheiß auf die Kette gekriegt, er war stimmlich super in Form. Sogar "Painkiller" (ich dachte, es wäre besser, diesen Song aus der Setlist zu streichen; ich dachte, das packt der nicht mehr) und "The Sentinel" hat er echt gut gesungen. War sehr positiv überrascht!

    • Vor einem Monat

      Bin auch gespannt auf das Konzert.
      Vor allem auf die Setlist. Living after midnight und Breaking the law werden unvermeidbar sein (bräuchte ich jetzt nicht mehr).

  • Vor einem Monat

    Die ersten 8 Lieder sind echt mega! Leider ist das Album wieder etwas zu lang geraten, aber klar nach 6 Jahren will man auch etwas mehr neue Songs veröffentlichen. Im direkten Vergleich hält es auch mit "The Sinner Rides Again" von KKs Priest mit. Freue mich schon auf die Tour.