laut.de-Kritik

Herzscheiße, Rauschgift, kaputt sein.

Review von

Keine Nacht für niemand? Well played. Moment mal, der Titel kommt uns irgendwie bekannt vor – und auch so manch anderes auf dem neuen Kraftklub-Album mutet vertraut an. Schon der Opener "Band mit dem K" macht klar: Hier feiert sich eine Band nicht nur selbst, sondern zelebriert auch noch ordentlich ihre Einflüsse. Dafür haben sich die Chemnitzer prominente Unterstützung ins Studio geholt. Nach und nach purzeln auf "Keine Macht für Niemand" nämlich nicht nur Zitate und Referenzen, sondern auch noch vertraute wie bekannte Stimmen. Element-of-Crime-Sänger und Autor Sven Regener zum Beispiel. "Am Ende denk ich immer nur an dich", stimmen Kraftklub ein – was folgt ist aber weniger hafentrunkene Regener-Poesie sondern eine High-Energy-Rock-Bestandsaufnahme eines desolat Liebesszenarios. Als es gegen Ende mal kurz zu einer Atempause kommt, übernimmt Regener himself den Interims-Gesangspart.

"Fenster" beinhaltet Ratschläge an besorgte Bürger und verschwörungsaffige Das-wird-man-doch-wohl-sagen-Dürfer. Man könne nämlich sehr wohl etwas tun, schlagen Kraftklub im verständnisvollen Deckmantel vor und kommen dann zum eingängigen Refrain-Fazit: "Spring aus dem Fenster für mich". Für den Song gegen die neue Rechte, die sich die Worthülse 'Systemkritik' einverleibt haben, gibt es einen folgerichtigen Gast – die Antilopen Gang hatte vielleicht Bela B, Kraftklub haben Farin Urlaub. Später gibt's noch einen weiteren Knicks vor Die Ärzte – bei "Sklave" trifft man auf ein "Bitte, Bitte"-Zitat. Im Laufe des Albums erwarten den Hörer noch einige weitere Aha-Momente dieser Art.

Thematisch ist alles dabei, was urbane und suburbane Zwanziger und Dreißiger so bewegt: prekäre Lebensverhältnisse, Herzscheiße, Rauschgift, kaputt machen, kaputt sein. "Willst du dir dein Leben ruinieren mit dir? Denk an deine Freunde" heißt es in "Leben Ruinieren". Nana, bei soviel musikalischem Erfolg werden die potenziellen Schwiegereltern und das Umfeld des Gegenübers so abgeneigt nicht sein. Oder beim fröhlich-kaputten "Chemie Chemie Ya": "Alter bei dir läufts / Blut aus der Nase / Aus der Visage direkt auf die Straße / Zu viel geflogen, zu viel gezogen". Der Refrain dazu natürlich hüpf- und mitgrölgeeignet.

Und dann wäre da noch die erste Single, für die Kraftklub einige Kritik einstecken mussten. In "Dein Lied" wird der ehemaligen Holden nämlich zu dramatischem Streichersound in bester Curse-Manier so einiges an den Kopf geworfen. Dabei legen Kraftklub dem Protagonisten auch ein relativ uncharmantes Wort in den Mund, über das viel Lärm gemacht wurde: "Du verdammte Hure, das ist dein Lied / Dein Lied ganz allein, das kannst du all deinen Freunden zeigen". Sieht man mal von dieser Kontroverse ab, bildet das Lied musikalisch einen Ausreißer.

Mit "Keine Nacht für Niemand" liefern Kraftklub ein rundes, gutes Album ab. Wenig anderes war auch zu erwarten. Der Festivalsommer kann hiermit kommen und es ist davon auszugehen, dass diese Band noch ein ganzes Stück größer werden wird, als sie es ohnehin schon ist.

Trackliste

  1. 1. Band mit dem K
  2. 2. Leben ruinieren
  3. 3. Chemie Chemie Ya
  4. 4. Am Ende
  5. 5. Fenster
  6. 6. Fan von Dir
  7. 7. Hausverbot (Chrom & Schwarz)
  8. 8. Dein Lied
  9. 9. Sklave
  10. 10. Venus
  11. 11. Hallo Nacht
  12. 12. Liebe zu Dritt

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