laut.de-Kritik

Fehlt nur der Haus-Maus-Reim.

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Die Rolle des "Dorfzampano" lässt Juse Ju gnädigerweise im Schrank hängen. Auf seiner EP "Der Juse-Meister" hat er sich hinreichend an provinziellen Prolos abgearbeitet. Seinen Hauptproduzenten Provo nimmt er wohlweislich mit zu seinem Album "Das Problem, Dass Immer Irgendwas Passiert". Dieser etabliert im einführenden "Zuckerbrot Und Peitsche" eine große Ernsthaftigkeit. Unterschwellige Gewalt begleitet die Streicher, als untermalen sie einen Rache-Thriller, indem die Hauptfigur gerade durch das verschneite Sankt Petersburg stapft. Was der Rapper daraus macht? Erneut wenig.

"Deine Crew ist so wack wie 'Die Geissens'", schießt er gegen den im Schlagerpublikum fischenden Deutschrap. Er selbst bildet sich einiges auf seine ausgebreitete Anti-Haltung ein, mit der er nur haarscharf an Haus-Maus-Reimen entlangschrammt, wenn er "pretty" auf "Diddy", "shitty" und "Kitty" reimt. Auch "Weird" schießt mit Platzpatronen aus riesigen Kanonen. Herbe Metal-Gitarren treffen auf butterweiche Kapitalismus-Kritik und die Verhöhnung von Männlichkeitsbildern, die Juse Ju auf "Untertreib Nicht Deine Rolle" schon deutlich erfolgreicher abgefrühstückt hat.

"Männer sind halt keine Schweine, sondern eben Affen. Wählen FDP und denken, jeder kann es schaffen", dreht er auch in "Das Bleibt Alles So, Wie's Hier Ist" den Stammtisch auf links. Provo schüttelt dazu die Kissen in der Chillout-Lounge aus und lässt 'Psycho-Andreas' auftreten, der einst dank seinem Auftritt bei "Frauentausch" zu zweifelhaftem Ruhm gelangte. Nachdem dieser also vom Privatfernsehen als Witzfigur aufgebaut und in den Weiten des Netzes ausgeschlachtet worden ist, verwertet ihn der marktkritische Juse Ju nun noch ein drittes Mal. Nach-unten-Treten bereitet schlicht zu viel Spaß.

Wirklich am Herzen scheint ihm keines dieser Themen wirklich zu liegen. Als rote Linie zieht sich eigentlich nur die Alle-doof-außer-mir-Pose durch beinahe jeden Song, wobei er den Beweis der eigenen Überlegenheit zumeist schuldig bleibt. Das gilt auch für das naive "Ich Lösche Das Internet", in dem er sein Publikum fortwährend anschreit und sich lautstark über "Idioten" echauffiert, die er verbieten wolle. Wirklich gelungen ist allerdings die Hookline einer weiblichen Sprecherin, die hypnotisch und unterschwellig bedrohlich die friedvoll vermarktete KI-Zukunft anpreist.

Als kritikwürdig erweise sich nach genauerer Begutachtung auch "Deutscher Humor". Zwischen Chris Tall und Atze Schröder gebe "es nichts zu lachen", moniert Juse Ju. Erneut grenzt er sich von den begriffsstutzigen 'Spatzenhirnen' ab, womit er die Latte für sich selbst umso höher legt. Doch was setzt er den landestypischen Späßen entgegen? "Von Gangsterrap fühle ich mich gerade verarscht - Kriminalität ist ja gar nicht legal", schenkelklopft er sich durch "Das Bleibt Alles So, Wie's Hier Ist". Und in "Nine To Five" erkennt er: "Die meisten Jobs entpuppten sich als Arbeit." Wahrlich zum Schießen.

Nur punktuell weicht er von diesem Blödel-Rap ab, der nur auf einen Refrain von Otto Waalkes zu warten scheint ("Krieg Im Schnee"). "Ach Wird Das Schön" beendet das Treiben abrupt. Juse Ju setzt zur großen Reflexion an. Als "größter Loser dieser Stadt", tituliert er sich, "nicht erwachsen, sondern richtig lächerlich und elendig". Doch bei allem melancholischen Meeresrauschen schweift sein Fokus von der anvisierten Wahrhaftigkeit zu schnell wieder Richtung Nichtigkeiten. "Das Problem, Dass Immer Irgendwas Passiert" offenbart genau die altväterliche Überforderung, die sein Titel verspricht.

Trackliste

  1. 1. Zuckerbrot Und Peitsche
  2. 2. Weird
  3. 3. Das Bleibt Alles So, Wie's Hier Ist
  4. 4. Deutscher Humor
  5. 5. Nine To Five
  6. 6. Krieg Im Schnee (mit Nikita Gorbunov)
  7. 7. Ich Lösche Das Internet
  8. 8. Die Eule
  9. 9. Musik Is Over
  10. 10. Ach Wird Das Schön

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