laut.de-Kritik
Jungsmusik für Mädchen zwischen Rap und Indie-Rock.
Review von Simon LangemannObwohl die Presse die fünf Chemnitzer schon lange im Voraus als potenzielle Newcomer des Jahres und neue Crossover-Helden feiert, machen sich Kraftklub auf ihrem Debüt eine sympathische Portion Bescheidenheit zum Markenzeichen.
Gleich zu Beginn des schmissigen Eröffnungstracks "Eure Mädchen" stellt Frontmann Felix klar: "Kredibilität liegt immer noch in weiter Ferne / Wir sind nicht Tocotronic und wir sind auch nicht Die Sterne / Wir sind, wie wir sind, klingen, wie wir klingen / auch wenn die Indie-Polizei-Sirene blinkt."
Die Zurückhaltung steht ihnen fürs erste sehr gut, denn eine musikalische Revolution treten Kraftklub trotz der durchaus geglückten Fusion aus Rap und Rock nicht los. Die treibenden, schnörkellosen Instrumentals geraten zwar stets launig und tanzbar, bedienen sich aber vor allem beim klassischen, geradlinigen Indie-Rock und bewegen sich zwischen den Hives, Bloc Party und Mando Diao.
Immerhin sind sich Kraftklub der mangelnden Eigenständigkeit scheinbar durchaus bewusst und kontern mit Selbstironie: "Ihr müsst uns glauben / Wir setzen die Trends / denn bei uns klauen alle diese schwedischen Bands."
Auch Felix Kummer glänzt nicht mit überwältigenden Rap-Skills, böse Zungen werfen ihm gar eine auffällig Nähe zu K.I.Z. vor. In Kombination mit den durchweg humorvollen Lyrics und den von Gitarrist Karl beigesteuerten Gesangsparts macht er als Frontmann dennoch eine souveräne Figur. Obwohl er nach eigenen Angaben "Zu Jung" für Rock'n'Roll ist, fügen sich die gesprochen Strophen einwandfrei ins krachige Klangbild ein.
Recht schnell wird deutlich, dass Kraftklub musikalisch nicht allzu viel Neues zu bieten haben. Viel mehr besteht ihr Konzept daraus, altbekannte Trademarks zu fusionieren und damit etwas im positiven Sinne Eigenartiges zu erschaffen. Dieses Konzept bringt Erfolg, schließlich genossen Kraftklub zumindest in der aktuellen deutschen Musiklandschaft schon vor dem Debüt einen Ausnahmestatus zwischen Hip-Hop-Act und festivaltauglicher Indie-Band.
Gleich für den ersten großen Karriereschritt ergatterten die Jungspunde einen Vertrag beim Major-Riesen Universal, der ihrem Sound alles andere als gut tut. Die Instrumentals klingen über weite Strecken viel zu glattgebügelt und einheitlich, so dass die Stücke trotz des kurzweiligen Songwritings auf Dauer eintönig wirken. Mit wesentlich ungeschliffenerem und vor allem differenzierterem Sounddesign hätte "Mit K" dagegen zur Top-Platte heranwachsen können, schließlich gibt es durchaus Positives zu berichten.
Sowohl textlich als auch musikalisch halten Kraftklub den Unterhaltungswert fast durchgehend hoch, den einzigen Durchhänger erlebt man bei der arg kitschig geratenen Ballade "Kein Liebeslied". Mit wenig filigranen, aber stets intensiven Arrangements halten die vier Instrumentalisten ihrem MC den Rücken frei, während dieser entfesselt und vor allem zynisch über "Liebe", "Melancholie" und Hyperaktivität ("Ritalin/Medikinet") philosophiert.
Anstatt sich selbst ernst zu nehmen, erzählt Felix meist völlig selbstironisch aus seinem offenbar leicht verkorksten Leben ("Dein Leben läuft gut, mein Leben läuft Amok"). Allzu tiefgründige Lyrics wären in Verbindung mit dem rotzigen Feiersound ohnehin recht unpassend, viel lieber konzentriert sich der Fronter darauf, den Zuhörer zum Schmunzeln zu verleiten.
Mit dem großartigen "Ich Will Nicht Nach Berlin" überraschten Kraftklub bereits Ende September beim Bundesvision Song Contest, sodass man die Hipster-Schmähhymne knappe vier Monate später allmählich nicht mehr hören kann. Doch wer sich völlig glaubwürdig als unspektakulär und bodenständig inszeniert, hat definitiv das Recht, sich derartig über die abgehobene Großstadtkultur lustig zu machen. "Ich komm aus Karl-Marl-Marx Stadt / bin ein Verlierer, Baby / original Ostler", heißt es in "Karl-Marx-Stadt", das zugleich Abgesang und Lobeshymne auf die geliebte Heimatstadt Chemnitz darstellt.
Letztendlich hinterlassen Kraftklub mit ihrem lange erwarteten Debüt gemischte Gefühle. Einerseits überzeugt die "Jungsmusik für Mädchen", die die fünf Chemnitzer nach eigenen Angaben spielen wollen, mit hohem Unterhaltungswert und Spaßfaktor. Spätestens mit dem vorliegenden Erstling scheint es also besiegelt, dass sich die Newcomer mit ihrem live-tauglichen Sound innerhalb kürzester Zeit zur festen Größe etablieren werden. Demgegenüber steht die Tatsache, dass die 13 Songs in Tempo und Charakter einfach zu einheitlich daherkommen, um ein wirklich zeitloses und spannendes Album zu bilden.
27 Kommentare
3 sterne
ok ich gebe zu. die aelter version von "zu jung" fand ich um einiges besser. aber das ist auch schon der einzigste wermutstropfen an der scheibe. nichtsdestotrotz ist das album gut. 4 sterne waeren auch drinne gewesen !
Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.
Stimmige Review, der Sound von den Snippets war nich so prall, das Geld für das Album spar ich mir für ne Live-Platte. Auf der ist dann hoffentlich auch Randale drauf.
Genau die selbe Mucke hat Dendemann schon vor 2 Jahren gemacht. Und zwar in gut!!
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Kraftklub trifft den Nerv der Zeit und sind sympathische Jungs. Ja das haben viele Leute wirklich gut erkannt und auch ich bin als "Jugendlicher" einverstanden damit. Die Spiegel-Online Pop-Prognose 2012 sah es voraus, dass die Platte "mit K" wohl den wirklichen Durchbruch der Band wird. Ja, die Platte ist immer noch in den Charts und stieg sogar auf Platz...ganz lesen:http://packung-alex.de/2012/05/13/kraftklu…