laut.de-Kritik
Biedermeier-Tagtraum, aber mit Tattoos und Muckies.
Review von Yannik GölzAuf dem Intro zu seinem neuen Album behauptet Kontra K, dass schwere Zeiten gute Musik hervorbringen. Wie schön für ihn, dass es ihm die letzten Jahre blendend ergangen sein muss! Ja, die Kontra K-Season ist zurück, Rambazamba in den McFit-Jungsumkleiden und vom Himmel ein Phrasengewitter. Die Hölle sind dabei wie so oft die anderen Menschen, die diesen Schmu Jahr um Jahr tatsächlich hören. Einmal mehr betet er uns alle Plattitüden vor, die sein Image als geläuterter Kneipenschläger so hergeben. Dieses Mal gibt es dabei extra-viel raubeinige Romanze. Sollte der geneigte Hörer oder die geneigte Hörerin aber nicht so viel an der Boyfriend-Fantasie Kontra K finden, bleibt nicht viel außer hochgradig albernen E-Gitarren-Beats, pseudo-weisem Macho-Gehabe und einem Vokabular, das in seiner Fantasielosigkeit mit einer Merkels-Neujahresansprache konkurriert.
Und ist das nicht ein bisschen witzig? Hat ein Kontra K sich doch sonst immer so viel darauf eingebildet, einer von den geraden, echten Typen zu sein? Gar nicht so, wie diese korrupten Politikerinnen und Politiker? Trotzdem schwallt er auf diesem Album Dünnes, dass die Phrasenpolizei mit Hundertschaften ausrücken müsste. "Tief in den Augen erkennt man den Glauben / Doch unter dem Brustkorb begräbt man den Schmerz / Also besser ist man sieht mit dem Herz", heißt es im Refrain von "Nicht Allein"; gefolgt von lyrischen Höchstleistungen wie "Wie oft gießen unsere Tränen den Asphalt? / Ja dieses Leben hier ist kalt".
Sein lyrischer Modus Operandi ist die Sorte Gefasel, die bestenfalls einem leicht beeindrucktem Dude ein "Deep, Bruder" abringen würde. So schön es auch ist, dass wir über die Deutschrap-Phase der Reim-Korinthenkackerei hinaus sind, der Mann reimt so grenzdebil fantasielos, dass man seine Endreime oft schon beim ersten Hören doppeln kann. Für jemanden, der sich gerne als Texter lobt, sollten Paare wie Scherben-Sterben, leer-mehr, kalt-Asphalt, Herz-Schmerz nicht so leicht zu finden sein. Aber was will man von einem Mann erwarten, der sein Label "Letzte Wölfe" nennt? Wuff.
Ist es denn eigentlich nicht schön, dass die deutsche Sprache ein so quellendes Überangebot an Wörtern besitzt, mit der sich wirklich jedes Gefühl, jede Erfahrung und jeder Gedanke bis ins letzte Hinterland verfolgen und verbildlichen lässt? Kontra K sieht das anders. Für Kontra K haben nur die allgemeinsten, großflächigsten und grobkörnigsten Wörter Gewicht. Wahrheit, Lüge, Krieg, Frieden, Liebe, Hass, darunter macht er' nicht. Und wenn es doch mal eine Metapher sein muss, liegen Himmel, Hölle, Blut und Beton nie zu fern. Es entstehen Ungetüme wie: "Man spielt nicht mit Geld, und auch nicht mit Herzen / Spielt nicht mit dеm Leben und auch nicht mit Wertеn". ...Deep, Bruder! Das ist ungefähr so viel Klartext wie CDU bei Anne Will.
Und wenn er einfach nur aggressiv rappt, dann geht er meistens ja sogar klar, man sehe auf Songs wie "Kampfgeist V", "Gib Mir Kein' Grund" oder "HSHN", bei dem er seine ruppige Stimme so weit aufpeitscht, bis sie sogar an den gastierenden Haftbefehl heranreicht. Da klingt er gut, weil seine Haudegen-Aura mit echter Aggression zumindest Sinn ergibt und Rap-Competition ihn in sein musikalisches Element befördert. Kontra K kann durchaus rappen, wenn man ihm mal den Anlass gibt. Man will nur hoffen, dass dieses Album ihm beibringt: Liebeslieder sind nicht dieser Anlass. Nein, Liebeslieder bringen wirklich nur das Schlechteste aus ihm heraus.
Man verdamme den Moment, in dem Kontra K verstanden hat, wie viel weibliche Fanbase er ansprechen kann. Dann holt er sich eben diese unsäglich schmalzigen Beatzarre-Beats und sülzt seiner Angebeteten das Blaue vom Himmel, traditionelle Werte und Hochzeiten galore. Und es ist unerträglich. Nicht nur, weil er wirklich schlecht mit Worten und feinfühlig wie ein betrunkener Presslufthammer bleibt, sondern weil diese ganze verkaufte Fantasie irgendwie erbärmlich ist. Der geläuterte Bad Boy, jetzt bereit, all deine Spießer-Träume mit dir zu verwirklichen und dabei trotzdem noch ab und zu romantisch-verwegenen Kauderwelsch von sich zu geben. Die Hälfte dieses Albums, ein Biedermeier-Tagtraum, aber mit Tattoos und Muckies, um von den Bausparkonten und dem FDP-Mitgliedsbuch abzulenken.
Das wird nirgends schlimmer als in "Follow", einem musikalischen Pandämonium der furchtbaren Entscheidungen, auf dem Kontra K gemeinsam mit Sido über ein Sample von Lykke Lis "I Follow Rivers" ihre Angebetete bezaubern möchten. Gerade Sido klingt dabei wie ein alter Mann, dem sich die Gedärme beim Versuch umdrehen, seiner Frau nach dreißig Jahre liebloser Ehe zum Jahrestag irgendetwas Romantisches zu sagen. "Ich sag' ma' so, wie's ist (Ist), du bist mein großes Glück", sagt der Charmeur. Noch etwas? "Alles war grau und trist, heut hab' ich ein'n Engel, der mich beschützt". Wie meinen? "Ja, mit 'Engel' mein' ich dich (Dich)" - Ah. Danke. Deep, Liebling.
Daneben versucht Kontra K sich an seiner besten Raubein-Gesangsstimme, und wer bei diesem undynamischen Gestümper zwischen Andreas Gabalier und dem Graf von Unheilig nicht schwach wird, wird es spätestens bei Leony – die Frau, die einst für Capital Bra in seinem historischen "Le Le Le"-House-Song den dramatischen Refrain stellte – und ihrer völlig platten und emotionslosen Darbietung des "I Follow Rivers"-Refrains. Wenn man es nicht besser wüsste, sieht diese Wurst aus wie eine Parodie auf Chart-Songs mit Formel-Beats, lieblosen Performances und berühmtem Samples. Aber natürlich verkaufte sich das Ding wie warme Semmeln.
Trotzdem könnte man den Rettungsanker dieses Albums wenn dann in der musikalischen Umsetzung sehen. Stellenweise klingt das Album solide. Es hat nicht viel Gefühl für Dynamik oder Spannung, weil es genau wie sein Protagonist immer nur auf 10/10-Drama feuern kann, aber für ein paar Songs wären die Streicher und E-Gitarren durchaus vertretbar – und gerade die raplastigen Songs auf der zweiten Hälfte klingen hier und da gut. Aber will wirklich jemand diesen ganzen Schwall an überzüchteten Bombast auf einmal hören? Ähnlich wie Kollegah ist Kontra K ein grobmotorischer Musiker. Ihm fehlt Feingefühl. Alles muss immer so groß, laut, wichtig, klug und episch wie möglich sein. Und diese musikalische Formel gibt sich genau dann seiner maximalen Lächerlichkeit preis, sobald sie inhaltlich mit nichts anderem unterfüttert wird als mit Omas Phrasengulasch von vorgestern.
16 Kommentare mit 9 Antworten
Iht habt das single cover hochgeladen
The Fast and the Furious Fans Musik.
Das ist in der Tat eine sehr gute Umschreibung.
Jesses Gott und dann auch noch Davie Selke im Video...
Passt doch. Selke entspricht verstörend gut dem Klischeebild, das man von einem Kontra K Fan hat
In der Satirezeitschrift Eulenspiegel gibt es so eine Rubrik mit Einsendungen von Gedichten, die in irgendwelchen kleinen Zeitschriften (Zeitschrift des Kleingartenvereins, Lokalblätter) veröffentlicht werden, wo halt irgendwelche völlig random Leute (meist ältere Mitmenschen) halt mal nen Gedicht schreiben zu irgend'nem Thema.
Manch Abiturient gestaltet seine Abibuchseite auch mit so talentbefreiten Gedichten.
Manchmal wird auch auf Hochzeiten selbstgedichtetes zum Besten gegeben.
So auf dem Niveau bewegt sich der Kontra.
Also, da sollte man sich doch nicht so dran abarbeiten.
Kommt halt nicht jeder an Orgi/Arzt/Basstard/Hengzt zu ihren großen, großen Anfangszeiten ran.
Es gibt halt auch ausreichend Kinder, die mit 11,12 oder 13 Jahren ausreichend Taschengeld haben, um sich den Stuff zu kaufen. Deutschland ist ein großer Markt.
Also ich würde dem Rezensenten da mehr Distanz wünschen, schont Kräfte.
Alter, das Cover. Lel.
Contra K – einer der realsten im Game.