laut.de-Kritik

Hip Hop als ur-afrikanische Angelegenheit.

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Die Wiege der Menschheit stand auf dem Schwarzen Kontinent. Hip Hop dagegen entstand im New York der 70er Jahre, ist demzufolge also kein direkter Nachkomme von Mama Afrika. Wie kann es dann sein, dass 2007, dreißig Jahre nachdem Kool Herc, Afrika Bambaataa und Grandmaster Flash in der Bronx eine Bewegung lostraten, die sich zu einer weltumspannenden Kultur entwickeln sollte, ein Somalier auf einer New Yorker Bühne steht, von Hip Hop als ur-afrikanischer Angelegenheit spricht - und damit auch noch Recht hat?

Nicht immer steht einem vor Augen, dass die Wurzeln des Raps, seit jeher eine der tragenden Säulen des Hip Hop-Universums, tief in die afrikanische Griot-Tradition reichen. Geschichten und Geschichte erzählen, so lautete die Mission der Griots. Sie bewahrten die Traditionen ihres Volkes, und sie unterhielten. Auch, wenn er im ostafrikanischen Somalia geboren und aufgewachsen ist und die Griots vorwiegend im Westen unterwegs waren: Mit K'Naan ergreift ein würdiger Nachfahre der wandernden Geschichtsbücher das Wort.

Zudem: Nach wie vor geht nichts über ein ordentliches Drumbreak, aus dem so mancher Hip Hop-Track Substanz und Rückgrat bezieht. Drumbreaks haben ihren Ursprung - wie banal! - in Trommeln. Ein typischeres afrikanisches Instrument? Ich müsste überlegen. Trommeln begleiten seit jeher die Überlieferungen der Griots, und sie begleiten K'Naan bei seinen Live-Auftritten, im Rahmen derer "The Dusty Foot On The Road" aufgenommen wurde.

Zu den Trommeln gesellen sich Gitarrenklänge, allerdings dient das Saiteninstrument häufiger als Rhythmusgerät denn als Melodieträger. Mit wenigen Ausnahmen, darunter das üppig ausgestattete "Strugglin'", kommen K'Naans Tracks mit dieser kargen Instrumentierung bestens zurecht. Manchmal genügt auch entweder - oder. So dominiert eine Akustikgitarre "In The Beginning". "My God" verzichtet ebenfalls auf ein zweites Instrument: K'Naan und sein prominenter Mentor Mos Def behaupten sich hier lediglich mit Worten gegen den Herzschlag der Trommel. Dass die Stimmen eine Spur zu leise ankommen, stört nur bedingt: Gerade Mos Defs Part gewinnt fast noch an Eindringlichkeit, wird man gezwungen, derart genau hinzuhören.

K'Naan selbst brilliert mit einer Stimme, aus der Lebenserfahrung spricht. Dass dieser Mann bereits so Einiges gesehen hat, ist nicht zu überhören. Mit seiner Geschichte im Rücken verwundert seine Themenwahl nicht. K'Naan weiß um die Bedeutung des Lebenselixiers Wasser ("Wash It Down"). Er kennt die Ursprünge seines Genres ("In The Beginning", "African Way"): Schön zu sehen, dass die Art und Weise, wie das Hip Hop-Fieber kleine Jungs infiziert, weltweit die gleiche zu sein scheint. (Gelegentlich erwischt es sogar ein kleines Mädchen. Hab' ich gelesen.)

Rap, der zuweilen den Charakter einer Spoken Word-Performance annimmt ("Until The Lion") und in "Smile" gar die Stimmung eines rauchigen Blues-Songs vermittelt, trifft auf Gesang ganz unterschiedlicher Art. "In The Beginning" setzt hierbei auf Druck und Energie. Der volle Wohlklang von K'Naans Stimme kommt in der A capella-Nummer "Is It A Myth?" zur Geltung. Die Lalala-Gesänge in "Be Free" wirken zwar, ebenso wie das Ruf & Antwort-Spiel in "By The End Of The Day", das Erinnerungen an die Blues Brothers weckt, ein wenig albern, erfüllen aber gleichwohl ihren Zweck. Ob in London oder Djibouti: Das Publikum ist bei der Sache.

Richtig grandios wird es, stellt K'Naan die berechtigte Frage nach dem Sinn hinter dem allgegenwärtigen Gangster-Gehabe. "I spit these verses because I feel annoyed." Dem möchte ich mich anschließen. "What is hardcore? ... If I rhymed about home and get descriptive / I'd make 50 Cent look like Limp Bizkit." Statt an der finsteren Attitüde von Fiddy und Konsorten erfreue ich mich doch lieber noch ein wenig an "music from Africa". Wenn die dann wie das abschließende "Soobax" mit einer Überdosis an Vibes alles planiert: mit Sicherheit die bessere Wahl.

Trackliste

  1. 1. Wash It Down
  2. 2. The African Way
  3. 3. Hardcore
  4. 4. In The Beginning
  5. 5. Smile
  6. 6. Strugglin'
  7. 7. Be Free
  8. 8. Until The Lion
  9. 9. Voices In My Head
  10. 10. Is It A Myth?
  11. 11. My God
  12. 12. By The End Of The Day
  13. 13. Soobax

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