laut.de-Kritik
Fäuste hoch, Arme taub.
Review von Christian KollaschEin Blick auf die jüngsten Wahlergebnisse zeigt: Starke Statements gegen Rechts werden in diesen Zeiten bitter benötigt. Diese liefert die Crossover-Formation KAFVKA auch auf ihrem vierten Album "Kaputt" zuverlässig ab. Inhaltlich recken sie wieder mit viel Biss die Faust in die Luft, nur musikalisch wird der Arm über manche Strecken taub.
Auf "Kaputt" bewegen sich die Berliner noch weiter von ihrem rifforientierten Rap-Rock aus den Anfängen weg und verbauen Elektro- Pop- und sogar Chanson-Elemente in ihren Sound. Das wirkt hier nicht unbedingt wie ein erhobener Mittelfinger, KAFVKA schütteln eher enttäuscht die Köpfe.
Die Liste der Gründe hierfür ist lang: Rechtsruck, Wohnungsnot und soziale Ungleichheit bieten der Band genug Stoff zum Ausholen. Der Opener "Das Alte Lied (Prolog)" gibt mit finsteren Beats direkt aus der Blade-Disco und Kritik an der schwindenden Erinnerungskultur in Deutschland die Marschrichtung vor: "Ich wünsche mir die Hysterie unserer History zurück / Denn heute geben viel zu viele keinen Fick", beobachtet Frontmann Jonas Kakoschke.
"Millionen" lockert die apokalyptische Stimmung aus dem Anfang mit leichtgängigem Elektro-Gitarrenpop auf. Hüpfen für mehr Umverteilung heißt das Motto dieser Anti-Erbschaftparty, auf der Segelschuhe und umgehängte Pullover sicherlich nicht zum Dresscode gehören. Es muss eben nicht immer der rotzige Punk sein, der dem Kapitalismus ans Bein pinkelt. KAFVKA schaffen hier eine spannende Schere zwischen Sound und Inhalt, wenn sie linke Positionen in den Mainstream tragen.
Auf "So Viel Mehr" mischen KAFVKA dann Konsumkritik mit einer ordentliche Schippe Retro-Crossover, der an P.O.D.s "Youth Of The Nation" erinnert. Zusammen solidarisch untergehen, wenn das Konto gepfändet wird, stellen sie sich hier vor und wirken in Kombination mit den sphärischen Gitarren tatsächlich so, als befänden sie sich in einer Traumwelt, was sie sogar selbst reflektieren: "Was klingt wie ne romantische Idee / Hippie-Naivität auf zu viel LSD / Wird vielleicht Realität / Wenn wir verweigern, mit zu gehen".
Die gut gemeinte Message versumpft hier leider in einer Überdosis Pathos. Auf "Wo Sollen Wir Wohnen" funktioniert das schon besser, wenn KAFVKA zu seichter Akustikgitarre die Wohnungsnot anprangern. Das hier ist Pop für das Kaffeehaus im gentrifizierten Stadtviertel, in dem sich KAFVKA Zielgruppe das Leben schon längst nicht mehr leisten kann.
Der Titeltrack kontert dieses Klangbild mit Düstersynthies und Stadionrock-Riffs, zu denen KAFVKA zum fatalistischen Rundumschlag ausholen. Der Song liefert das klanggewordene Doomscrolling und wettert gegen Rassismus, Kriege und Armut. Am Ende siegt aber die Hoffnung: "Doch wer weiß / vielleicht können wir noch etwas reparieren
Zu Höhepunkten wie diesem gesellen sich jedoch auch wieder Fehlgriffe wie "Träume Lesen", das mit Schlagerparty-Bumms-Beat und einer fragwürdigen Anglizismen-Schlagzahl am Nervengerüst sägt: "Energy so vereint / Die Connection so strong / Gleicher Traum, gleicher Vibe / Bis zum letzten Song". Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um eine Parodie handeln muss. Falls ja, kommt das im bierernsten Umfeld des Albums nur schwer herüber.
Zur Rettung eilen Deichkind, bei denen sich KAFVKA Auszüge aus dem Dauerbrenner "Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)" leihen. Das bockt in "Danke Nein Ja Bitte Sehr" auch noch dann, wenn es mit dem schweren Thema Depression vermengt wird und so zu einem bittersüßen Abreißer gerät.
Gewohnt stilsicher geben sich auch die Bremer Punks von Team Scheisse, die auf dem energiegeladenen "Geburtstag" ein Gastspiel geben. Zu Riffs mit hoher Oktanzahl blacklisten sie Politiker, Medienmenschen und Personen des öffentlichen Lebens von ihrer Geburtstagsparty. Sofern Tracks wie diese laufen, verpassen die Geschassten ein wildes Fest.
So schlingert "Kaputt" ein wenig zwischen kraftvollen Botschaften zu einem gekonnten Crossover-Mix mit Pop-Allüren und etwas zu dick aufgetragenem Pathos hin und her. Am Ende steht jedoch die Message, und die bleibt in diesen Zeiten essenziell und wichtig. Dass man dafür vielleicht ein paar Mal auf die Skip-Taste drücken muss, wiegt da nur halb so schwer.
2 Kommentare mit einer Antwort
Ich mag ja (guten) Crossover und ne linke Attitüde. Aber was ich von denen gehört hab bisher war wirklich der Inbegriff von Ödnis und unterkomplexen Parolentexten.
Agree - Selbes Problem hab ich mit Swiss und dergleichen. Grundattitüde und Ansatz sind super, in der Ausgestaltung ist es immer rund 10% zu stumpf, um wirklich gut zu sein. Macht manchmal trotzdem Spaß, bleibt aber hinter seinen Möglichkeiten.
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