laut.de-Kritik
Der am derbsten rockende Schweizer Hip Hop-Act!
Review von Dani FrommMit zu den besseren Momenten im Leben gehört, sich völlig unerwartet von musikalischen Großartigkeiten aus den Schuhen fönen zu lassen. Von einem Knaben namens Knackeboul hatte ich, bevor mich das Schicksal in Form einer freundlichen Einladung der Kollegen von restorm.com vor eine Zürcher Bühne spülte, über die die diesjährige Swiss Groove Tour zog, noch nie gehört.
Danach hätte man meinetwegen die Pet Shop Boys, Rammstein und den halben Wu-Tang Clan in Häschenkostümen Ringelreihen tanzen lassen können, es wäre mir egal gewesen. Ich bin verliebt, und ich bin beschämt. Was ist nur passiert, dass mir als bekennendem Mundartrap-Fan der am derbsten rockende eidgenössische Hip Hop-Act aller Zeiten durch die Lappen ging?
Flankiert von seinen beiden MC-Kollegen Chocolococolo und E², an den ich, wäre ich 15 Jahre jünger, gleich das nächste Herz verloren hätte, und zunächst mit DJ Matrat, später mit den Mundartisten in voller Formationsstärke hinter sich, zeigt Knackeboul, was man in Langenthal eine Harke nennt. Raps, Beatboxing und Freestyles über maßgeschneiderte Beats beweisen wieder einmal: Berndeutsch ist rap-bar wie nix sonst.
Es sollten schon schwerwiegende Gründe vorliegen, sich dieses Wahnsinns-Paket nicht live zu Gemüte zu führen. Allen, denen die Gelegenheit dazu fehlt oder die es - frei nach Nosliw - immer wieder hören wollen, lege ich hiermit wärmstens (gleich neben den ebenfalls brillanten Vorgänger "Red Und Antwort" von 2006) Knackebouls "Hotel Hektik" ans Herz.
In wohltuender Weise demonstriert hier ein MC, dass, obwohl man zu häufig einen anderen Eindruck bekommt, weder Musikalität, Wortwitz und Spaß an der Sache noch Skills aus dem Rap von heute völlig verschwunden sind. Vom "Check In", wenn man gleich an der Rezeption mit Knackebouls Spaltpersönlichkeiten Orlando Menthol und dem Slam-Poeten Kris vo Bärn Bekanntschaft schließt, bis zur besinnlichen Abreise: Der Aufenthalt im "Hotel Hektik" bereitet in erster Linie durchgehend Vergnügen.
Gebt dem Kerl einen Beat, ein Blatt, einen Stift und zehn Minuten: Boom! Nicht nur "Push It" über musikalischer Grundlage von Mundartisten-Drummer Kwest befördert den Unterkiefer eine Etage tiefer: "Herzblut fließt in dem Scheiß!" Daran zweifle ich ebenso wenig wie ich die Selbsteinschätzungen Knackebouls in Frage stelle: Wir haben es mit einem Vollblut-Entertainer zu tun, einer, wie im funky-gutgelaunten Bonus-Track nachgeschoben wird, "rächt coolen Sau" zudem.
Wie ein Bergbach flowt dieser MC über jeden einzelnen verdammten Stein, den die Berner Alpen hergeben. Die Beatbox? Gabs bereits beim Empfang. Doubletime-Reime? Wem die im druckvoll groovenden Titeltrack nicht ausreichen, der wird in "Push It" bedient - aber wie. Mächtige Bässe tragen durch "Unikum", in "Silberugge" werden, gemeinsam mit Reggae-Sänger Dodo, vollends die Tore der Dancehall aufgestoßen.
Rewind, Selecta! Kein Problem: DJ Matrat an den Decks steuert makelloses Turntablistenhandwerk bei. Guter Dinge zieht der "Bueb" mit seinen Freunden durch die ganze Schweiz und lässt zusammen mit Cookie und einer Hookline, die ins Ohr geht wie nichts Gutes, die "Good Old Days" hochleben.
Neben dem Spaßrapper und dem sich ganz herzlich betrinkenden Slammer, der in "Lustig!" zu Wort kommt, präsentiert sich Knackeboul aber auch als Jongleur der leisen Töne. Wie ein "Offnigs Buech" gestattet er Einblicke in seine Gedanken- und Gefühlswelt, lässt an Selbstfindungsprozessen teilhaben und berichtet von Emotionen und den daraus scheinbar zwangsläufig resultierenden Verletzungen.
Trotzdem lässt es sich von "Liebi Und Luft" ganz gut leben. Melodien, live eingespielte Instrumente, ordentliche Bässe, mal witzige, mal nachdenkliche Geschichten, gekonnt gereimt, virtuos vorgetragen, und das alles noch auf Berndeutsch: Ich betrachte dieses Album als Geburtstagsgeschenk. Wenn das ein Traum ist: Weckt mich nie wieder auf.
12 Kommentare
Knackeboul ist der reine Wahnsinn. "Good Old Days" ist mein absoluter Favorit.
Liebe Grüße
naja, 4 punkte hätten gereicht. gibt bessere acts.
hm. ich hätte nie gedacht, dass ich so intolerant bin. hab mir das album vollständig angehört, aber dieser akzent geht mir überhaupt nicht rein. ich find ihn sogar abstoßend.
der rest ist überdurchschnittlich, aber 5 hätte ich nie im leben gegeben.
Hab mir n paar Lieder angehört und muss auch sagen dass ich beim Hip Hop/Rap schon lieber versteh was mir da erzählt wird...
Flow- und Beattechnisch sicherlich überdurchschnittlich,aber für mich als "Hochdeutscher" isses nix...
lern berndeutsch!
mal was Anderes.