laut.de-Kritik

Der New Model Army-Sänger genießt den Lockdown.

Review von

Seit mehr als 40 Jahren spielt Justin Sullivan mit New Model Army eingängigen Punkrock, der mehr Radio als Rotz ist. Denn die britische Band stand Bruce Springsteen stets näher als Sid Vicious. Zu intelligent klingen Sullivans Texte, zu präzise das musikalische Handwerk. 18 Jahre nach seinem Solodebüt "Navigating By The Stars" tritt der mittlerweile 65-Jährige mit seinem zweiten Alleingang "Surrounded" nun komplett auf die Bremse. Akustikgitarre und epische Erzählungen statt E-Gitarre und bissige Brandreden. Entstanden ist die Platte in den ersten Wochen des ersten Lockdowns. Aufgenommen hat er sie größtenteils in den eigenen vier Wänden.

Geschichten über die großen Entdecker des 20. Jahrhunderts erzählte Sullivan bereits auf seinem Solodebüt. "Ocean Rising" handelte von Ernest Shackletons Reise von den Shetlandinseln nach Südgeorgien. Auf "Surrounded" widmet er sich nun einem der berühmtesten Abenteuer dieser Zeit: das finale Rennen um den Südpol zwischen Robert Scott und Roald Amundsen. "My rival is dead / They found him the following spring / Just two companions there at the end / In the little lost tent buried deep in the snow", besingt Sullivan das tragische Ende des historischen Ereignisses, während Harfe und Violine für die entsprechend düstere Atmosphäre sorgen.

"Amundsen" steht exemplarisch für die gesamte Platte. An Sullivans erzählerischen Vortragsstil schmiegen sich Instrumente, die noch nie mit Strom in Berührung gekommen sind. Namhafte Gastmusiker bedienen diese: Tom Moth von Florence And The Machine, Jon Thorne von Lamb und natürlich die aktuelle Besetzung von New Model Army. Sie ordnen sich stets dem Protagonisten unter, der die Arrangements zusammenhält. All das klingt so kohärent, dass es nach einer guten Stunde langweilt. Doch so und nicht anders muss es sein. Wie die schwarze Wolkendecke auf dem Cover hängt eine beharrliche Stimmung über dem Album.

"I never saw your face, you were gone before my arriving / Leaving blood stories running in my veins", heißt es im Titel- und Schlussstück. Drums gibt es keine. Flöten, Cello und Piano liefern höchstens Nuancen. Die Hauptarbeit erledigt ein weiteres und letztes Mal die Akustikgitarre. Die 64 Minuten wirken wie der Soundtrack zu einem Film von Jim Jarmusch. Denn die Atmosphäre von "Surrounded" lässt sich besser mit "Dead Man" als irgendeinem anderen Musikalbum vergleichen. Und wie der Streifen mit Johnny Depp wird auch Sullivans Soloplatte begeistern oder zu Tode langweilen.

Trackliste

  1. 1. Dirge
  2. 2. Amundsen
  3. 3. Coming With Me
  4. 4. Clean Horizon
  5. 5. Stone And Heather
  6. 6. 28th May
  7. 7. Akistan
  8. 8. Unforgiven
  9. 9. Sao Paulo
  10. 10. 1975
  11. 11. Sea Again
  12. 12. Clear Skies
  13. 13. Rip Tides
  14. 14. Daughter Of The Sun
  15. 15. Ride
  16. 16. Surrounded

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2 Kommentare

  • Vor 2 Jahren

    Naja, als langweilig empfinde ich das Album ganz bestimmt nicht. Vielleicht ist es mit über 60 minuten zu lang geraten. Spannung erzeugt JS, wie in vielen seiner Lieder, durch die Texte und untermalt es mit stimmungsvollen, hier eher ruhigen Melodien. So kommt man bei "Sea Again" ins Schärmen, während einem ein sehr emphatischer Liedermacher wie Sullivan bei Liedern wie "Coming with me" die Hörer in das Seelenleben eines selbstmörderischen Flugzeugcapitains entführt, dabei die ruhige musikalische Untermalung, die die Zwänge des Charakters nur verstärken. Sullivan weiß immer sehr geschckt, menschliche Abgründe in den unabdingbaren Kontext zur Natur zu setzen, deren Schönheiten er gleichzeitig beschreiben kann, ohne sich dabei jemals in Nihilismen oder Fatalismen zu verfangen.

  • Vor 2 Jahren

    Bei mir weder Langeweile noch Begeisterung: sondern einfach nur Genuss. So was wird doch heutzutage sonst gar nicht mehr gebaut ????.