laut.de-Kritik
Crossover auf Deutsch mit politischer Sprengkraft.
Review von Toni HennigWie kaum ein zweiter Act in diesem Land verstehen es KAFVKA, politische und gesellschaftliche Missstände offen anzusprechen, ohne mit erhobenem Zeigefinger zu agieren. Dabei kommt der Spaß nicht zu kurz, wenn die harten Riffs und die Beats der Formation die Crossover-Schule der 90er-Jahre zitieren. Nicht umsonst bezeichnete radioeins sie als "die deutschen Rage Against The Machine", noch bevor ihr Debüt "Hände Hoch!" 2016 überhaupt in die Läden steht. Nun folgt mit "2084" ihr zweites Album, das beweist, dass sie nach wie vor ganz viel zu sagen haben.
Im Vorfeld veröffentlichen KAFVKA die Nummer "Fick Dein Volk" als Beitrag zur Bundestagswahl 2017. Mit dem treibenden Gitarrenspiel von Martin Silber und den Raps von Jonas Kakoschke klingen sie wie Limp Bizkit auf Deutsch klingt. Weiterhin richtet sich der Song gegen die AFD-wählenden Wutbürger. "Ihr seid nicht das Volk", schleudert Jonas ihnen entschlossen entgegen.
Darüber hinaus kursierte schon vor einigen Monaten die Single "2018" im Netz. In diesem Track kritisieren die Berliner die Flüchtlingspolitik der EU sowie die fremdenfeindliche Stimmung in der Bundesrepublik. Überdies sorgt die dramatische Synthie- und Pianobegleitung, dass sich ihre kritischen Zeilen hartnäckig im Ohr festbeißen.
"Anscheinend gibt es Menschen, die Menschenrechte verbiegen", schäumt Jonas vor Wut über die vielen toten Flüchtlinge im Mittelmeer, die man in der täglichen Presseberichterstattung verschweigt. Er fügt weiter an: "Und selbst dann schreiben Faschisten Menschen wegen ihres Aussehens auf faschistische Listen." Diesen Worten kann man als Hörer letzten Endes nichts mehr hinzufügen. Unsere gegenwärtige Realität beschreiben sie nämlich ziemlich treffend.
Beide Songs findet man genauso auf "2084" wie zehn weitere Tracks, die von Bequemlichkeit und Egoismus ("Hallo Welt", "Paranoia Im Paradies"), von Social-Media-Sucht ("Chip Im Kopf", "Wi-Fi"), von kleinbürgerlichen Luxus-Problemen ("Groß In Der Kleinstadt", "Generationskonflikt"), von einer schönen neuen Welt ("Utopie", "Zukunftsmusik") sowie von zwischenmenschlichen Beziehungen ("Egal Was Passiert") handeln. Jedoch bringt die Formation ihre Botschaften in den restlichen Stücken nicht mehr ganz so präzise und knackig auf den Punkt wie in "Fick Dein Volk" und "2018". Trotzdem nötigt ihre Attitüde, die sich ebenfalls in Taten wiederspiegelt, allerhöchsten Respekt ab.
Musikalisch besticht die Platte nicht unbedingt mit Abwechslungsreichtum. Die meisten Nummern besitzen zwar kraftstrotzende Riffs, einprägsame Hooks und elektronische Feinheiten, aber auf Albumlänge stellen sich wegen der oftmals zu gleichförmigen Arrangements und der zu monotonen Stimme von Jonas leichte Ermüdungserscheinungen beim Hören ein. Andererseits strahlt der Sound nach wie vor Frische aus. Die "gute, alte Zeit" führt in "Generationskonflikt" auf die falsche Fährte. KAFVKA verklären die Vergangenheit nicht, sondern positionieren sich mit beiden Beinen im Hier und Jetzt.
"Batikhose" zeigt, dass sie ihre Musik gelungen um poppige Nuancen erweitern können. Der Song versprüht mit sommerlichen Gitarrenklänge und dem Frauengesang im Background viel Unbeschwertheit. Gleichzeitig rechnen die Hauptstädter mit dem typischen europäischen Massentouristen ab. Die "reisen um die Welt, aber kreisen um sich selbst", heißt es hier. "Pack die Batikhose ein, nimm dein kleines Schwesterlein und fahr' nach Hause." Die Gesellschaftskritik der Formation kommt also nicht ohne eine gehörige Schippe Humor aus.
Im Grunde genommen regen KAFVKA mit "2084" ihre Hörer dazu an, politische Eigenverantwortung zu übernehmen. Vor allem auf Bühne dürfte ihr Crossover eine ausgelassene Pogo-Stimmung heraufbeschwören. Auf Platte fällt ihre Musik allerdings ein wenig zu überraschungsarm aus, um vollends zu begeistern. Nichtsdestotrotz verfügen ihre Texte über genug Sprengkraft.
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