laut.de-Kritik
Musik für Menschen, die viel zu viel Zeit haben.
Review von Stefan MertlikKurt Vile – das ist der lässige Typ, der bei The War On Drugs Gitarre spielte und sich seitdem die Haare nicht mehr schnitt. Ende der Zweitausender entschied er sich, Karriere im Alleingang zu machen, was in einem halben Dutzend Alben, unzähligen EPs und einer hochgelobten Kollabo-Platte mit Courtney Barnett gipfelte. Nun steht mit "Bottle It In" das siebte Solo-Album an. Und das zeigt Vile nicht nur als versierten Musiker, sondern auch als Musiknerd mit zu viel Zeit. Nicht umsonst entstand die Platte über eine Spanne von zwei Jahren.
Mit einer Gesamtdauer von 78 Minuten reizt der 38-Jährige das Medium CD beinahe aus. Kaum ein Song gibt sich mit einer radiotauglichen Länge zufrieden. Fünf Minuten sind normal, zehn sind besser. Stücke wie "Bassackwards" oder "Skinny Mini" können mit ihrer nicht enden wollenden Monotonie hypnotisch wirken. Viles heruntergesungene Zeilen, die zuweilen am Spoken-Word-Vortrag kratzen, tragen ihr Übriges dazu bei. Slackertum in Reinkultur.
Inhaltlich grast Vile in kryptischen Texten die Liebe zu seiner Heimatstadt Philadelphia ("Loading Zones"), Begegnungen mit der ersten Liebe ("Come Again") und die Angst vorm Fliegen ab ("Hysteria"). So gechillt und oberflächlich Vile auch erscheinen mag, so tiefgründig fallen die Lyrics aus. Mentale Gesundheit spielt eine ebenso große Rolle wie der nächstbeste Gag: "Check baby, check baby / One two three / That’s alright with me / Singing playing all the time / now hey, look lucky me / always been in touch with reality you see".
Kurt Vile spielt entspannte Gitarrenriffs, die er in Stücken wie "Bassackwards" in Dauerschleife setzt, "One Trick Ponies" und "Rollin With The Flow" atmen Country-Romantik, "Come Again" überrascht mit einem Banjo und "Yeah Bones" mit einem quietschfidelen Glockenspiel. Vile beherrscht sein Handwerk und möchte dies beweisen, indem er kleinen Ideen viel Platz bietet. Dass die Songs dadurch an Knackigkeit einbüßen, scheint ihm egal zu sein.
"Loved them all through many a lifetime / Some are gone but some still strong / Some are weird as hell but we love 'em", singt Vile in "One Trick Ponies" und meint damit die vielen Wegbegleiter, die ihn auch bei dieser Album-Entstehung unterstützten. Für "Loading Zones" schaute seine Band The Violators vorbei, er arbeitete erneut mit Beck-Produzent Rob Schnapf zusammen, ließ für den Titelsong Cass McCombs ans Mikro und Stella Mozgawa von Warpaint ans Schlagzeug, besuchte das Studio von Shawn Everett und nahm mit Peter Katis auf.
Kurt Viles Solodebüt trug den Titel "Constant Hitmaker". Zehn Jahre später löst er dieses Versprechen mit "Bottle It In" nicht mehr ein. Das Album ist ein Marathon, der in seinen besten Momenten vor Genialität strotzt und in seinen schlechtesten einfach nur langweilt.
4 Kommentare mit einer Antwort
Top Rezi - Ich habe viiel Zeit und die Platte ist genau meine Kragenweite.
Leute ohne Zeit sind echt zu bedauern.
Sehe ich auch so. Grandiose Songs für relaxte Leute mit unverstellten Gehörgängen.
Nix für die schnelle Nummer halt.
3 Sterne sind genau 2 zuwenig. Das Album ist großartig, für mich eines der wenigen Highlights 2018. Von mir aus können alle Lieder 10 min plus sein, ich lass mich da gerne einlullen.
So siehts aus. In Köln am Wochenende 1A abgebottled. Kurt slackt am besten und wer das anders sieht hat keine Ahnung.
Die Platte hat für mich 2, höchstens 3 Ausreißer und ist ansonsten richtigrichtig gut. 10 Minuten können lang sein, hier vergehen sie wie im Flug. Das Titelstück entfaltet eine Sogwirkung, man muss immer wieder „zurück“ drücken. Gibts auch nich so oft. Eine des schönsten Alben für mich in diesem Jahr.