laut.de-Kritik
Im Gym kommt Langeweile auf.
Review von Frieder HaagKontra K verkauft seinen Fans auch 2020 noch Glückskeks-Rap als großes Gefühl. "Vollmond" bedient genau das Muster, mit dem der Berliner seit Jahren erfolgreich ist: 20 Songs lang geht es um Loyalität, Hunde und Loyalität.
Unter der ganz großen Geste macht es Kontra K dabei nicht. Er wandelt zwischen Gott und Teufel, die eine Liebe ist die ganz große Liebe. Eine Freundschaft geht bis mindestens in den Tod. Fallstudie "Für Dich Geh Ich Rein": "Du hältst meinen Kopf über Wasser in dem Ozean der Lügen", alles klar. Die schmalzige Hook stammt vom Kölner Apache BACI, der die Stimmung aber nicht hebt. Der Knast ist für Romantik wohl auch der falsche Ort.
Andererseits zeichnet "Vollmond" genau dieses Bild eines sich aufopfernden Kontra Ks. Irgendwie traurig gibt er sich bei der ersten Hälfte der 20 Tracks, dabei widerspenstig und - ihr ahnt es - loyal. "Wie Gemacht Dafür" kommt mit rumpelndem Bass und inhaltsleerem Rap über Wölfe. Auch die Kollabo mit Samra auf "Tiefschwarz" kommt über platte Bilder nicht hinaus, völlig unkonkret geben sich beide dem dramatischen Weltschmerz hin.
"Puste Sie Weg" mit Bonez-Dancehall-Beat erzählt eine Story von Ehre und echten Werten in einer Welt voll falscher Freunde. Drogen schaden, ein Mann müsse sich vielmehr selbst gegenüber loyal sein und sein Leben in die Hand nehmen: "Der Teufel liegt nicht nur im Detail, mein Freund / Sondern meistens als Linie auf dem Spiegel."
Ein lobenswertes Anliegen, das jedoch viel zu moralinsauer verpackt ist. Kontra K kennt den rechten Weg und will diesen den Heerscharen der Selbstoptimierung anheim gefallenen jungen Männern auch weisen. Da passt, dass er konsequent von "Männern", "Jungs" und "Brüdern" redet. Hat er denn gar keine Freundinnen?
Die Produktion von The Cratez setzt dabei durchgehend auf wabernde Synths, drückende Kicks und hier und da Chor-Samples. Das passt, aber nach drei Titeln dominieren Eintönigkeit und auch Kitsch. Dass Kontra K auf jedem Song ähnlich klingt, trägt auch nicht zur Abwechslung bei.
Abwechslung versprechen hingegen die Features auf der zweiten Hälfte des Albums. Mit Capital Bra, Ufo361, AK Ausserkontrolle sowie DSDS-Sternchen Alicia Awa hat der Berliner einige Hochkaräter im Angebot. Die musikalische und inhaltliche Einöde hellen diese jedoch nicht auf.
Auf "Sie Rennt" klingt Ufo361, wie er immer klingt. Der Trapsong zwingt Kontra K zu Triple-Flows und macht so tatsächlich Spaß. Auf "Sirenen" wirkt er mit AK Ausserkontrolle erstaunlich hungrig und covert nebenher sogar die Prinzen. Die Robin Hood-Räuberpistole wirkt trotzdem wie eine etwas billige Ausrede, um nach den vielen 'Ich bin so ehrlich'-Beteuerungen der ersten Albumhälfte nicht ganz das Gesicht zu verlieren, rappt er über Raub.
Auch "Nochmal" scheißt auf die moralischen Prinzipien, auf die "Vollmond" bislang so stark gepocht hat. Dass er dafür "Adrenalin" von 2014 aufwärmt - geschenkt. Der Track mit Rico und Skepsis geht gut ins Ohr, trotzdem dachte man, es gehe Kontra K eben genau nicht darum, seine Ziele im Rausch zu verlieren. Doch auch das Feature mit dem selbsterklärten Straight Edge-Aktivisten Capital Bra wirft Fragen auf. "Wie kaputt muss meine Liebe sein? Ich weiß es nicht", gibt Alicia Awa auf "Gift" zu. Der Hörer weiß es auch nicht, und es bleibt schleierhaft, was ihm der Song geben soll.
"Vollmond" hält eine Stunde Rap für Pumper und BWL-Studenten bereit. Jede zweite Zeile könnte auf einem Instagram-Motivationsbild laufen, jedes zweite Lied im Fitnessstudio. Die Ausreißer nach oben haben im Sumpf der steten Wiederholung kaum eine Chance. Und Kontra Ks Gesellschaftskritik kommt leider nie über ein stumpfes 'Die da oben' hinaus - der Fokus auf die Loyalität zwischen Brüdern blendet größere Zusammenhänge aus und zeugt überdies von einem seltsam männlich fixiertem Weltbild. Da passt es, dass sich in der Premiumbox für Männer ein Schulterholster für Handys findet, in der Version für Frauen ein hässlicher Rucksack.
12 Kommentare mit 10 Antworten
Der war auch immer schon scheiße, hat nur wie bei Kollegah (abgesehen vom dereinst neuen Flow), Olexesh etc länger gedauert, bis es jeder merkt.
Frage mich bis heute, warum man Kontra K dauerhaft gerne hört. Auf jedem Album erzählt er von den gleichen Dingen, mit immer gleichen Metaphern und Wörtern. Musikalisch ist es diesmal auch nicht mehr zu ertragen.
Gehört 1/5
was sollen menschen den sagen auser der wahrheit?
Ehrenmann
Unfassbar, Kontra K ist der Bushido der Neuzeit. Mit derselben scheisse jedes Jahr Gold gehen.
"so viele schreiben hits, aber ohne was zu sagen" selbstironie?
Wie kann man nur so eine schlechte Kritik schreiben. Dann bewerte lieber Schlager und nicht dieses Meisterwerk.
Aber... Das ist doch ne Bewertung für nen Schlager?