laut.de-Kritik
Happy Hardrock-Journey aus dem Schwaben-Ländle.
Review von Yan VogelEs gibt einige Dinge, die man am schwäbischen Hardrock-Export Kissin' Dynamite bemängeln könnte.
1. Die Premiere zur ersten Single "Not The Emd Of The Road" fand vergangenen Sommer im ZDF Fernsehgarten statt.
2. Die Frisur von Sänger Hannes Braun.
3. Sound und Songwriting sind enger an Bon Jovi zu "New Jersey" und "Slippery When Wet" Zeiten angelehnt als das Balzverhalten der Spezies Mensch.
Zum Auftritt beim samstäglich Schlager-Event der Untoten sei gesagt, dass Kissin' Dynamite einfach jede Bühne nutzen, die sich ihnen bietet. Neben einer verstrahlten Moderatorin und dem im Takt klatschenden Publikum im Rollatoren-Alter gibt der Fünfer eine gute Figur ab. Die Haare sollte man dem Motto folgend 'Hair Today, Gone Tomorrow' hegen und pflegen, solange sie sprießen. Und die Achtziger Rock-Referenzen entspringen dem Lebensgefühl, der in einer Reutlinger Schule gestarteten Band. Trotz hohem Kitsch-Faktor ist das Können von Kissin' Dynamite unbestritten.
Das Cover ziert eine Gitarre, die als großspuriger Highway direkt in den Hardrock-Himmel führt. Den Songs zu eigen ist das Gespür für große Hooks im Songwriting-Gewand der Achtziger, wie es zahlreiche Tracks aus der Feder von Desmond Child ziert und zeitgenössische Apologeten wie Tobias Sammet (Edguy, Avantasia) zur Anwendung beeinflusst hat.
Thematisch bedient das Liedgut Herz, Hirn und Hüfte. Stillstand und berufliche wie gesundheitliche Unsicherheiten im Zuge der Pandemie bedingen, dass die Herz und Hirn-Momente im Vergleich zu den Vorgängern zugenommen haben. "Scars" etwa entspringt einem verkorksten Lebensabschnitt.
Der Titeltrack wartet mit Ritchie Sambora-Talkbox und dem bekannt-betörenden Harmonie-Hopping auf und zieht merklich die Mundwinkel nach oben. "Only The Dead", "Voodoo Spell" und "Gone For Good" pendeln zwischen Krach und guter Laune, aktivieren automatisch die Taschenlampenfunktion am Handy und verdienen einen Stammplatz auf der digitalen Jukebox.
Die Albummitte bepflastert die Band mit zahlreichen Mitsing-Hymen. "Yoko Ono" stellt einen Seitenhieb auf die wohl bekannteste Musiker-Freundin und ihr gehöriges Spaltpotential dar, unterstrichen vom fernöstlichen Touch der Melodie- wie Klanggestaltung. "All For A Halleluja" bedient mit Augenzwinkern wie zuvor bereits Eclipse, Lordi oder Kiss das religiöse Zusammengehörigkeitsgefühl des Rock. "No One Dies A Virgin" spricht als Songtitel bereits Bände und bedarf keiner weiteren Kommentierung.
Ausschläge auf dem Ärger-Meter gibt es selten, sofern man der Band nicht vollends ablehnend gegenüber steht. Die Kollaboration mit Saltatio Mortis in "Good Life" wartet mit dezenter Dudelsack-Dopplung der Melodien auf. Wer W.E.T., Ronnie Atkins, Europe oder Gotthard die Stange hält, hat auch an der Happy Hardrock-Journey von Kissin' Dynamite seine helle Freude.
4 Kommentare
Also bekommt man das, was man erwartet?
Ist doch gut so.
Die Talkbox wurde meines Wissens aber von Matthias Jabs bei "The Zoo" kultiviert.
Ich werde auf jeden Fall mal reinhören.
Diesen billigen Abklatsch aus allem was Rockmusik je an Scheiße hervorgebracht hat gibt es immer noch?!
3/5 trifft es. Unhatebar.
Der 80ziger Kult ist nicht neu und halb Skandinavien bringt unermüdlich neue Bands mit der Ausrichtung an den Start. Im Vergleich sind KD hier sehr gut aufgestellt.
Zum Bon Jovi Vergleich bin ich froh, dass die Band an den Frühwerken orientiert ist!
Zum oberflächlichen Hinweis auf die Optik - selbst Lemmy galt als Sexsymbol.